Text: Andreas Ackenheil, Rechtsanwalt         Foto: www.Slawik.com

Der Spezialist für Pferderecht, Rechtsanwalt Andreas Ackenheil, gibt auch in dieser Ausgabe die besten rechtlichen Tipps rund ums Thema Pferd

Bei der Ankaufsuntersuchung im Rahmen des Pferdekaufs, begegnet vielen Käufern und Verkäufern der Gelenkchip. Doch was ist ein Chip überhaupt? Wie kann ein Gelenkchip entstehen? Wie wird er diagnostiziert? Ist das Pferd heilbar, und welche Auwikrungen hat ein Chip auf den Pferdekauf?

Was ist ein Gelenkchip?

Ein Gelenkchip ist ein kleines Knochenteilchen, welches teilweise mit Knorpel über- zogen ist. Der Gelenkchip entsteht durch Wachstumsstörungen oder Stoffwechselerkrankungen in jungen Jahren.

Meist handelt es sich bei dem Chip um ein Symptom der Osteochondrosis dissecans (OCD). Diese Erkrankung tritt bei jungen Pferden auf, die sich noch in der Wachstumsphase befinden. Insbesondere Warmblüter sind häufig von der Gelenkerkrankung betroffen. Der Chip wird dabei erst im Alter von drei bis fünf Jahren entdeckt, entsteht aber bereits mit eineinhalb bis zwei Jahren.

Bleibt der Chip unentdeckt, können die Gelenke dauerhaft gereizt werden, was zu Lahmheit und Entzündungen führt. Häufig findet man die Chips im Kniegelenk, Fesselgelenk oder Hufgelenk. Da ein Gelenkchip auch erhebliche Knorpelschäden auslösen kann, sollten junge Pferde vor dem Anreiten unter- sucht werden, da die gesundheitlichen Probleme meist erst unter Belastung entstehen.

Wie kann ein Gelenkchip entstehen?

Die Ursache des Gelenkchips ist in den meisten Fällen eine Stoffwechselstörung, die das Wachstum des Fohlens stört. Ein Trauma führt in der Regel nicht zu einem Gelenkchip. Bis zu einem Alter von etwa 1,5 Jahren wächst der Knorpel in seiner Schichtdicke an. Der Knorpel selbst, ist nicht durchblutet und wird von der Gelenkflüssigkeit und den darin befindlichen Nährstoffen ernährt. Wenn diese Nährstoffsituation nicht ausreicht oder gestört ist, kommt es zu einer Entwicklungsstörung und damit zu einer Ablösung von Knorpelschuppen auf der Gelenkfläche. Sobald sie verkalken, können sie auf einem Röntgenbild sichtbar werden. Ein OCD-Chip ist folglich eine verkalkte Knorpelschuppe. Gelenkchips treten meist bei Pferden auf, deren Eltern ebenfalls Gelenkchips hatten.

Wie wird ein Gelenkchip diagnostiziert?

Ein Gelenkchip kann mit einer Röntgenuntersuchung festgestellt werden. Besteht der Verdacht, dass eine Lahmheit oder eine wiederkehrende Schwellung auf einen Chip zurückzuführen ist, sollte unbedingt ein Röntgenbild von dem Gelenk angefertigt werden.

Neben Lahmheit sind wiederkehrende Flüssigkeitsansammlungen und Bewegungsträgheit erste Anzeichen für Gelenkentzündungen und Chips. Gerade bei jungen Pferden, die zum Verkauf stehen oder die angeritten werden sollen, empfiehlt es sich, vor Beginn der Ausbildung umfassende Röntgenbilder zu erstellen, um einen genauen Überblick über die Gesundheit und den Knochenbau des Pferdes zu erhalten. Dabei kann ein Chip entdeckt werden, der bis dahin noch gar nicht aufgefallen ist oder bislang auch keine Probleme gemacht hat. Auch Sportpferde sollten geröntgt werden, um etwaige Chips auszuschließen.

Wie behandelt man einen Gelenkchip?

Da der Gelenkchip dauerhaft das Gelenk und die Bänder reizt, sollte der Chip operativ entfernt werden. Dabei muss jedoch diagnostiziert werden, wie groß der Chip ist. Kleine Chips, die außerhalb des Gelenks sitzen, können meist im Pferd bleiben und stellen keine Gefahr dar, da sie den Knochen nicht reizen. Sobald ein Chip jedoch stört und Probleme verursacht sollte er entnommen werden. Zudem besteht die Ge- fahr, dass Chips wandern. Das heißt, dass außenliegende Chips zu locker sind und sich bewegen und so für Beschwerden sorgen.

Chips, die zwischen den Gelenkflächen sitzen, müssen immer operativ entfernt wer- den. Sie stören die Gelenkpfannen dauerhaft und erzeugen Reibung, die mitunter zu starken Entzündungen und Schmerzen führt. Auch wenn der Chip bis dato keine Schmerzen bereitet hat, wird er prophylaktisch entnommen, um Symptomen vorzubeugen.

Die Chip-OP wird unter Vollnarkose durchgeführt. Diese Operation zählt zu den Routineeingriffen, sodass sie nur zweier kleiner Zugänge bedarf, um den Chip zu entfernen. Während der Operation wird das Gelenk mit einer Kohlendioxidlösung gedehnt und so geweitet, damit der Chip gut entnommen werden kann. Anschließend wird das Gelenk gespült und die Wunden vernäht. Meist sind die kleinen Narben nach einer kurzen Zeit unter dem Fell nicht mehr sichtbar. Nach dem Eingriff muss das Pferd zwei bis drei Tage in der Klinik bleiben und Antibiotika einnehmen, um einer Infektion vorzubeugen. Danach muss das Pferd in der Regel zwei bis drei Wochen Boxenruhe haben, um das Gelenk zu schonen. Wenn alles gut verheilt ist, muss das Pferd langsam wiederaufgebaut werden, um das Gelenk zu schonen und die Muskeln um das Gelenk zu stärken.

Welche Auswirkungen hat ein Gelenkchip auf den Pferdekauf?

Fraglich ist, ob ein Gelenkchip einen Sach- mangel darstellt, der es dem Käufer ermöglicht, das erworbene Pferd zurückzugeben. Grundsätzlich stellt ein Gelenkchip einen Mangel dar, sofern der Chip bei dem Pferd gesundheitliche Probleme wie Schmerzen oder Lahmheit auslöst. Bereitet der Chip hingegen keine Probleme und werden auch in naher Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Probleme auftreten, stellt der Chip keinen Sachmangel dar.

Ist die Zukunft für das Pferd mit dem Chip ungewiss, können sich die Parteien auch darauf einigen, dass der Verkäufer auf seine Kosten, die Operation veranlasst. Verweigert er dies, kann der Käufer vom Vertrag zurücktreten oder den Kaufpreis für das Pferd mindern. Dennoch kommt es in der Praxis auf die Umstände des Einzelfalles an. Hat das Pferd einen Chip, von dem der Käufer nichts wusste und hat das Pferd gesundheitliche Probleme, stehen dem Käufer grundsätzlich die Gewährleistungsrechte zu, da vermutet wird, dass ein Mangel, der sich innerhalb von sechs Monaten zeigt, bereits zum Kaufzeitpunkt vorlag. Dies gilt auch nach dem neuen Kaufrecht mit Wirkung ab 1. Januar 2022.

Grundsätzlich gilt bei einem Pferdekauf: Zeigt sich innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang ein Sachmangel, so wird gemäß § 477 BGB vermutet, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar.

In der Rechtsprechung wurde der Chip schon mehrfach als Sachmangel angesehen. So sah es beispielsweise das Oberlandesgericht in München oder auch Oberlandesgericht in Hamm als einen Mangel an.

Das OLG Hamm hatte eine OCD im rechten hinteren Kniescheibengelenk als einen Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB gewertet. Eine OCD sei nach Auffassung des Gerichts und des Sach- verständigen entweder genetisch oder traumatisch bedingt, jedenfalls entspreche eine solche Erkrankung eines Pferdes nicht dem üblichen Zustand und musste vom Kläger auch nicht erwartet werden.

Lediglich die symptomfreien Chips stellen noch keinen Sachmangel dar, da noch nicht jede Abweichung von der physiologischen Idealnorm einen Sachmangel begründet. Zudem muss der Chip kausal für die Entzündung und die Lahmheit des betreffenden Pferdes sein. So entschied das Oberlandesgericht in Köln, dass ein OCD kein Sachmangel sei. Dies gelte jedoch nur, wenn der Chip noch zu keinerlei klinischen Symptomen geführt hat.

Tipp vom Anwalt für Pferderecht Ackenheil:

Letztlich sollte jeder Pferdekäufer, insbesondere von jungen Pferden, eine umfassende röntgenologische Untersuchung durch- führen lassen, um derartige Erkrankungen rechtzeitig erkennen zu können. Beim Kaufgespräch sollte man als Käufer über das Pferd so viel wie möglich in Erfahrung bringen. Fragen Sie nach der Geschichte, dem Lebensweg des Pferdes. Zudem ist jedem Pferdekäufer und auch Pferdeverkäufer anzuraten, nicht blind Vertragsmuster zu verwenden, da ein Vertrag immer auf die speziellen Bedürfnisse zugeschnitten sein muss. Wichtige Punkte wie zum Beispiel Vorerkrankungen des Pferdes und der Verwendungszweck sollten unbedingt mit in den Vertrag aufgenommen werden. Häufig beinhalten Vertragskopien sogar veraltete rechtsunwirksame Regelungen. Achtung! Anfang des Jahres 2022 gab es wichtige Änderungen im Kaufrecht. Um unnötigem Ärger aus dem Weg zu gehen, lassen Sie sich einen auf Sie zugeschnittenen Vertrag vom Experten erstellen. Seit über 20 Jahren informieren, beraten und vertreten mein Team und ich rund um den Pferdekauf. Nehmen Sie unverbindlich Kontakt zu uns auf.

Ihr Anwalt für Pferderecht Rechtsanwalt Ackenheil

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