Text: Karin Tillisch   Foto: kieferpix – stock.adobe.com

Mobbing, Burn-out und Depressionen sind auch bei ­unserem schönsten Hobby keine Seltenheit. Karin Tillisch erzählt aus eigener Erfahrung, wie sie als Pferdetrainerin unter ­Depressionen, Burn-out und Mobbing gelitten hat.

„Wahrlich, keiner ist weise, der nicht das Dunkel kennt“, so schrieb schon der deutsche Schriftsteller Hermann Hesse. „Was … Depressionen? Du?“ Ich nicke und warte. Sehe, wie bei meinem Gegenüber langsam klar wird, dass dies kein Scherz ist. „Ja und dann? So richtig ernsthaft?“, fragt mein Gegenüber. „Fast fünf Jahre lang“, ist meine Antwort. Stille. Mein Gegenüber scheint geschockt „Also, ehrlich. Das hätte ich nie gedacht. Du bist doch immer so fröhlich und gelassen und nett, und du hast doch so viel erreicht und gemacht und bist doch so erfolgreich.“ Ja, auf den ersten Blick von außen war mein Leben perfekt. Ich habe das beste Pferd und das beste Pony der Welt, den allerbesten Ehemann ohnehin. Seit vielen Jahren zahlreiche gut laufenden Fachbücher auf dem Markt. Fotoshootings, TV-Reportagen, Shows, Messen, Vorträge und Seminare. „Been there, done that!“, sozusagen. Seit 20 Jahren war und bin ich erfolgreich im Pferdefachjournalismus unterwegs. Wieso ist mir dann aber vor einigen Jahren auf dem Höhepunkt meines Erfolges die Sicherung rausgeflogen, sodass ich all dies nicht mehr sah? Wieso stürzte ich in ein tiefes schwarzes Loch, das mich fast fünf Jahre lang immer wieder erneut hinunterriss, kaum dass ich herausgekrochen war?

Ich hatte mich in eine Richtung verrannt, die mir nicht mehr guttat. Natürlich spürt man das, aber man ignoriert es einfach. Wer nicht mithalten kann, wird abgehängt, das ist in der immer schnelllebigeren Pferdebranche nun mal so. Also nahm ich meine kurzen Beinchen in die Hand und rannte und ­rannte und rannte, bis mir nach etwa zwölf Jahren des Vollgas-Mega-Marathons in der Branche die Luft ausging und Körper und Geist mit einem gewaltigen Ruck die Notbremse ­zogen.

Wie kam es dazu? Im Gegensatz zu vielen anderen habe ich kaum Druck von außen bekommen, sondern mir diesen zu großen Teilen selbst gemacht. Der Drang, sich beweisen zu müssen, es zu etwas zu bringen, war wohl durch langjähriges Mobbing in meiner Schulzeit entstanden, als ich als kleines, sich zu dick fühlendes und ­schüchternes Mädel dafür auch ein leichtes Opfer war. Ich erlebte auch später in der Reiterwelt mehr oder minder massives Mobbing. Da war ich aber schon so sehr mit „Karriere- Rennen“ beschäftigt, dass ich mich darauf nicht einlassen konnte. Ich fraß es jahrelang einfach in mich hinein, aber irgendwann ist bei jedem das Fass einfach mal voll. Die Anfänge habe ich wahrgenommen, habe aber nicht verstanden, was da eigentlich mit mir los war. Jung, dynamisch, erfolgreich, alles super – oder? Dass ich permanent Magenschmerzen, Übelkeit und Kopfweh hatte, sehr ungesund an Gewicht verlor, keine Nacht schlafen konnte und tagsüber herumlief wie ein Statist der Serie „The Walking Dead“ wollte ich nicht wahrhaben. Dann kam der große Knall durch ­einige heftige Erschütterungen in meinem ­Leben, was mir den Boden unter den Füßen ­wegzog.

Ich hatte das Glück, dass mein Mann sofort reagierte, als der große Zusammenbruch kam, und mich sofort zum Arzt brachte. Mein Hausarzt hat dann zusammen mit meiner Neurologin sehr schnell reagiert und mir binnen weniger Stunden einen Platz in einer Klinik verschafft. Ich rief meinem damaligen Verleger an, da ich gerade an einem Buchprojekt saß, dass ich nun definitiv nicht rechtzeitig abgeben könnte. Zu meinem großen Erstaunen stieß ich hier auf größtes Verständnis. Ich organisierte dann noch die Betreuung meiner Pferde – dank verständnisvoller Stallbetreiber war auch das binnen kürzester Zeit geklärt. Und einige Tage später stand ich mit meinem Koffer völlig aufgelöst und mit dem Leben „durch“ vor der Tür der Klinik.

Fast fünf Jahre lang war ich dann immer wieder in der Klinik, einer Tagesklinik und in ambulanter Behandlung. Zwischendrin schien es immer wieder, als ob ich die Depression besiegt hätte, und ich begann, wieder mit Vollgas durchzustarten, nur um wieder auf der Nase und wieder in der Klinik zu landen. Erst am Ende dieser fünf Jahre änderte ich etwas Gravierendes in meinem Leben und an meinen Weltansichten. So kam ich aus dem Teufelskreis der Depressionen heraus. Seither habe ich die Sache im Griff und kann nun fast entspannt mit entsprechendem Abstand auf diese dunkle Zeit in meinem Leben zurückblicken und auch offen darüber sprechen. Jeder kommt aus einer Depression als ein anderer Mensch heraus. Ich hatte das Glück, dass ich ­Hilfe bekam und auch annehmen konnte, die mich wirklich auf einen neuen Weg brachte. Meine Pferde waren nicht der Auslöser dieser großen, jahrelangen Depres­sion. Es war das Umfeld der Pferdebranche. Stress, finanzieller und zeitlicher Druck, Mobbing, auch manchmal unzuverlässige ­Geschäftspartner und Kunden. Meine Pferde waren mir in dieser Zeit eher eine Hilfe als eine Last. Und als ich das Umfeld änderte, meine Gedanken selbst änderte und das Leben aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten lernte, da sah ich das erste Mal in der Dunkelheit auch die Sterne leuchten.

…den gesamten Artikel zum Thema Mobbing im Stall finden Sie in der November-Ausgabe.