Text: Inga Dora Meyer       Foto: www.Slawik.com

Wildpferde verbringen etwa zwei Drittel des ­Tages mit der Nahrungsaufnahme von dürrem, trockenem, eher energiearmen Gras. Nur so funktioniert ihr Verdauungssystem optimal. Domestizierte Pferde hingegen werden in der Regel zwei bis drei Mal pro Tag mit rationierten Raufutterportionen gefüttert, vor allem dann, wenn sie in Boxen oder Paddockboxen untergebracht sind. Um hier die Dauer der Fresszeit zu verlängern und so Verdauungs- und Verhaltensproblemen zuvorzukommen, ohne gleichzeitig die aufgenommene Futtermenge zu erhöhen, greifen viele Pferdehalter zu Heunetzen. Kaum ein Stall, wo sie nicht zu finden sind. Insbesondere bei leichtfuttrigen Pferden, die sehr schnell fressen, werden sie sehr häufig eingesetzt. Engmaschig, äußerst stabil und leicht zu befüllen scheinen sie das Mittel der Wahl zu sein, um eine naturnahe, artgerechte Fütterung nachzuahmen.

Reduzierte Fressgeschwindigkeit

Studien beweisen, dass die Netze die Fressgeschwindigkeit im Gegensatz zur Fütterung mit losem Heu deutlich reduzieren. So zeigt beispielsweise eine Untersuchung der Hooge­school Van Hall Larenstein in den Niederlanden und der Georg-August-Universität in Göttingen, dass ein Pferd für ein Kilogramm Heu in einem Netz mit vier mal vier Zentimeter großen Maschen eine Fresszeit von rund 66 Minuten benötigt. Im Vergleich dazu frisst es ein Kilogramm loses Heu bereits in rund 34 Minuten. Ähnliches belegt auch das Schweizerische Nationalgestüt, in dem sechs Pferde in einem Offenstall beim Fressen von losem Heu und Heu aus Drei- und 4,5-Zentimeter-Netzen beobachtet wurden. Das Ergebnis? Die Werte für die Fressgeschwindigkeit lagen ohne Netz bei 1,69 Kilogramm Trockenmasse pro Stunde, bei 4,5 Zentimeter großen Netzen bei 1,51 Kilogramm Trockenmasse pro Stunde und bei den Drei-Zentimeter-Netzen bei 1,26 Kilogramm Trockenmasse pro Stunde. Die deutlichste Verlangsamung gab es also bei der kleinsten Maschengröße. Die Netze verlangsamen aber nicht nur die Fressgeschwindigkeit, sondern sorgen auch aufgrund der Anbringung (in Brusthöhe des Vierbeiners) dafür, dass das Raufutter nicht in der Box verteilt, darauf geäppelt oder uriniert und es dann nicht mehr gefressen wird. Außerdem sind sie eine tolle Beschäftigungsmöglichkeit, wenn Vierbeiner viel Zeit in ­ihren Boxen verbringen müssen.

Doch jetzt wird Kritik laut, dass die Höhe, in der die Netze angebracht werden, in Kombination mit engen Maschen alles andere als positiv für das Pferd sind. „Man möchte das Grasen nachahmen und somit annähernd artgerecht füttern. In der freien Natur aber fressen die Pferde die überwiegende Zeit des Tages in einer langsamen Vorwärtsbewegung vom ­Boden“, sagt Julie von Bismarck, die mehr als 20 Jahre lang Pferde in aller Welt osteopathisch behandelt hat und jetzt als Autorin, Beraterin und Dozentin im Pferdebereich tätig ist. Der Kopf ist dabei deutlich nach vorne-unten gesenkt, die Oberlinie gedehnt, und die Vorderbeine sind abwechselnd in Schrittstellung vorgestellt. „Abgesehen davon, dass das in einer Pferdebox ohnehin nur schwer möglich ist, da sich Pferde beim Grasen immerzu fortbewegen, bedeutet das: Jedes Heunetz, das höher als auf dem Boden angebracht ist, erfüllt diese Maßgabe schon einmal nicht“, bemängelt sie. „Will das Pferd an das Futter gelangen, muss es sich sehr anstrengen.

Natürlich unternehmen Pferde in ­freier Wildbahn auch manchmal größere Anstren­gungen, um an gutes Futter zu gelangen, zupfen mit schief gelegtem Kopf und verdrehtem Hals, teils auch in großer Höhe, an Büschen oder Bäumen. Aber eben immer nur kurz.“ Muss diese ­unphysiologische Fresshaltung über einen längeren Zeitraum eingenommen werden, kann es zu Blockaden, Verspannungen und Schmerzen kommen. „Besonders häufig finden sich dabei Blockaden des Genicks, der Kiefergelenke, der ersten Halswirbel, der Schultern sowie des Zungenbeines“, zählt Julie von Bismarck auf. Auch werde die Muskulatur der Vorhand bei einer ausschließlichen Raufuttergabe aus ­Heunetzen überlastet, da viele Pferde die Vorderbeine für mehr Stabilität in den ­Boden stemmen würden. Die Tiere spannen außerdem die Unterhalsmuskulatur an und drücken als Folge den Rücken nach unten weg. „Es passiert also das Gegenteil von dem, was ein Pferd beim Grasen tut“, so die Dozentin.

…den restlichen Artikel, sowie Tipps für die richtige Maschenweite, finden Sie in der Januar-Ausgabe.