Text: Anna Castronovo       Foto: www.Slawik.com

Pferde leiden lautlos. Sie können ihren Schmerz nicht so ausdrücken, wie wir es gewohnt sind, denn sie haben keine Schmerzlaute wie Jaulen, Schreien, Winseln, Jammern oder Wimmern. Deshalb müssen wir Menschen lernen, die Schmerzäußerungen unserer Pferde wahrzunehmen

Dass Pferde stumm leiden, liegt daran, dass sie in freier Wildbahn ansonsten bei einer Verletzung den Feind sofort darauf aufmerksam machen würden, dass sie eine leichte Beute sind. Selbst unter starken Schmerzen, etwa während einer Geburt, bei einer akuten Kolik oder Hufrehe, entweicht Pferden deshalb höchstens ein Stöhnen oder Ächzen; bei Fohlen hört man manchmal ein Quieken. Das ist im Vergleich zu den Schmerzäußerungen, die wir Menschen kennen, sehr wenig – daher unterschätzen wir das Leiden unserer Pferde oft.

„Pferde drücken ihr Unbehagen anders aus, nämlich durch ihre Körpersprache und ihre Mimik“, sagt die Wissenschaftlerin Sandra Löckener. Eine aktuelle Studie („Equine Facial Action Coding System for determination of pain-related facial rsponses in videos of horses“, März 2020) hat sich mit der Mimik bei Schmerzen beschäftigt. „Beim sogenannten Schmerzgesicht fehlt das Ohrenspiel, die Ohren stehen starr nach hinten oder hängen seitlich herab“, fasst sie zusammen. „Die Augen sind entweder weit geöffnet oder klein und eingefallen mit verzweifeltem oder abwesend glasigem Blick. Die Nüstern sind schmal oder extrem gebläht, die Gesichtsmuskeln sind meist deutlich angespannt mit verhärteter Lippenpartie und zum Teil aufgestütztem oder hängendem Kopf. Auch häufiges Gähnen kann ein Zeichen von Schmerzen sein.“

Deutliche Anhaltspunkte für Schmerzen sind auch Veränderungen in der Bewegungsaktivität und in den Bewegungsabläufen. Je nach Grad des Schmerzes und Art der Erkrankung oder Verletzung kann sich die Aktivität steigern oder reduzieren. So deutet plötzliche Ruhelosigkeit mit häufigem Niederlegen, Wälzen, Hin- und Hertreten, Scharren, Aufstampfen, Schweifschlagen, Umschauen oder Treten nach dem Bauch – wie es häufig bei einer Kolik zu sehen ist – genauso auf Schmerzen hin wie steife, unkoordinierte Bewegungsabläufe, Lahmen oder häufiges Liegen. Auch unnatürliche Körperhaltungen mit Muskelverspannungen, Zuckungen, Krämpfen und Zittern oder ungewöhnliche Beinstellungen wie Vor- oder Zurückstellen sowie Anheben der Beine gehören zu den Schmerzäußerungen des Pferdes. Auch Zähneknirschen kann Ausdruck erheblicher Schmerzen sein.

„Auch plötzliche Verhaltensänderungen können auf Schmerzen hinweisen“, sagt die Biologin. „Je nach Charakter des Pferdes sowie Art und Dauer der Schmerzen werden einige Tiere ungewöhnlich aggressiv, während andere sich eher zurückziehen und apathisch wirken.“ Auch kann sich die Rangordnung in der Gruppenhaltung ändern, weil rangniedere Tiere die Schwäche eines ranghöheren ausnutzen. Auf der anderen Seite kann man jedoch beobachten, dass befreundete Pferde einander nicht von der Seite weichen, wenn eines erkrankt oder verletzt ist.

Schmerzerkennung per Computer?

Auch das Team der Nottingham Trent University hat ein internationales Gemeinschaftsprojekt ins Leben gerufen, das ein besseres Verständnis der Schmerzhaftigkeit bestimmter Erkrankungen ermöglichen soll. Ziel ist es, Pferde durch die verbesserte Schmerzbeurteilung besser behandeln und den Genesungsprozess effizienter gestalten zu können. Dazu soll die Beurteilung automatisiert werden. Derzeit trainiert das Team einen Computer, der im Pferdegesicht sichtbar werdende Schmerzreaktionen registrieren und aufzeichnen soll.

Mehr Informationen finden Sie in der Mein Pferd Mai- Ausgabe.