Text: Alexandra Koch , Jessica Classen, Julia Schay-Beneke     Foto: imago images/ imagebroker

Die Sinne des Pferdes sind zum Überleben in der freien Wildbahn enorm wichtig. Einige sind beim Pferd besonders stark ausgeprägt und sehr faszinierend. Das Wissen, wie sie das Tier beeinflussen, hilft uns bei der Verständigung

Der Kopf ruckt hoch, obwohl sie doch gerade noch friedlich im Heu gemümmelt hat. Sie streckt den Hals schräg nach oben und drückt die Innenseite der Oberlippe nach außen, um ihre Nüstern zu verschließen – Gloria flehmt. Dabei hatte ich gar nicht bemerkt, dass ein besonderer Geruch in der Luft liegt. Aber weshalb sollte sie sonst flehmen? Das machen Pferde nämlich nur, wenn sie einen Geruch im Nasen- und Rachenraum festhalten möchten. Die Atemluft gelangt so an ein Organ am Ende des Gaumens, das auch das Jacobsonsche Organ genannt wird und für die Filterung zuständig ist. Der Duft wird im Nasen- und Rachenraum dann ausgiebig verteilt, sodass Pferde sich nur auf diesen einen Duft konzentrieren können. Oft wird dieses Verhalten bei Hengsten beobachtet, die den Geruch einer rossigen Stute aufnehmen; aber auch andere Gerüche, die besonders interessant sind, veranlassen ein Pferd dazu zu flehmen. Nur, was hat Gloria dazu veranlasst?

Ich kann dich gut riechen

Der Geruchssinn von Pferden ist ausgesprochen gut. Bei uns Menschen genügt beispielsweise manchmal nur ein Blick, und wir wissen, ob wir unser Gegenüber sympathisch finden oder nicht. In einem solchen Fall würden wir vermutlich auf unser Bauchgefühl hören, während Pferde dagegen ihrem Geruchssinn vertrauen: Sobald wir unserem Pferd ein anderes Pferd vorstellen, riechen sie zunächst aneinander. Im Anschluss wissen sie, ob sie sich mögen oder nicht. Wenn sich die beiden bereits kennen, ohne dass wir Besitzer davon wussten, merken sie es umso schneller: Pferde speichern Gerüche ab und nutzen dieses Wissen zur Wiedererkennung.

Dass Pferde einen so guten Geruchssinn haben, liegt vor allem an ihren großen Nasenhöhlen. Diese bestehen aus mehreren in sich gewundenen Teilen. Dort befindet sich auch die Rachenschleimhaut, die sich aus mehreren Schichten zusammensetzt. Würde man diese auseinanderklappen, würde sie ungefähr die Fläche des gesamten Pferdekörpers einnehmen. Die Riechschleimhaut ist dazu da, die Duftstoffe aus der Luft zu filtern und sie über die Geruchsnerven zum Gehirn zu leiten. Dort können sie dann weiter verarbeitet und gespeichert werden.

Mit allen Sinnen

Riechen und Schmecken gehören beim Pferd bei der Futteraufnahme zusammen – denn anhand des Geruchs des Futters ist das Tier in der Lage, die verschiedenen Futtersorten voneinander zu trennen. Auf dieselbe Weise erkennt es die verschiedenen Kräuter auf einer frischen Wiese. Der Volksmund behauptet sogar, dass Pferde deshalb in der Lage seien, giftige Pflanzen von ungiftigen zu unterscheiden. Darauf sollte man sich als Besitzer aber auf keinen Fall verlassen!

Es gibt auch Gerüche, die Pferden Angst machen. So können sie den Geruch des Todes sofort identifizieren und reagieren darauf unruhig und ängstlich. Beispielsweise können wir Reiter ein solches Verhalten beobachten, wenn wir an einem Schlachthof vorbeireiten. In solchen Fällen ist es ratsam, dass wir die Ruhe bewahren und unser Pferd nicht zusätzlich bestrafen und mit Gewalt an diesem Hof vorbeibugsieren wollen. Pferde riechen es auch sofort, wenn wir Menschen Angst haben. Wir können dann noch so selbstsicher auftreten – unser Pferd bemerkt es sofort.

Was duftet denn so gut?

Viele Pferdebesitzer schwören darauf, dass ihr Pferd sie bereits von Weitem erkennt. Das liegt aber eher daran, dass das Pferd den vertrauten Geruch bereits auf große Entfernung wahrnimmt. Deshalb sollten wir, wenn wir zum Stall fahren, nicht unbedingt viel Parfum auftragen, denn das würde nur für Verwirrung sorgen. Pferde vertrauen darauf, dass immer wiederkehrende Dinge Sicherheit bieten – so auch die Gerüche. Daher kann es auch helfen, bei einem Pferd, das nicht gerne auf einen Anhänger steigt, zuvor ein ruhiges Pferd hineinzustellen.

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