Text: Anna Castronovo         Foto: Getty Images/Andy Linden

Jedes Jahr im Herbst müssen sich Pferdebesitzer entscheiden, ob sie ihr Pferd eindecken wollen oder nicht. Da ist es gut zu wissen, was die natürliche Thermoregulation leisten kann – und was nicht.

Das ist schon schwer: Man selbst bibbert und friert, der kalte Winterwind fährt einem ins Genick – und man muss sein Pferd trotzdem nicht eindecken? Stimmt. Eigentlich ist das nicht nötig, denn Pferde haben ein völlig anderes Temperaturempfinden als wir Menschen und können sich veränderten Witterungsbedingungen bestens anpassen. Sie können sich durch eine erhöhte Stoffwechseltätigkeit warm halten und ihre Blutzirkulation sowie die Herzfrequenz steuern: Bei Kälte verlangsamt sich der Herzschlag, und die Gefäße ziehen sich zusammen. Dadurch dringt weniger Blut an die Körperoberfläche, und es geht weniger Wärme verloren. Hat das Pferd ein dichtes Winterfell, kann es außerdem die Deck- und Unterhaare aufstellen, wodurch ein isolierendes Luftpolster entsteht. Der Haarstrich und ein natürlicher Fett lm sorgen außerdem dafür, dass Feuchtigkeit abfließt und das Wollhaar schön trocken bleibt. Bei warmen Temperaturen kann sich das Pferd über seine Schweißdrüsen abkühlen, durch die Atemluft bis zu 20 Prozent seiner Körpertemperatur abgeben und sogar durch das Gewebe Wärme im Körper transportieren (Konduktion). Dieser ausgeklügelte Mechanismus heißt Thermoregulation.

Bei Kälte mehr Raufutter

Die Komforttemperatur von Pferden liegt bei -15 bis +25 Grad Celsius, wobei sich das Optimum bei 5 Grad befindet – also deutlich unter den Temperaturen, die von uns Menschen noch als angenehm empfunden werden. „Komforttemperatur bedeutet, dass der Stoffwechsel des Pferdes in diesem Bereich ideal läuft “, erklärt Sandra Löckener vom Tierschutz-Team des Veterinärwissenschaftlichen Departments der LMU München. „Erst bei sehr niedrigen Temperaturen beginnen Pferde, über einen vermehrten Stoffwechsel für mehr Körperwärme zu sorgen. Wann genau das Pferd beginnen muss zu regulieren, ist individuell und hängt zum Beispiel von der Dichte des Felles, von den vorhandenen Fettpolstern oder von der Witterung ab, also, ob es zum Beispiel feucht oder windig ist. Dieser Regulationsmechanismus funktioniert, sinnbildlich ausgedrückt, wie in einem Ofen“, erklärt Löckener. „Nahrung wird in körpergerechte Substanzen umgewandelt, also verbrannt. Dadurch entsteht Wärme. Für diese erhöhte Stoffwechsel-Aktivität ist es wichtig, dass Pferde bei kalten Temperaturen mehr Raufutter zur Verfügung haben.“ Normalerweise wird Wärme hauptsächlich durch die Muskulatur erzeugt. Dabei kann die Wärmeproduktion unter Belastung bis zu 60-mal höher sein als in Ruhe. Das funktioniert durch normale Bewegung, aber auch durch das sogenannte Kältezittern. „Das Zittern aktiviert die Muskeln, und diese erzeugen Wärme“, erklärt Sandra Löckener. Friert das Pferd, wenn es zittert? „Die Körpertemperatur ist dann auf jeden Fall zu niedrig“, sagt Löckener. „Auch der Stoffwechsel läuft auf Hochtouren, denn das Zittern verbraucht immerhin vier Fünftel der gesamten Stoffwechsel-Energie. Da sollte man sich schon überlegen, ob man das einem Pferd zumuten will.“ Weitere Fälle, in denen nach Meinung der Expertin eine Decke sinnvoll ist: Bei Pferden, deren Organismus aus anderen Gründen so belastet ist, dass er die Thermoregulation nicht mehr bewältigen kann, und bei Pferden, die kein dichtes Winterfell haben. Auch Pferde mit langen Beinen sind im Nachteil, da sie eine größere Körperoberfläche haben als etwa gedrungene Ponytypen. „Ansonsten kommen gesunde Pferde aber wunderbar ohne Decke über den Winter und es ist grundsätzlich auch gesünder, nicht einzudecken“, sagt sie.

Thermotraining und Arbeit anpassen

Wer sein Pferd nicht eindecken will, sollte aber wissen: Die Thermoregulation muss täglich trainiert werden. „Wird ein Pferd nicht eingedeckt, muss es regelmäßig Klimareizen ausgesetzt werden, zum Beispiel durch täglichen Koppelgang“, erklärt die Wissenschaftlerin. „Steht ein Pferd dagegen nur im warmen Stall, funktionieren die Regulationsmechanismen nicht mehr, und sein Immunsystem ist schnell überfordert, wenn es plötzlich Kälte ausgesetzt wird.“ Deshalb soll die Stalltemperatur der Außentemperatur folgen und lediglich Extreme abmildern. Ebenfalls wichtig: Das Pferd muss immer die Möglichkeit haben, sich durch Bewegung selbst warm zu halten und Schutz vor Regen und Wind zu suchen. Auch die Arbeit muss man bei nicht eingedeckten Pferden anpassen. Die Rückenmuskulatur braucht mitunter länger, bis sie warm wird – das Tier kann beim Reiten etwas klammer oder klemmiger als sonst sein. Deshalb sollte man mit einer langen Schrittphase beginnen. Das Training darf nicht zu intensiv sein, damit das Pferd mit seinem dicken Fell nicht extrem schwitzt, und auch die Abkühlungsphase muss entsprechend ausgedehnt werden. „Haut und Unterfell sind jedoch häufig schon nach fünf bis zehn Minuten wieder trocken, und mithilfe einer Abschwitzdecke kann man dann auch die Feuchtigkeit vom Deckhaar abtrocknen“, sagt Löckener. Wichtig: Das feuchte Pferd keinem Zug aussetzen! Das Fell unter dem Solarium zu trocknen, ist allerdings keine gute Idee. Denn: „Wenn dieses zu warm eingestellt ist, steigt die Körpertemperatur an, und der Organismus versucht, die höheren Temperaturen durch Schwitzen wieder herunterzukühlen  – dadurch dauert der Trocknungsprozess aber noch länger“, erklärt Löckener.

…den kompletten Artikel – inklusive Checkliste, ob Ihr Pferd eine Decke benötigt – finden Sie in der aktuellen Ausgabe.