Text: Andreas Ackenheil, Rechtsanwalt          Foto: www.Slawik.com

Der Spezialist für 
Pferderecht, Rechtsanwalt Andreas Ackenheil, gibt 
auch in dieser Ausgabe die 
besten rechtlichen Tipps rund ums Thema Pferd. 

Pferde sind Lebewesen, die genau wie wir Menschen auch schlechte Tage haben können. Dennoch wird gerade im Pferdesport oftmals von den Pferden verlangt, dass sie zu funktionieren haben. Die jüngste Vergangenheit hat gezeigt, dass in der Pferdesportwelt ein weitreichendes Umdenken zum Wohle der Pferde stattgefunden hat. So wurde die umstrittene Disziplin des Springreitens beim Modernen-Fünfkampf mit dem Skandal um die deutsche Athletin Annika Schleu bei den Spielen im vergangenen Sommer untragbar. Die Bilder gingen um die Welt und lösten vielfache Empörung aus und führten schließlich dazu, dass eine Hindernis-Disziplin künftig als fünfter Wettbewerb das Springreiten beim Modernen Fünfkampf ersetzen soll.

Wenn man ein Pferd zum Reiten gekauft hat und dieses Pferd sich als unreitbar zeigt, stellt sich die Frage, ob dies in der Endkonsequenz zum Schadensersatz berechtigt.
Unter der Rittigkeit eines Pferdes versteht man die Summe aus verschiedenen Faktoren wie Ausbildung, Training, Alter, aber auch Charakter und Leistungsbereitschaft eines Pferdes. Je besser diese Faktoren ausgebildet sind, umso rittiger kann sich das Pferd zeigen. Aber auch ein rittiges Pferd kann jederzeit unrittig werden. Ist dies der Fall, sollte schnellstmöglich der Ursache der Unrittigkeit des Reitpferdes auf den Grund gegangen werden. Eine Unrittigkeit kann viele Gründe haben. So könnte beispielsweise eine Erkrankung, ein Trauma oder eine Überforderung des Pferdes ursächlich sein, aber auch das Unvermögen des Reiters. Arbeitet das Pferd gegen den Reiter, bockt oder verweigert sich komplett, gilt es als unrittig. Dies stellte der Bundesgerichtshof 2020 fest und bejahte Rittigkeitsprobleme bei einem Reitpferd, „wenn das Pferd nicht oder nicht optimal mit dem Reiter harmoniert und Widersetzlichkeiten zeigt“. Da eine Unrittigkeit eines Reitpferdes durchaus auch im Auge des Betrachters liegen kann, kommt es bei der Frage auch darauf an, wofür das Pferd eingesetzt werden sollte. An ein Dressurpferd werden durchaus andere Erwartungen zu dessen Rittigkeit gestellt als an ein rohes Freizeitpferd.

Liegt die Unrittigkeit am Pferd oder am Reiter?



Zunächst stellt sich die Frage, auf welche Ursache die Unrittigkeit zurückzuführen ist. Liegen keine klinischen Befunde vor, welche auf eine gesundheitliche Ursache deuten oder wurden auch sonst keine Veränderungen in dessen Umfeld vorgenommen (neuer Sattel oder Beschlag, Umzug, Vergesellschaftung etc.), so könnte die Ursache im Reiter selbst liegen. Der Käufer des Pferdes hat dann zu beweisen, dass das Reitpferd bereits zum Übergabezeitpunkt unreitbar gewesen ist oder der Ansatzpunkt hierzu schon gesetzt war und dieser Mangel nicht auf andere Faktoren, wie die zwischen dem Reiter und dem Pferd bestehende, beziehungsweise fehlende, Chemie, zurückzuführen ist.

Wann stellt die Unrittigkeit einen Sachmangel dar?


Um als Käufer rechtliche Ansprüche gegen den Verkäufer geltend machen zu können, muss es sich bei der Unrittigkeit eines Reitpferdes daher um einen Sachmangel handeln. In der oben genannten Entscheidung des BGH stellte er bezüglich der Frage eines Sachmangels fest, dass der Verkäufer, sofern nichts Anderweitiges als Beschaffenheitsvereinbarung vereinbart wurde, nur dafür einzustehen hat, dass das Pferd nicht krank ist und sich nicht in einem Zustand befindet, aufgrund dessen bereits mindestens eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass es alsbald erkrankt und infolgedessen für die gedachte Verwendung nicht mehr einsetzbar wäre. Demnach würde die Eignung eines klinisch unauffälligen Pferdes für die gewöhnliche oder vertraglich festgelegte Verwendung als Reitpferd nicht schon dadurch beeinträchtigt werden, dass aufgrund von Abweichungen von der physiologischen Norm eine geringe Wahrscheinlichkeit dafür bestünde, dass es zukünftig klinische Symptome entwickeln würde, die der Verwendung als Reitpferd entgegenstehen. Diese Grundsätze sollen nach BGH aber nicht nur für die physischen Abweichungen von der Idealnorm gelten, sondern auch für abweichendes Verhalten des Pferdes, wenn es nicht optimal mit dem Reiter harmoniert und Widersetzlichkeiten zeigt. Entspräche die „Rittigkeit“ eines Pferdes nicht den Vorstellungen des Reiters, realisiere sich für den Käufer (sofern keine klinischen Befunde vorliegen) lediglich der Umstand, dass es sich bei dem erworbenen Pferd um ein Lebewesen handeln würde, das nun mal mit individuellen Anlagen ausgestattet sei und dementsprechend mit sich darauf ergebenden unterschiedlichen Risiken behaftet sein könnte. In der oben genannten Entscheidung des BGH kaufte die Käuferin ein fünf Jahre junges Pferd, welches sie als Sportpferd einsetzen wollte. Im weiteren Verlauf wurde das Pferd durch die Tochter der Käuferin weiter ausgebildet, mit dem Ziel, den Leistungsstand der Klasse L zu erreichen. Nach einiger Zeit erklärte die Käuferin gegenüber dem Verkäufer die Anfechtung, als Grund führte sie an, dass das Pferd unter „gravierenden Rittigkeitsmängeln“ leide und sich daraus insbesondere Widersetzlichkeiten des Blockens und Blockierens aufzeigten. Sie gab an, dass der Rittigkeitsmangel auf einen Kissing-Spines-Befund zurückzuführen sei, welcher nicht geheilt werden könne. In diesem Rechtsfall wurde gutachterlich festgestellt, dass das streitgegenständliche Pferd kein Schmerzgeschehen oder krankhafte Rückensymptomatik aufzeigte, sodass, auch wenn eine Kissing-Spines-Erkrankung vorläge, diese nicht ursächlich für die Unrittigkeit sein könne. Der Käuferin gelang es im weiteren gerichtlichen Verfahren nicht, nachzuweisen, dass die Rittigkeitsmängel auf die Kissing-Spines-Erkrankung zurückzuführen sei.

Kann eine Unrittigkeit 
nachgebessert werden?



Sollte der Rittigkeitsmangel bereits vor der Übergabe vorgelegen haben, stellt sich die Frage, ob und wie ein solcher Mangel vom Verkäufer nachgebessert werden könnte. Da Rittigkeitsmängel eines Reitpferdes verschiedene Ursachen haben, lässt sich dies nicht pauschal beantworten, es ist jedoch nicht gänzlich ausgeschlossen. Lässt sich der Rittigkeitsmangel in einer überschaubaren Zeit beheben, ist davon auszugehen, dass dieser nachbesserungsfähig ist. Hierunter fallen Erkrankungen, die ohne nachteilige Folgen heilbar sind. Ebenso dürften die meisten Rittigkeits- und Ausbildungsmängel nachbesserungsfähig sein, sofern sie nicht auf eine Erkrankung zurückzuführen sind.

Nicht nachbesserungsfähig sind hingegen Erkrankungen, die Rittigkeitsprobleme auslösen, die einen langwierigen Heilungsprozess bedeuten oder gar nicht vollständig heilbar sind, wie Spat, Sommerekzem, Headshaking-Syndrom oder Frakturen u.ä.
Vor allem Rittigkeits- und Ausbildungsmängel sind regelmäßig in zumutbarer Weise nachbesserungsfähig, wenn diese durch etwa einen Beritt oder eine Therapie korrigiert werden können. So entschied etwa das Oberlandesgericht in Zweibrücken in einem Fall in dem ein Pony verkauft wurde. Im Kaufvertrag über das Pony wurde festgehalten, dass das Pony geritten und „bereits im Sport erfolgreich“ gewesen sei. Darüber hinaus wurde die gesundheitliche Beschaffenheit des Pferdes aufgrund einer tierärztlichen Untersuchung des Tierarztes des Verkäufers befundet. Vor Abschluss des Kaufvertrages hatten der Käufer und seine Tochter das Pony besichtigt und auch einen Proberitt vorgenommen. Nach dem Kauf startete das Pony auf verschiedenen Turnieren. Allerdings zeigte sich das Pony ungewöhnlich und bereitete Probleme beim Reiten. Aufgrund des auffälligen Verhaltens des Ponys wurde dieses einer Tierklinik vorgestellt. Die Tierärzte diagnostizierten bei dem Pony das Headshaking-Syndrom. Daraufhin erklärte der Käufer gegenüber dem Verkäufer den Rücktritt aufgrund der Erkrankung und des daraus resultierenden Rittigkeitsmangels. Nachdem dieser auf den Rücktritt nicht reagierte, erhob der Käufer Klage. Das Oberlandesgericht stellte im weiteren Verfahren fest, dass das Headshaking-Syndrom einen Mangel darstellt, welcher nicht nachbesserungsfähig sei, da das unkontrollierte Ausschlagen des Kopfes nicht beseitigt werden kann. Zusammenfassend erkennen die Gerichte durchaus an, dass gewisse Rittigkeitsmängel auch auf das Unvermögen des Reiters zurückzuführen sind oder auf eine Eigenart des Pferdes, welche gegebenenfalls wegtrainiert oder -therapiert werden könnte, weshalb sie nicht per se einen Sachmangel darstellen. Sollte der Mangel allerdings nachweislich vor der Übergabe bereits vorgelegen haben, kommt es darauf an, ob eine Form der Rittigkeit als besondere Beschaffenheitsvereinbarung getroffen wurde, sodass den Verkäufer eine Nachbesserungspflicht treffen würde.

Fazit

Aus dem Umstand heraus, dass die Rittigkeitsprobleme auch auf das reiterliche Unvermögen des Reiters zurückzuführen sein könnten, muss der Käufer belegen, dass diese Probleme oder auch bereits deren Ansatz schon in der Besitzzeit des Verkäufers vorgelegen haben. Die Unrittigkeit oder deren Ursprung muss bereits bei der Übergabe des Pferdes vorgelegen haben, um weitere Ansprüche des Käufers gegenüber dem Verkäufer begründen zu können. Damit Sie nicht wegen eines „Formfehlers“ Ihre Rechte verlieren, ist es besonders wichtig, frühzeitig kompetenten Rechtsrat einzuholen. Zudem ist es jedem Pferdekäufer und auch Pferdeverkäufer anzuraten, keine veralteten Vertragsmuster zu verwenden. Ein rechtssicherer Kaufvertrag sollte immer die aktuelle Rechtslage beachten und auf die speziellen Bedürfnisse der Vertragsparteien zugeschnitten sein.

Ihr Anwalt für Pferderecht

Rechtsanwalt Ackenheil

Unser Experte: Andreas Ackenheil veröffentlicht als Spezialist für Pferde- recht regelmäßig in zahlreichen Fachzeitschriften und Onlineportalen juristische Fachbeiträge sowie Kommentare zu neuen Rechtsentscheidungen und hält Vorträge und Seminare. Zudem veröffentlichte der Rechtsanwalt einen großen Ratgeber für Tierrecht mit einem umfangreichen Kapitel über Pferderecht.

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