Text: Nicole Audrit        Foto: www.Slawik.com

Pferde sind nicht besonders gesprächig, wenn es darum geht, mitzuteilen, ob und wo ihnen etwas wehtut. Aus diesem Grund liegt es in der Verantwortung des Menschen, seinen Vierbeiner genau zu beobachten, um herauszufinden, ob er Schmerzen hat.

Schmerzen sind sowohl beim Menschen als auch beim Tier eine sehr individuell zu betrachtende Sache, für die zahlreiche Definitionen auftauchen. Eine weit verbreitete und anerkannte Definition ist die der „Internationalen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes“ (International Association for the Study of Pain, IASP): „Schmerz ist ein unangenehmes Sinnes- oder Gefühlserlebnis, das mit einer aktuellen oder potenziellen Gewebeschädigung einhergeht oder mit Begriffen einer solchen Schädigung beschrieben wird.“ Durch diese Definition wird deutlich, dass akuter Schmerz ein Warnmechanismus des Körpers ist – sozusagen die Alarmanlage für den Organismus, um gravierendere Störungen zu vermeiden.

Schmerz kann beim Pferd viele verschiedene Ursachen haben, von einer Verletzung oder Erkrankung über unpassendes Equipment bis zu altersbedingten Verschleißerscheinungen. Bei der Nutzung als Reitpferd spielen das passende Equipment und pferdegerechtes Training eine große Rolle in der Gesunderhaltung des Pferdes. Ein unpassender Sattel verursacht zunächst Druckschmerz im Bereich des Rückens, der mit der Zeit schmerzhafte Fehlhaltung bedingt. Generell muss zunächst zwischen akutem und chronischem Schmerz unterschieden werden. „Akute Schmerzen entstehen beispielsweise bei einer Kolik und werden vom Pferd meist deutlich geäußert – beispielsweise durch Unruhe, Schwitzen und Treten in Richtung des Bauchs“, erklärt Pferdeverhaltenstherapeutin Alexandra Edinge. „Im Gegensatz dazu kommen chronische Schmerzen schleichend und entwickeln sich über einen längeren Zeitraum. Die Anzeichen sind weniger offensichtlich und werden daher oft erst spät – oder gar nicht – erkannt.“ Chronische Schmerzen entstehen unter anderem bei Magengeschwüren, Arthrosen oder anderen lang anhaltenden Schmerzzuständen.

Generell ist Schmerz sowohl bei Menschen als auch bei Tieren eine sehr subjektive, individuelle Empfindung: Manche Pferde lahmen bereits bei einer kleinen Abschürfung am Bein, während andere Pferde auch mit einem Hufgeschwür noch klar laufen.

Instinktiv den Schmerz vertuschen

Wenn ein Kind sich den Kopf stößt, äußert es in den meisten Fällen Sekunden später seinen Schmerz durch Schreien und Weinen. Verletzt ein Hund sich an der Pfote, so quittiert er jede Berührung der schmerzhaften Stelle durch Jaulen. Verbal ausgedrückter Schmerz lässt sich nicht überhören und wird daher schnell wahrgenommen. Allerdings haben Pferde keinen Laut, mit dem sie Schmerzen ausdrücken, weshalb die Gefahr besonders groß ist, dass Schmerzen nicht ausreichend wahrgenommen oder falsch eingeschätzt werden. Dies ist unter anderem in ihrer Charakteristik als Flucht- und Beutetier verankert: „In freier Wildbahn würde ein Schmerzlaut des Pferdes einem potenziellen Fressfeind Schwäche signalisieren und das Pferd somit in Gefahr bringen. Der Überlebensinstinkt der Pferde ist daher darauf ausgelegt, Schmerzen bis zu einem gewissen Grad zu verbergen und Schmerzensäußerungen zu unterdrücken“, erläutert die Pferdeverhaltenstherapeutin Alexandra Edinge. Zudem können Schmerzen auch durch verschiedene Einflussfaktoren – beispielsweise Stress – unterdrückt werden. Daher zeigen Pferde häufig in Stresssituationen oder ungewohnter Umgebung weniger Schmerzen – beispielsweise verschwindet die Lahmheit beim Vortraben in der Klinik plötzlich.

Aus diesem Grund liegt es in der Verantwortung des Menschen, sein Tier genau zu beobachten, um Schmerzen möglichst frühzeitig zu erkennen. Für die Beobachtung spielen unter anderem die Mimik und die Körperhaltung sowie das Verhalten des Pferdes eine wichtige Rolle. Generell sollten Änderungen in allen Bereichen genau beobachtet werden: Schon feine Nuancen in der Ausdrucksweise – insbesondere im Bereich des Kopfes – oder dem Verhalten des Pferdes können auf Schmerzen hindeuten.

…den kompletten Artikel finden Sie in der Mein Pferd-Ausgabe 1/2020.