Text: Lara Wassermann     Foto: Jacques Toffi

Reitweisenübergreifend über den Tellerrand zu schauen kann sowohl bei der Problemlösung als auch bei dem Erlernen neuer Lektionen extrem von Vorteil sein. Profis der FN-Reitweise, des Western- und Barockreitens erklären ihre Trainingsansätze

Um das ideale Tempo bei eiligen und triebigen Pferden zu erreichen, ist die richtige Dosierung der Hilfen wichtig

Sofie Eckebrecht:

Ein abgestumpftes Pferd wurde zu sehr desensibilisiert, sodass es die Schenkelhilfe nicht mehr ernst nimmt und entsprechend kaum oder gar nicht auf die Hilfe reagiert. Ein rhythmisches Tempo ist insbesondere für die Arbeit an der Durchlässigkeit eine Grundvoraussetzung. Treibt man unbewusst, sei es auch nur leicht, ohne eine Reaktion des Pferdes zu verlangen, stumpft es ab. Das Pferd muss wieder für Schenkelhilfen sensibilisiert werden, und der Reiter muss lernen, seine Schenkelhilfen zu kontrollieren und korrekt einzusetzen.

Anders als in der klassischen Reiterei wird im Westernreiten das selbständige Arbeiten des Pferdes gewünscht und gefordert. Das bedeutet, wenn ich ein Kommando gebe – in diesem Fall einen Tempowechsel –, nehme ich, sobald das Pferd antrabt, die Hilfe weg. Das Pferd soll das Kommando ohne weitere Hilfen konstant ausführen, bis es ein neues Kommando erhält. Ich klopfe leicht mit beiden Beinen am Pferd und steigere den Druck mit jedem Klopfen etwas, bis das Pferd eine Reaktion zeigt. Gibt man zu früh auf, bevor das Pferd reagiert hat, lernt es, dass die treibende Hilfe eigentlich nichts zu bedeuteten hat, und stumpft somit ab. Auch eine kleine Verbesserung ist dabei eine Verbesserung! Elementar ist das Lösen des Schenkels, sobald das Pferd reagiert. Die Hilfe wird beendet! Nun wartet man, bis das Pferd wieder langsamer wird, und beginnt die Übung von vorn. Dabei ist es wichtig, dass ich mit der ersten Stufe, dem leichten Klopfen, und nicht sofort mit einer verstärkten Hilfe beginne.

Wenn sich das Pferd häufig über das Tempo entzieht, gehe ich sehr gerne auf gebogenen Linien, kleine Zirkel oder Volten. Man neigt dazu, das Pferd über den Zügel zu bremsen, was oft zu einer Entziehung hinter die Senkrechte führt. Bringt man eine Biegung in das Pferd, kann man das Tempo besser verlangsamen. Als Übung kann ich das Reiten von Achten empfehlen. Das Ziel ist, zwischen zwei Volten eine Gerade einzubauen. Wenn das Pferd auf dieser wieder schneller wird, leitet man die nächste Volte ein.

Dr. Britta Schöffmann:Den Begriff „triebig“ mag ich nicht so gern. Es gibt bewegungsfreudige und eher gemütliche Pferde. Wirklich triebig wird ein Pferd durch den Menschen bzw. seine falsche Hilfengebung. Wie bei allen Pferden sollte auch bei den eher gemütlichen darauf geachtet werden: Wenn eine Hilfe gegeben wird, dann muss auch eine Reaktion erfolgen! Kommt sie auf die erste, „freundliche“ Schenkelhilfe nicht, dann ist es absolut kontraproduktiv, zwei, drei oder gar sechs kleine, nette weitere Hilfen zu geben. Denn damit bringt man entsprechend dem Lernprinzip der Gewöhnung einem Pferd nur eines bei: nicht mehr zu reagieren. Stattdessen: eine „normale“ Hilfe. Kommt darauf keine Reaktion, sollte die zweite Hilfe auf 100 Prozent gegeben werden. Freundlich gesagt: eine energisch beidseitig vortreiben- de Schenkelhilfe. Klarer: ein Tritt in den Hintern. Das klingt unfreundlich, ist für ein Pferd aber viel eindeutiger. Ehrlich gesagt, ein wirklich durchgehendes Pferd hatte ich noch nie. Durchgehen geht mit Festbeißen einher, das heißt, das Pferd beißt aufs Gebiss und entzieht sich so der Einwirkung. In einem solchen (seltenen) Fall sollte man versuchen, einen Zügel extrem zu kürzen und das Pferd in eine Wendung zu ziehen. Ja, zu ziehen, denn eine normale Hilfengebung funktioniert in einem solchen Fall nicht mehr.

Neigt ein Pferd lediglich zum Davoneilen, hilft das Reiten von Wendungen und Übergängen. So lange, bis das Pferd anfängt, auf die Hilfen des Reiters zu achten. Wichtig da- bei ist es, dass der Reiter treibt. Das klingt seltsam, bringt aber viel. Treiben heißt ja nicht unbedingt Vorwärts, sondern Einfluss aufs Hinterbein nehmen. Je mehr das Pferd unter den Schwerpunkt arbeitet, desto eher bleibt es beim Reiter. Hat ein Pferd die Reiterhilfen noch nicht ganz verinnerlicht, hilft es auch, im Leichttraben langsamer als das Pferd, also gegen die Bewegung, zu traben. Das erfordert ein bisschen Körperbeherrschung beim Reiter und fühlt sich, nun ja, bescheiden an. Aber auch fürs Pferd. Die meisten verlangsamen darauf ihr Tempo, ohne gebremst zu werden.

Weitere Tipps von den Profis finden Sie in der aktuellen Mein Pferd- Ausgabe.