Text: Inga Dora Schwarzer      Foto: Adobe Stock/ Mandisa Tozo

Schmerzhafte Verspannungen des Rückens können durch das Sitzen auf dem Pferderücken gelöst werden. Dabei sollte der Reiter jedoch besonders bewusst und rücksichtsvoll mit dem eigenen Körper umgehen

Rückenschmerzen haben sich Platz eins auf der Liste der häufigsten Zivilisationskrankheiten erobert. Verschiedene Studien belegen, dass etwa 80 Prozent der Deutschen schon einmal darunter gelitten haben. Am häufigsten ist der untere Rücken betroffen. Auch Reiter sind davon nicht ausgenommen. „Die statistische Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass jeder Reiter im Verlauf seiner sportlichen Karriere mehrfach mit Rückenschmerzen zu kämpfen hat“, notiert Susanne von Dietze in ihrem Buch „Rücksicht auf den Reiterrücken“. Man sollte sie immer als Warnung respektieren – der Versuch, sie zu ignorieren oder zu überspielen, habe kaum Aussicht auf Erfolg. Besser ist es, auf Ursachensuche zu gehen. Insbesondere einseitige Belastungen, Überbelastungen, Fehlhaltungen, Übergewicht, Bewegungsmangel und wenig sportliche Betätigung können Schäden und daraus resultierende Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule auslösen. Wer über Rückenprobleme klagt, bringt diese meist aus seinem Alltag mit auf den Pferderücken – mit Folgen auch für das Reiten.

Eingeschränkte Beweglichkeit

Unter Verspannungen leidet die Beweglichkeit des Sitzes. Die Schwingungen des Pferderückens können nicht mehr so gut abgefedert werden. Sitzt der Reiter schief im Sattel, kann er die Schiefe des Pferdes verstärken. Oft wird auch versucht, durch eine veränderte Körperhaltung dem Schmerz auszuweichen. Dann kommt es, ebenso wie bei einer zu wenig ausgebildeten Rückenmuskulatur, schnell zu Kompensationsmustern. Der Reiter nimmt z. B. einen Stuhl- oder Spaltsitz ein, zieht die Schultern hoch, macht einen Rundrücken, klemmt mit den Oberschenkeln, schiebt die Unterschenkel weit nach vorne oder zieht die Absätze hoch. „Diese Kompensationsmuster kosten in der Regel unnötig Kraft und können den Rücken negativ belasten“, so die Expertin. Reiter wenden sie auch dann noch an, wenn ihre Schmerzen gar nicht mehr vorhanden sind. „Strategien zur Schmerzvermeidung schreiben sich nachhaltig ins Körpergedächtnis. Wenn bestimmte Bewegungsabläufe über längere Zeit mit Schmerzen verbunden waren, muss man diese Bewegungen tatsächlich neu einüben, wenn die Schmerzen verschwunden sind“, merkt die Expertin an. Das gelingt über viele Wiederholungen und Übungen. „Man muss die neue Bewegung zunächst einfacher und langsamer, dann auch feiner und schneller immer und immer wieder ausführen“, sagt Susanne von Dietze.

Die Entscheidung, ob man trotz akuter Rückenschmerzen überhaupt aufs Pferd steigt oder nicht, liegt bei jedem Einzelnen und sollte im Zweifelsfall einem Arzt, besser noch einem reitenden Mediziner überlassen werden. Bei heftigen starken Schmerzzuständen oder bei akuten entzündlichen bzw. degenerativen Erkrankungen sollte jedoch nicht geritten werden. „Genau zu unterscheiden, wann ein Schmerz schützt oder schadet, ist eine nicht immer leichte Aufgabe. Erfahrene Therapeuten, eine gute Wahrnehmung des eigenen Körpers und Eigenverantwortlichkeit gehören zu einer erfolgreichen Schmerztherapie dazu“, meint die Physiotherapeutin.

Schmerzkreislauf durchbrechen

Das Reiten kann in vielen Fällen sogar förderlich sein, wenn der Rücken Probleme macht, denn der Pferderücken bewegt das Becken des Reiters rhythmisch in allen drei Bewegungsdimensionen. Damit ähnelt das Sitzen im Sattel der menschlichen Gehbewegung und hat das Potenzial, einen Schmerzkreislauf zu durchbrechen. Mehr noch: „Die dynamische Stabilisierung des Oberkörpers, die beim Reiten nötig ist, fordert und fördert die tiefe Rückenmuskulatur, deren ungestörte rhythmische Arbeit Voraussetzung für einen schmerzfreien Rücken darstellt. Die kurzen Muskeln müssen dabei die eigentliche Haltearbeit im Körper wieder übernehmen, mit der die langen äußeren Muskeln schmerzhaft überfordert sind“, erklärt von Dietze.

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