Interview: Nicole Audrit       Foto: www.Slawik.com

Auf den ersten Blick haben Dressurlektionen, Trailhindernisse und Rinder nicht viel gemeinsam, und doch werden sie bei der Working Equitation kombiniert. Die noch junge Disziplin basiert auf traditionellen Arbeitsreitweisen. Warum sie sich für Reiter und Pferde unterschiedlicher Reitweisen eignet, erklärt Markus Grüter, 1. Vorsitzender des Vereins Working Equitation Deutschland e. V. (www. working-equitation-deutschland-ev.de).

Was versteht man unter Working Equitation, und wie entstand die Disziplin?

Working Equitation fasst die alten europäischen Arbeitsreitweisen zusammen. Die traditionelle Arbeit am Rind gibt es schon viele ­Jahre in Portugal, Spanien, Frankreich und Italien. Da das Hüten und Treiben der teilweise wildlebenden Rinder nur regional nötig und somit keine überlebenswichtige Tradition für die Menschen war, drohten die Arbeitsreitweisen mit zunehmender Modernisierung in Vergessenheit zu geraten. Sie wurden nur noch von Liebhabern ausgeübt, woraus die Idee entstand, für diese verschiedenen europäischen regionalen Arbeitsreitweisen einen internationalen Verband mit Standards und Vergleichswettkämpfen ins Leben zu rufen. Dies war sozusagen die Geburtsstunde der Working Equitation.

Seit wann gibt es die Disziplin Working Equitation?

Im Jahr 1997 wurde das allererste Turnier in Südeuropa ausgetragen, und anschließend wurde die Reitsportdisziplin stetig weiterentwickelt und verändert. Elf Jahre später fand schließlich auch das erste Working-Equitation-Turnier in Deutschland statt. Im Jahr 2012 wurde dann der heutige Verein Working Equitation Deutschland e. V. (WED) gegründet. Dieser ist bundesweit für das Regelwerk und alle weiteren Belange rund um die Working Equitation zuständig und wird auch von der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) als offizieller Ansprechpartner in allen Fragen rund um die Working Equitation geführt.

Wie läuft eine Working-Equitation-Prüfung ab?

Die Working Equitation ist in Deutschland, ähnlich wie die Dressur oder das Springreiten, in die Klassen E bis S eingeteilt, wobei sich die Anforderungen stetig von der leichten bis zur schweren ­Klasse erhöhen. Grundsätzlich besteht die Working Equitation aus vier Teilprüfungen: Dressur, Stiltrail, Speedtrail und Rinderarbeit. In der Dressur-Prüfung wird das Pferd-Reiter-Paar aufgrund Kriterien wie beispielsweise der Gelassenheit, der Durchlässigkeit und der Rittigkeit bewertet. Standardmäßig wird die Dressurprüfung zu Musik geritten, und in höheren Klassen werden nur noch Lektionen im Schritt und Galopp gefordert. Beim Stiltrail steht die Bewältigung von 10 bis 15 Trailhindernissen wie einer Brücke, einem Tor oder einer Rückwärtsgasse auf dem Programm. Dabei wird, ähnlich wie in der Dressur, die Durchlässigkeit und Rittigkeit im Trailparcours bewertet. Man könnte diese Prüfung mit einer Stil-Springprüfung vergleichen, wohingegen die nächste Working-Equitation-Teilprüfung, der Speedtrail, eher einem Zeitspringen ähnelt. Hierbei wird erneut ein Trailparcours absolviert, wobei jedoch der Fokus auf der Zeit liegt und es auch Strafsekunden für Fehler im Parcours gibt. Die letzte Teilprüfung ist anschließend die Rinderarbeit, die jedoch je nach Ausschreibung nur optional durchgeführt wird. In der Prüfung muss der Reiter ein Rind aus einer Herde separieren und in einen auf der gegenüberliegenden Seite stehenden Korral treiben. Da sich die Working Equitation aus einer Arbeitsreitweise entwickelt hat, sollte die Ausrüstung von Pferd und Reiter stilecht in ­gedeckten Farben gehalten sein. Unsere deutschen Reiter tragen in der Regel Stiefel, Jacket und Kopfbedeckung in braun-beige oder blauen Farbtönen. Generell sind jedoch verschiedene Ausrüstungen zugelassen. In der Praxis bedeutet dies, dass auch ein Teilnehmer mit Westernsattel und entsprechender Westernkleidung herzlich willkommen ist.

Welche Voraussetzungen müssen Pferd und Reiter mitbringen?

Working Equitation ist eine Reitsportdisziplin, die offen für alle Pferderassen ist. Durch die verschiedenen Teilprüfungen werden rittige und willige Pferde benötigt, die aufgrund der vielfältigen Anforderungen über eine solide Grundausbildung verfügen sollten. Da Schwächen in einer Disziplin durch Stärken in einer anderen ausgeglichen werden können, werden bei der Working Equitation keine Spezialisten, sondern Allrounder benötigt. Durch die vielseitige Ausbildung bereitet ein gutes Working-Equitation-Pferd seinem Reiter in der Bahn genauso viel Freude wie im Gelände.

 

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