… Manuel Jorge De Oliveira. Er ist einer der berühmtesten Stierkämpfer zu Pferde aller Zeiten. Trotz Ruhm fühlte er sich innerlich leer – bis er der Reiterlegende Nuno Oliveira begegnete
Interview: Ilja van de Kasteele

Warum reiten Sie?
Weil ich beim Reiten die vollkommene Freiheit atme. Weil ich mich dem Pferd hingebe und das Pferd sich mir hingibt. Aus Hingabe entsteht das Gefühl der Befreiung. Reiten ist für mich tiefe Meditation und manchmal das Eintreten in eine andere Dimension des Seins.

Welches Pferd hat Sie besonders beeindruckt. Warum?
Während meiner aktiven Stierkampfzeit bin ich insgesamt mindestens 500 Pferde geritten. Da ist es schwer, das eine herauszugreifen … Ich nehme nun Elmo und Bafejado, beide Lusitanohengste aus der Zucht von Ortigao Costa, mit einer großen Seele ausgestattet. Ich habe mit Elmo mein Stierkampfexamen bestritten, und er hat mich durch mehrere Hundert Stierkämpfe getragen – immer unglaublich kraftvoll. Und oft am Tod vorbei. Er hat mich beschützt. Das Pferd konnte einfach alles – vor dem Stier rückwärts galoppieren und daran Pirouetten anschließen, die schneller nicht sein konnten. Ich habe von diesem Pferd am meisten über die Seele der Pferde gelernt. Bafejado war halb Mensch, halb Pferd – mein Gedanke war sein Gedanke. Sie betreiben auch Karate, sind Träger des schwarzen Gürtels.

Was kann man als Reiter vom Karate lernen?
Ich lernte Körperbeherrschung und das Gefühl für den Moment. Meine eigene Balance entwickelte sich mit dem Kampfsporttraining, und Balance ist alles, worum es beim Reiten geht. Wer sich als Reiter nicht selber in seinem Körper fühlt, kann niemals das Pferd fühlen und damit das Pferd auch nicht in Balance bringen. Da hilft alles technische Wissen nichts.

Warum ist Balance so wichtig?
Nur aus der Balance kann eine Lektion in Leichtigkeit geritten werden. Nur in der Balance ist jede Bewegung aus dem Moment heraus möglich. Nur in der Balance ist es möglich, nichts in der Hand zu haben. Nur in der Balance sind Übungen wie echte Piaffe und Passage möglich. Die Balance lässt dich in Gegenwart sein, Frieden spüren und sowohl als Mensch als auch als Pferd ohne Verspannung leben.

Wie versuchen Sie, das Pferd in die Balance zu bringen?
Das geht nur aus der Bewusstheit im Moment. Ich erfühle jeden Moment, was das Pferd braucht: Zügelführung höher oder tiefer, mehr oder weniger angenommen, Sitzeinwirkung Sitzeinwirkung, Schenkellage, Schultervor, Schulterherein, anhalten, rückw.rtsrichten … jeder Schritt muss geritten werden, und zwar so, dass Balance entstehen und erhalten werden kann. Dies entwickle ich nicht aus einer Technik. Ich folge weder einer Methode noch der Skala der Ausbildung, sondern allein meinem Gefühl für den Pferdekörper und für die Balance. Allein aus einer Bewusstheit für den Moment ist es mir möglich, alle Energiekanäle im Körper des Pferdes zu öffnen.

Was fühlen Sie in einem Stierkampf?
Die Herausforderung durch den ebenbürtigen Gegner Stier lässt mich das Leben spüren und darum kämpfen. Ich bin in diesem Moment auch nicht auf der Erde, sondern befinde mich in einer anderen Dimension des Seins.

Was ist besonders an der Arbeit mit einem Stierkampfpferd?
Diese Pferde werden als solche geboren. Man merkt das quasi von Anfang an. Sie können die Gedanken des Reiters lesen und manchmal schneller umsetzen, als man denken kann … Man kann kein Pferd zum Stierkampf zwingen, das wäre unmöglich. Diese besonders kämpferischen Pferde lassen einen den Hauch der Ewigkeit atmen … Das Besondere ist also deren Feinheit, die die eigene Seele berührt. Sie sind oft menschlicher, als ein Mensch und mehr Freund, als ein Mensch je sein kann.

Wer ist für Sie das größte reiterliche Vorbild?
Nuno Oliveira.

Sie sind auch Fado-Sänger. Was bedeutet Ihnen der Fado?
Der Fado ist der Ausdruck der melancholischen Seele meines Volkes. Er ist damit der Ausdruck meiner eigenen Identität. Wenn ich reite, singe ich den Fado sehr oft für mich, denn er komplettiert das Reiten – er hilft mir, die Balance zu spüren und zu finden. Reiten und der Fado sind mir eine Herzensangelegenheit.

Manuel Jorge De Oliveira wurde am 23. Februar 1959 in Azambuja, Portugal, geboren. Er gilt als einer der erfolgreichsten Stierkämpfer zu Pferde aller Zeiten. Er reitet seit seinem sechsten Lebensjahr und hatte mit zehn Jahren seinen ersten Einritt in die Arena. Er hat gegen mehr als 2000 Stiere in über 1000 Corridas (Stierkämpfe) gekämpft.
www.manueljorgedeoliveira.com