Text: Andreas Ackenheil           Foto: www.Slawik.com

Heutzutage ist es nicht leicht, einen guten Pensionsstall für sein Pferd zu finden. Oftmals zeigt sich erst in einer Notsituation, wie „gut“ ein Pferdepensionsstall wirklich ist. Im Pensionsstall wird das Pferd meist durch das Personal des Pensionsstallbetreibers versorgt. Je nachdem, was im Vertrag zwischen dem Einsteller und dem Pensionsbetreiber vereinbart wurde, wird neben der Fütterung und dem Misten auch das Bringen auf die Weide, das Ein- und Ausdecken im Winter sowie teilweise auch die Betreuung bei Hufschmied- und Tierarztterminen vom Pensionsstallbetreiber übernommen. Zudem achtet das Stallpersonal bei täglichen Kontrollgängen darauf, dass es dem Pferd an nichts fehlt. Diese regelmäßigen Kontrollgänge dienen u. a. dazu, schnell auf Notfallsituationen aufmerksam zu werden. Erleidet ein Pferd z. B. eine Kolik, muss schnell gehandelt werden. Häufig ist gerade in diesen Fällen der Pferdehalter nicht immer sofort erreichbar oder der Vorfall ereignet sich erst spät außerhalb der Geschäftszeiten.

Keine Frage, in Notfällen muss schnell gehandelt und ein Tierarzt gerufen werden. Jedoch stellt sich auch in diesen Fällen die Frage, welche Rechte und Pflichten der Pensionsstallbetreiber und der Tierarzt haben. Wann und welcher Tierarzt muss verständigt werden? Welche Entscheidungen dürfen, ohne diese speziell mit dem Pferdebesitzer abzuklären, getroffen werden? Wer trägt die Kosten einer Notfallbehandlung?

Wonach richten sich die Pflichten des Stallbetreibers?

Grundsätzlich stellt sich die Frage, was Einsteller und Pensionsstallbetreiber vereinbart haben. Soll der Pensionsstallbetreiber neben der reinen Boxenmiete auch Leistungen wie die Fütterung und Pflege übernehmen, handelt es sich nach der Auffassung des Bundesgerichtshofes um einen Dienstleistungsvertrag (OLG tendiert zu Verwahrungsvertrag gemäß § 688 BGB). Die Pflichten des Stallbetreibers richten sich daher danach, was die Parteien im Einstellervertrag vereinbart haben. Werden nun auch Pflege, Weideservice und Fütterung vereinbart, verpflichtet sich der Stallbetreiber zur Obhut über die hinterlegte Sache, also über das Pferd. Folglich haftet der Pensionsstallbetreiber für Schäden am Pferd oder dessen Verlust. Eine wesentliche Hauptpflicht (auch Kardinalspflicht genannt) des Stallbetreibers ist die sichere Aufbewahrung und Versorgung des Pferdes.

Im Schadensfall muss der Einsteller beweisen, dass der Stallbetreiber oder sein Personal einen Fehler bei der Haltung und der Obhut des eingestallten Pferdes gemacht haben, für den sie einzustehen haben. Wurde z. B. bei einem an einer Kolik verstorben Pferd frühzeitig der Besitzer informiert und/oder der Tierarzt gerufen? Hat der Stallbetreiber oder auch sein Personal falsch gehandelt?

Problematisch ist, dass der Einsteller sich nicht rund um die Uhr im Stall aufhält und viele Abläufe im Stall nicht miterlebt. Aus diesem Grund kommt ihm eine Beweiserleichterung zugute, die eine Haftung nach Gefahrenbereichen genügen lässt. Der Stallbetreiber muss beweisen, dass eine potenzielle Schadensursache aus seinem Bereich nicht für den konkreten Schaden verantwortlich war.

Wer zahlt, wenn nicht der Eigentümer den Tierarzt bestellt hat?

In der Regel beauftragt der Pferdehalter den Tierarzt. In Notfällen kann aber auch der Stallbetreiber es für nötig halten, schnellstmöglich den Tierarzt zu bestellen. Dies sind Fälle, in denen der Halter kurz- oder längerfristig nicht erreichbar ist. Handelt es sich um offensichtliche Verletzungen oder erkrankt das Pferd plötzlich schwer, wird jeder Halter dafür Verständnis haben und sogar dankbar sein, wenn ein Stallbetreiber schnellstmöglich den Tierarzt verständigt. Problematisch wird es in Fällen, in denen man über die sofortige Nothilfe diskutieren kann. Dies gilt u. a. bei einem Husten oder einem Verdacht auf Kolik. Hier kann die Entscheidung gegen die Hinzuziehung eines Tierarzt natürlich Geld sparen, aber im Falle eines schlimmen Ausgangs auch ein Pferdeleben kosten. Teure Behandlungen des Pferdes oder im Extremfall auch vergeblich durchgeführte Operationen, bei denen das Pferd dennoch verstirbt, können im Nachgang dem Pferdehalter jedoch auch unangemessen oder sogar unnötig erscheinen.

Vor-Ort-Entscheider ist bevollmächtigt, den Tierarzt zu rufen

Um derartigen Auseinandersetzungen aus dem Weg zu gehen, sollte man als Pferdeeigentümer eine vertrauenswürdige Person im Stall bevollmächtigen, die im Ernstfall Entscheidungen treffen darf. Viele Stallbetreiber haben in ihrem Einstellervertrag geregelt, dass sie im Notfall einen Tierarzt benachrichtigen dürfen und der Halter die Kosten trägt.

Für Fälle, in denen die Behandlung kostspielig sein kann, z. B. bei Operationen, sollte der Halter vorab absprechen, bis zu welcher Höhe er bereit ist, diese Kosten zu tragen. Hierbei sind Faktoren wie der Wert des Pferdes, die Heilungschancen und das Alter des Pferdes stets zu beachten und gegen die Situation auf Seiten des Pferdeeigentümers abzuwägen. Folglich schließt in diesen Fällen der Bevollmächtigte den Behandlungsvertrag mit dem Tierarzt ab, und der Halter wird Vertragspartner gegenüber dem Tierarzt, sodass er sich verpflichtet, für die Kosten der Behandlung aufzukommen.

Darf der Tierarzt gerufen werden, wenn kein Bevollmächtigter im Stall ist?

Schwieriger sind Fälle der sogenannten Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA), bei denen der Stallbetreiber oder eine andere Person ohne ausdrückliche Erlaubnis den Arzt beauftragt. In diesen Fällen wird diese Person Vertragspartner des Tierarztes und müsste folglich auch die Gebühren für die Behandlung bezahlen. Da dies als „Hilfe in der Not“ jederzeit vorkommen kann, hat der Gesetzgeber in §§ 677–687 BGB geregelt, was in derartigen Fällen gilt. In diesen Vorschriften steht, dass derjenige, der für einen anderen ein Geschäft führt, hier also den Arzt verständigt, von dem Geschäftsherren (Tierhalter) Ersatz für diejenigen Aufwendungen verlangen kann, die der Geschäftsführer den Umständen nach für erforderlich hielt, mithin also Kosten für eine Behandlung (§§ 683, 670 BGB). Dabei muss allerdings auf das Interesse und den mutmaßlichen Willen des Geschäftsherren abgestellt werden. Der Tierarzt ist grundsätzlich verpflichtet jedem Tier Erste Hilfe zu leisten. Wird er bestellt, kommt er folglich auch seinen Pflichten aus dem Behandlungsvertrag nach.

Was muss der Stallbetreiber tun, wenn er bei einem eingestallten Pferd z. B. eine Kolik bemerkt?

Es gehört zu den Pflichten des Stallbetreibers zu handeln, wenn er ein Pferd im Stall bemerkt, das Koliksymptome zeigt. Zunächst sollte der Besitzer des Pferdes benachrichtigt werden, da dieser entscheiden muss, wie mit dem Pferd verfahren werden soll. Da bei einer Kolik jedoch meistens alles schnell gehen muss, sollte der Stallbetreiber zusätzlich Maßnahmen ergreifen, um die Symptome zu mildern. Da eine Kolik mitunter tödlich für das Pferd sein kann, sollte ein Tierarzt verständigt werden.

Je nachdem, welchen Tierarzt der Pferdehalter wählt, kann der Pensionsstallbetreiber im akuten Notfall auch einen fremden Tierarzt, der das Pferd nicht kennt oder in Behandlung hat, verständigen. Nicht immer ist der vertraute Tierarzt erreichbar, sodass schnelles Handeln gefragt ist. Wenn der Pferdeeigentümer noch nicht eingetroffen ist und es ebenfalls noch dauert, bis der Tierarzt vor Ort ist, sollte der kundige Stallbetreiber Erste-Hilfe-Maßnahmen ergreifen. Zunächst sollten die PAT-Werte überprüft werden. Ein Zettel mit den normalen Ruhewerten des Pferdes sollte bestmöglich im Spind hängen, sodass diese schon einmal telefonisch dem Tierarzt mitgeteilt werden können. Zudem sollte der Stallbetreiber jegliche Aufnahme von Futter und Wasser unterbinden. Das Pferd sollte ruhig und langsam in der Halle geführt werden, um die Darmtätigkeit anzuregen. Dabei sollte große Anstrengung vermieden werden. Der Stallbetreiber sollte neben der Rücksprache mit dem behandelnden Tierarzt auch Rücksprache mit dem Pferdeeigentümer halten, sofern dieser nicht vor Ort ist.

Tipp vom Anwalt für Pferderecht

Wann handelt es sich um einen Notfall? Handelte der Stallbetreiber der Situation angemessen richtig? Nur eine kleine Nuance im Einstellervertrag reicht oftmals schon aus, ob ein Anspruch auf Schadenersatz erfolgreich gefordert werden kann. Es kann daher jedem Pferdebesitzer nur angeraten werden, ein besonders Augenmerk beim Abschluss eines Pferdeeinstellervertrages auf diese vorgenannten Punkte zu legen.

 

Unser Experte: Andreas Ackenheil veröffentlicht als Spezialist für Pferderecht regelmäßig in zahlreichen Fachzeitschriften und Online-Portalen juristische Fachbeiträge sowie Kommentare zu neuen Rechtsentscheidungen und hält Vorträge und Seminare. Zudem veröffentlichte der Rechtsanwalt einen großen Ratgeber für Tierrecht mit einem ­umfangreichen Kapitel über Pferderecht.

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