Text: Andreas Ackenheil        Foto: www.Slawik.com

Hat man sein Pferd in einem Reitstall untergebracht, kann es auch im professionellsten Stallbetrieb passieren, dass sich das Pferd in seiner Box oder auf dem Gelände des Reiterhofs verletzt. Das Pferd kann sich in seiner Box an herausstehenden Nägeln oder Splittern verletzen, an scharfen Kanten in der Stallgasse oder an den Weidezäunen. Verlorene Hufeisen im Reithallenboden können ebenfalls zur Verletzungsgefahr werden. Erleidet das Pferd durch derartige Vorkommnisse auf dem Reiterhof Verletzungen, fragt sich der Pferdehalter, ob nun der Reitstallbetreiber für den Schaden und die Tierarztkosten aufkommen muss oder ob das Verletzungsrisiko als allgemeines Lebensrisiko hingenommen werden muss.

Wonach richten sich die Pflichten des Stallbetreibers?

Zu den typischen Pflichten des Stallbetreibers aus dem Einstellervertrag gehören das Füttern, Pflegen und Misten des Pferdes. Er stellt dem Einsteller oftmals eine Reitanlage zur Nutzung zur Verfügung. Er hat dafür Sorge zu tragen, dass dem Pferd in seiner Obhut nichts zustößt. Ist dies doch einmal der Fall, kommt die Frage auf, ob der Stallbetreiber möglicherweise nicht die erforderliche Sorgfalt gewahrt hat.

Wesentliche Pflichten des Stallbetreibers sind beispielsweise die Wartung der Reitanlage und der Serviceangebote wie Laufband und Führmaschine. Das kann der Einsteller auch erwarten, schließlich zahlt er auch für die Pferdepension. Der Stallbetreiber muss folglich die Boxen, Stallgassen, Zäune und andere Bereiche der Reitanlage kontrollieren. Der Reitboden muss zudem auch in einem guten Zustand sein, sodass die Pferde nicht rutschen oder sich durch Metall im Boden verletzen können. Verletzt sich das Pferd an herausstehenden Nägeln an der Boxenwand, Steinen im Hallenboden, oder bekommt es einen Stromschlag wegen freiliegender Elektroleitungen, kann dem Stallbetreiber eine Sorgfaltspflichtverletzung nachgewiesen werden und er muss dafür haften. Diese Pflicht des Stallbetreibers besteht immer, egal ob sie vertraglich geregelt wird oder nicht. Gemäß § 276 BGB haftet derjenige, der seinen Pflichten vorsätzlich oder fahrlässig nicht nachkommt. Dabei handelt fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.

Problem: Fahrlässige Sorgfaltspflichtverletzungen

Die meisten Streitfälle entstehen, wenn der Stallbetreiber fahrlässig eine Pflicht aus dem Einstellervertrag verletzt. Der Stallbetreiber wendet dann meist ein, dass er sich schließlich „nicht um alles kümmern kann.“ Tritt ein Pferd beim Reiten in der Halle in einen Nagel, der aus dem Hufeisen eines anderen Pferdes stammt, so wird der Stallbesitzer argumentieren, dass er den Hallenboden nicht selbst jeden Tag absuchen kann und ihm keine Sorgfaltspflichtverletzung vorgeworfen werden kann. Handeln Angestellte des Pensionsstallbetreibers sorglos, so muss sich der Stallbetreiber das Verhalten seiner Mitarbeiter immer anrechnen lassen.

Haftungsausschluss in Pensionsstallverträgen

Haftungsausschlüsse in Einstellerverträgen werden immer wieder zum Streitpunkt. Oftmals gibt der Stallbetreiber im Vertrag an, dass er keine Haftung für Schäden übernimmt. Solche generellen Haftungsausschlüsse sind aber unwirksam, wenn sie in formularartigen Verträgen genutzt werden. Dabei gelten strenge Anforderungen, damit Einsteller und Stallbetreiber nicht benachteiligt werden. In vielen Verträgen beschließt der Stallbetreiber, nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu haften. Dies ist der Fall, wenn der Stallbetreiber eine grobe Sorgfaltspflichtverletzung begeht. Manche Gerichte erkennen einen solchen Haftungsausschluss als wirksam an, weshalb sich in der Praxis Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen einfacher und grober Fahrlässigkeit ergeben.

Es lässt sich folglich feststellen, dass der Stallbetreiber sorgsam mit dem bei ihm eingestellten Pferd umgehen muss, jedoch muss dem Pferdehalter auch bewusst sein, dass es dem Stallbesitzer nicht möglich ist, jeder denkbaren Gefahr vorzubeugen. Der Stallbetreiber schuldet dem Einsteller sogenannte allgemeine Schutz- und Verkehrssicherungspflichten, eine Sicherheitsgarantie für sein Pferd kann der Pferdehalter jedoch nicht verlangen.

Stichwort: Vorhersehbarkeit

Grundsätzlich kommt es bei der Haftung des Stallbetreibers für Schäden auf die Vorhersehbarkeit der Gefahr an. Das bedeutet, dass, sobald die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung in der Box durch Beschädigungen der Boxenwände als fernliegend anzusehen ist, der Stallbetreiber wegen fehlender Sicherungsmaßnahmen nicht zur Haftung gezogen werden kann.

Stichwort: Zumutbarkeit

Ein weiteres Merkmal für die Beurteilung der Haftungsfrage des Stallbetreibers ist die Zumutbarkeit von Sicherungsmaßnahmen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ist derjenige, der eine Gefahrenlage schafft, verpflichtet, notwendige Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, um Schäden anderer zu verhindern. Die Beurteilung erfolgt aus der Sicht, die ein umsichtiger und verständiger Mensch in der konkreten Situation hat, und entsprechend dessen, wie er vernünftigerweise handeln würde. Bei der Frage der Zumutbarkeit der Gefahrenerkennung ist auch die Größe der zu sichernden Fläche zu berücksichtigen. vom Stallbetreiber kann nicht erwartet werden, dass dieser jede Pflanze auf der Wieder erkennt, hingen sollten ihm auffällig leuchtende Giftpflanzen wie das Jakobskreuzkraut durchaus bekannt sein.

Pferd verletzt sich in der Box

Das Landgericht Marburg beschäftigte sich 2015 mit der Haftung des Pensionsstallbetreibers, weil sich ein Pferd auf dem Paddock der Reitanlage verletzt hatte. Fraglich war im konkreten Fall, ob der Stallbetreiber eine Pflicht aus dem Einstellervertrag verletzt hatte, weshalb es zu der Verletzung kam. Im konkreten Fall konnte nicht mit Sicherheit festgestellt werden, ob sich das Pferd die Verletzung auf dem Paddock zugezogen hatte oder ob sie auf ein Festliegen in der Box zurückzuführen war. Der Kläger ist nämlich verpflichtet zu beweisen, dass die Pflichtverletzung objektiv in den Verantwortungsbereich des Stallbetreibers fällt. Wegen mangelnder Beweise, ob die Verletzung tatsächlich auf dem Paddock entstanden war, haftete der Stallbetreiber nicht. Vorliegend konnte nicht festgestellt werden, ob das Pferd sich die Verletzung in seiner Box zugezogen hatte oder ob sich der Unfall auf dem Paddock ereignet hatte. Laut dem Sachverständigen konnten die Verletzungen durchaus von einem Festliegen in der Box stammen. Das Gericht nahm an, dass das Pferd aufgrund seiner Größe ohnehin eine Gefahrenquelle sei und dies nicht vom Verwahrer beherrschbar sei. Ein mögliches Festliegen in der Box würde somit nicht in den Gefahrenbereich des Stallbetreibers fallen. Aufgrund mangelnder Beweise schied eine Haftung des Stallbetreibers aus.

Pferd vergiftet durch falsches oder schlechtes Futter

Es ist keine Seltenheit, dass Pferde auf der Weide oder beim Fressen von Kraft- und Raufutter Giftstoffe aufnehmen, die zu erheblichen gesundheitlichen Schäden führen. Denkbar sind Fälle, in denen Pferde beim täglichen und organisierten Weidegang Giftpflanzen fressen oder wenn das Pferd verdorbenes oder vergiftetes Futter zu sich nimmt. Im Schadensfall fragt sich der Pferdehalter, wer für die mitunter hohen Tierarztkosten oder Schadensersatz bei Verlust des Tieres aufkommt.

Möglicherweise kann sich der betroffene Pferdehalter an den Futtermittelhersteller halten, wenn dieser ein mangelhaftes Produkt auf den Markt gebracht hat oder das Futter bei der Herstellung schon verseucht wurde. Ist das Futter aufgrund von falscher Aufbewahrung oder Lagerung schlecht geworden kann sich der Pferdehalter an den Anlagenbetreiber halten, weil dieser das Futter verfüttert hat, ohne es vorher auf die Geeignetheit für den Verzehr zu überprüfen. Wie weit sich diese Kontrollpflicht des Anlagenbetreibers allerdings erstreckt, ist anhand des Einzelfalls zu beurteilen.

Nageltritt in der Reithalle

Ein Pferd verliert beim Reiten in der Halle ein Hufeisen. Der Reiter kann das Eisen im Sand nicht mehr finden, und so gerät der Vorfall nach einiger Zeit in Vergessenheit. Das verlorene Hufeisen erlangt erst wieder Bedeutung, wenn ein anderes Pferd in den Nageltritt und sich verletzt, weil der Nagel sich in die Lederhaut bohrt. Dieser sehr schmerzhafte Vorfall kann in schlimmen Fällen zu Entzündungen in Huf und Bein des Pferdes führen. Der Ärger ist groß, und es stellt sich die Frage, wer für die Tierarztbehandlungen des Pferdes aufkommen muss. Muss man als Nutzer einer Reithalle damit rechnen, dass sich sein Pferd gerade hier im Schutze der Halle verletzen kann?

Grundsätzlich muss der Stallbesitzer sicherstellen, dass in der Reithalle keine scharfen Kanten oder Metallstücke herumliegen, die Pferde und Reiter verletzen können. Es ist dem Stallbetreiber jedoch nicht zuzumuten, nach jedem Ritt den Hallenboden abzusuchen. Der zeitliche und wirtschaftliche Aufwand für den Stallbetreiber spielt dabei eine wichtige Rolle. Ein systematisches Absuchen von weitläufigen Weideflächen würde für die meisten Stallbetreiber einen mehrtätigen Aufwand bedeuten, wohingegen das Absuchen eines Roundpens einen geringen zeitlichen Aufwand darstellt. Vom Pensionsstallbetreiber kann daher erwartet werden, dass dieser den Hallenboden täglich nach dem Betrieb abfährt und so auf verlorene Gegenstände wie Hufeisen aufmerksam wird.

Bedeutend für die Haftungsfrage ist außerdem, wie groß der drohende Schaden für die Pferde als zu schützende Lebewesen gemäß § 1 TierSchG ist. Je höher die Wahrscheinlichkeit einer Schädigung und je schwerer der drohende Schaden ist, desto höher ist auch das Maß des Erforderlichen und Zumutbaren.

Tipp vom Anwalt für Pferderecht Ackenheil: In der Praxis ist die Haftungsfrage nicht immer einfach zu beantworten, weshalb die Umstände des Einzelfalles genauestens betrachtet werden müssen. Da mitunter mehrere Personen (Erfüllungsgehilfen, andere Einsteller, Reitverein etc.) an dem Schaden beteiligt sein können, sollte man frühzeitig einen Fachmann zurate ziehen. Ist ein Schaden eingetreten, empfiehlt es sich, genauestens den Unfallhergang zu dokumentieren und Beweise zu sammeln.

 

Unser Experte: Andreas Ackenheil veröffentlicht als Spezialist für Pferderecht regelmäßig in zahlreichen Fachzeitschriften und Online-Portalen juristische Fachbeiträge sowie Kommentare zu neuen Rechtsentscheidungen und hält Vorträge und Seminare. Zudem veröffentlichte der Rechtsanwalt einen großen Ratgeber für Tierrecht mit einem umfangreichen Kapitel über Pferderecht.

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