Text: Aline Müller           Foto: www.Slawik.com

Ein Offenstall ist für jedes Pferd die beste Lösung, und Hengste müssen immer isoliert von anderen Pferden gehalten werden? Es ist Zeit, mit Irrtümern in der Pferdehaltung aufzuräumen und vier wichtigen Fragen rund um das Pferdeleben genauer auf den Grund zu gehen

Moderne Offenstallkonzepte sind stark auf die natürlichen Bedürfnisse des Pferdes ausgerichtet. Da sie eine artgerechte Haltung, Fütterung sowie ein normales Sozialverhalten ermöglichen, können zum einen Verhaltensstörungen, aber auch Erkrankungen reduziert werden. So sinkt beispielsweise das Risiko für fütterungsbedingte Koliken, und die vermehrte Bewegung wirkt sich positiv auf Stoffwechsel, Herz-Kreislauf-System und Bewegungsapparat aus. Das gilt natürlich nur, wenn auch im Offenstall die Bedingungen stimmen. Stehen die Pferde ständig im Matsch oder gibt es keinen Rückzugsort beziehungsweise zu wenig Platz, dann sind Probleme vorprogrammiert. Diese Haltungsform stellt auch Anforderungen an den Stallbetreiber. Eine gewisse Erfahrung in puncto Gruppenhaltung sowie entsprechende Fachkenntnisse sind wichtig.

Nicht jedem Pferd fällt es leicht, sich in eine bestehende Gruppe zu integrieren. Hier kommt es sowohl auf die Persönlichkeit und die Erfahrungen des neuen Vierbeiners als auch auf die Pferde in der Gruppe an. Im Offenstall treffen einfach verschiedene Individuen aufeinander, und wie es so oft im Leben ist, kann es durchaus zu Spannungen kommen. Stallbetreiber und Pferdebesitzer tragen hier die Verantwortung, dass eine passende Gruppe ausgewählt wird und das Pferd nicht einfach ins kalte Wasser geschmissen wird, sondern es entsprechend eingegliedert wird. Das kann zum Beispiel über eine geschützte Paddockbox mit sicherem Zaun zum restlichen Bereich geschehen.

Stress sollte immer ernst genommen werden. Warum ein Pferd im Offenstall gestresst ist, kann unterschiedliche Gründe haben. So haben es zum Beispiel rangniedere Pferde häufig schwer, sich einen Platz an der Futterstelle zu sichern. So nehmen sie nicht genug Raufutter auf. Das darf nicht erst auffallen, wenn der Vierbeiner abmagert. Auch eine zu geringe Anzahl an Wasser- beziehungsweise Futterstellen oder ein zu kleiner geschützter Ruhebereich sind ein Stressfaktor. Kann das Pferd sich nicht zurückziehen, nicht ruhen, schlafen, ausreichend fressen oder trinken, dann steht es ständig unter Strom und verliert gleichzeitig Kraft und Energie. Wer beobachtet, dass sein Pferd in der Herde gemobbt und von bestimmten Plätze vertrieben wird, sollte die Situation umgehend mit dem Stallbetreiber besprechen. Es ist wichtig, dass jeder Futterplatz und jeder Unterstand zu jeder Zeit und von jedem Gruppenmitglied ohne Stress aufgesucht werden kann. Es gibt diverse Möglichkeiten, Konflikte im Offenstall zu lösen – von mehreren Heunetzen bis hin zu einer anderen Gruppenzusammenstellung. Oft bringt es schon etwas, wenn das Pferd nicht alleine ist, sondern einen Artgenossen als Kumpel an seiner Seite hat und so Schutz und Sicherheit erfährt.

Dennoch gibt es Pferde, die nie gelernt haben, sich in ein Herdengefüge einzuordnen. Je nach Alter, Charakter und möglicherweise negativen Erfahrungen kann eine andere Haltungsform die bessere Wahl sein. Andere Vierbeiner fühlen sich im Offenstall einfach nicht wohl. Vielleicht, weil sie es nicht mögen, dem wechselnden Wetter ausgesetzt zu sein, oder weil sie einfach eher der Typ Einzelgänger sind. Auch das kommt vor, und kein Pferd sollte zu einer Haltungsform gezwungen werden.

Den gesamten Artikel zum Thema „Irrtümer der Pferdehaltung“ finden Sie in der Mein Pferd Juni- Ausgabe.