Text: Aline Müller        Foto: Slawik

Wenn die Tage kürzer werden und es nicht mehr lange dauert, bis der Winter den Herbst ablöst, dann holen wir die dicken Winterjacken aus dem Keller und rüsten uns mit Mützen, Schals und Handschuhen gegen die Kälte. Das kostet uns keine große Anstrengung. Der Organismus unserer Pferde leistet hingegen Schwerstarbeit, um sich auf die neuen äußeren Bedingungen einzustellen. Sie legen das leichte Sommerfell ab und bekommen ein dichtes, warmes Fell. So ein Fellwechsel benötigt nicht nur Energie, sondern auch Zeit. Je nach den jeweiligen Witterungsbedingungen und der Haltungsform kann sich der Fellwechsel bei Pferden über wenige Wochen bis hin zu Monaten erstrecken.

Temperatur und Tageslicht

Während des Fellwechsels arbeitet der Organismus des Pferdes mit Hochdruck am Aufbau neuer, dreischichtig aufgebauter Haare. Diese bestehen überwiegend aus bestimmten Aminosäuren, anderen Proteinen und Lipiden. Chemisch gesehen findet sich im Haar Kohlenstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Wasserstoff, Schwefel, Eisen, Kupfer, Jod und Zink. Aus diesen Bausteinen ein neues Fellkleid mit hochkomplexen Aufgaben zu schaffen ist eine echte Herausforderung.

Der Fellwechsel wird durch verschiedene Faktoren ausgelöst. Dabei spielt die Temperatur, der das Pferd ausgesetzt ist, tatsächlich eine eher untergeordnete Rolle. Sie beeinflusst allerdings die Länge und Dichte des Fells. Deswegen haben Offenstallpferde in der Regel ein längeres und dichteres Fell als deren Artgenossen in reiner Boxenhaltung. Gleichzeitig steuern die Außentemperaturen auch den Abwurf des Winterfells. Viel mehr Einfluss hat das Tageslicht. Am 21. Dezember ist Winteranfang und mit ihm der kürzeste Tag des Jahres. Der Sommeranfang beschreibt umgekehrt den längsten Tag. Die dadurch bedingten Veränderungen des Tageslichtes werden von der Zirbeldrüse des Pferdes registriert. Diese Hormon­drüse ist Teil des Zwischenhirns und produziert Melatonin. Das Hormon ist unter anderem für den Biorhythmus zuständig. So wird der Schlaf-Wach-Rhythmus und auch der Fellwechsel gesteuert.

Die Haut ist das größte Organ des Pferdes. Sie schützt den Körper vor äuße­ren Einflüssen und ist zudem für die Reizweiterleitung, die Wärmeregulation und die Immunabwehr zuständig. Eine intakte Haut und ein intaktes Haarkleid sind für den gesamten Organismus wichtig. Ebenso wirkt sich der gesundheitliche Zustand auf den Fellwechsel aus. Dieser beansprucht das Pferd je nach Konstitution mehr oder weniger stark. Pferdebesitzer sollten sich deswegen rechtzeitig Gedanken über eine bedarfsgerechte Fütterung und eine ausreichende Versorgung mit Zusatzstoffen wie Vitaminen oder Mineralstoffen machen. Das größte Augenmerk liegt dabei auf dem Gesamtorganismus des Pferdes. So haben Studien bewiesen, dass die für den Fellwechsel und Hautstoffwechsel nötigen Stoffe aus der Nahrung nur richtig aufgenommen werden können, wenn die Verdauung ungestört abläuft. Für den reibungslosen Ablauf des Fellwechsels ist eine gute Funktion der Ausscheidungsorgane Leber, Niere und Darm die Voraussetzung, denn nur so wird die Haut als Entgiftungsorgan entlastet. Ist das Pferd aufgrund mangelnder Nährstoffe nicht in der Lage, das neue Fell rechtzeitig zu bilden, kann es in der Folge zu Infekten und Störungen des Immunsystems kommen.

Jeder Prozess des Körpers benötigt Energie – auch der Fellwechsel. Jedes Pferd hat aufgrund seiner körperlichen Verfassung, seines Alters und seiner täglichen Bewegung vom Freilauf bis zum Training einen individuellen Energiebedarf, der sich zum Fellwechsel hin steigert. Die beste Grundlage für einen leicht ablaufenden Fellwechsel ist eine gesunde und bedarfsgerechte Fütterung. Darauf sollte das ganze Jahr über Wert gelegt werden, da der Wechsel des Haarkleids eben keine spontan und nur kurzzeitig ablaufende Reaktion, sondern ein längerer Prozess ist. Die Folgen einer nicht ausreichenden oder schlechten Fütterung zeigen sich allerdings meist nicht sofort, sondern nach einiger Zeit mit Haut-, Leber- oder Atemwegsproblemen.

…viele Fütterungstipps zur Unterstützung im Fellwechsel lesen Sie in der Ausgabe 11/2017.