Text: Kerstin Börß         Foto: Getty Images

Sie leisteten im Bergbau Schwerstarbeit unter Tage – ohne dass jemand groß Notiz von ihnen nahm. Erst als ihre Arbeit nicht mehr gebraucht wurde, erlangten Grubenpferde wie Alex etwas Berühmtheit.

Der Name Alex steht in großen Lettern auf einem aufwendig gestalteten und mit zahlreichen Blumen umrandeten Grab. Viele Besucher Gelsenkirchens treffen ganz zufällig auf diese Grabstätte an der Horster Straße, dann, wenn sie eigentlich gerade auf dem Weg zu dem nur ein paar hundert Meter weit entfernten Schalker Fußballstadion sind oder wenn sie mit dem Fahrrad radelnd die Industriegeschichte der Region genauer kennenlernen wollen. Schließlich liegt das Grab direkt an der Trasse der ehemaligen Bahnstrecke der Zeche Hugo, die mittlerweile zu einem Radweg umgebaut wurde. Alfred Konter, der ehemalige Schrankenwächter der Hugo-Bahn, hat sich dafür eingesetzt, dass Alex ein würdiges Denkmal gesetzt wurde. Denn hinter diesem Namen steckt das letzte Grubenpferd der ehemaligen Gelsenkirchener Zeche Hugo.

Die ersten Grubenpferde wurden im Ruhrgebiet Mitte des 19. Jahrhunderts eingesetzt. Sie übernahmen Aufgaben, die vorher von Menschen ausgeführt wurden. Da die Pferde mit ihrer Kraft eine deutlich höhere Zahl an Kohlewagen durch den Schacht ziehen konnten als die Bergmänner, stieg ihre Zahl in den folgenden Jahren rapide an. In Gelsenkirchen war auch die größte Grubenpferd-Verleihfirma beheimatet. In der Hochzeit verlieh die Firma bis zu 13.000 Pferde an die umliegenden Zechen. Dabei wurden Tiere eingesetzt, die eine Widerristhöhe unter 1,50 Meter hatten und über ein ruhiges Temperament sowie starke Hufe verfügten. Besonders beliebt waren unter anderem regionale Wildpferde, klein gewachsene Oldenburger, Fjordpferde, Haflinger, Münsterländer und das litauische Zematuka-Pony. Anfangs wurden die Tiere wie die Menschen täglich in den Schacht hinuntergefahren, bis unter Tage für die Pferde Ställe eingerichtet wurden. Bei der Arbeit wurde ihnen ein Kopf- und Ohrenschutz sowie eine Stirnkappe angelegt. Dennoch waren Verletzungen und Krankheiten sehr verbreitet. Auch für die Bergmänner waren die Arbeitsbedingungen nicht wesentlich besser. Einen großen Unterschied gab es dann aber doch. „Die Pferde haben die schwerste Arbeit geleistet und wurden nie gefragt“, wird Alfred Konter in einem Artikel der „taz“ zitiert.

Im Laufe des 20. Jahrhunderts hielten unter Tage verstärkt Maschinen Einzug, und das Kapitel der Grubenpferde erreichte langsam sein Ende. Grubenpferd Alex beendete seinen Dienst auf der Zeche Hugo in den 1940er Jahren. Außerhalb von Gelsenkirchen wurde in Deutschland allerdings noch etwas länger auf die Pferdekraft der Grubentiere gesetzt. Berühmtheit erlangte dabei immerzu nur das letzte Grubenpferd. Viele Tiere erhielten ganz unbemerkt schon viele Jahre ihr Gnadenbrot oder waren bereits zum Schlachter gebracht worden. Besonders der letzte Arbeitstag von Tobias auf der Zeche General Blumenthal in Recklinghausen wurde im Juni 1966 von vielen Medien aufgegriffen. Er wurde als das nun wirklich allerletzte Grubenpferd Deutschlands porträtiert. Während also „Rentner“ Tobias nun auf einer Weide grasen konnte, wurde zwei Monate nach seinem letzten Tag ein weiteres allerletztes Grubenpferd in Bochum Gerthe verabschiedet. Auch wenn bei Seppels finaler Auffahrt kein Presseteam zur Stelle war, gilt das Bochumer Grubenpferd heute als das nun wirklich letzte seiner Art.

Die Grubenpferde waren jedoch kein deutsches Phänomen. In Großbritannien waren sie als Pit Ponies (Gruben-Ponys) bekannt. Auf der Insel waren sie auch noch deutlich länger im Einsatz. So soll Robbie im Jahr 1999 das letzte Pit Pony gewesen sein. Fünf Jahre hatte das Pferd unter Tage gearbeitet. Danach lebte es bis zu seinem Tod noch zehn Jahre auf Weiden des „National Coal Mining Museum“. Für zahlreiche andere Pit Ponies ging es nach ihrer Zeit in der Dunkelheit auf einen Gnadenhof in Wales, der sich speziell auf Grubenpferde spezialisiert hatte. Heute leben dort auch andere Pferde, die in Not geraten sind.