Text: Jana Herrmann    Foto: Adobe Stock/ virgonira

Der Hufschmied übernimmt eine große Verantwortung, daran besteht kein Zweifel. Inwieweit Beschlag und Hufbearbeitung jedoch tatsächlich Einfluss auf den gesamten Bewegungsapparat des Pferdes nehmen können, zeigen Studien von Dr. Jenny Hagen  

Die Belastung in der Hauptstützphase, also wenn das gesamte Gewicht des Pferdes auf der Gliedmaße lastet, ist höher und hält länger an als beim Abfußen. Daher muss der Fokus auf die optimale Verteilung der Kräfte in dieser Phase gelegt werden und nicht auf das plane Auffußen, wie in der Fußungstheorie gefordert, so die These von Dr. Hagen. Abhängig von der Bewegung der Knochen und Gelenke in der Hauptstützphase verändert sich auch die Belastung der Beugesehen. Bei einer steileren Hufstellung werden die tiefe Beugesehne und die Hufrollenregion durch stärkere Beugung im Hufgelenk entlastet, der Fesselträger und die oberflächliche Beugesehne werden hingegen stärker belastet, da die Streckung im Fesselgelenk zunimmt. Genau umgekehrt verhält es sich bei einer flacheren Hufstellung, bei der das Fesselgelenk weniger gestreckt wird.

Eine weitere Studie, die Dr. Hagen vergangenes Jahr mit 30 Pferden durchführte, ergab, dass eine Umstellung des Hufes um weniger als fünf Grad bei zwei Dritteln der untersuchten Tiere keine signifikante Umstellung des Fesselgelenkes erreichen konnte. Hierfür wäre eine Umstellung von zehn bis 15 Grad notwendig, mit orthopädischen Beschlägen lassen sich jedoch normalerweise nur ein bis fünf Prozent Umstellung erreichen. Zudem reagierten die untersuchten Pferde sehr individuell auf die Umstellung des Hufes. Nur ein Drittel der Pferde zeigte bei einer flacheren Stellung des Hufes eine erwünschte Veränderung des Fesselgelenkwinkels, um den Fesselträger zu entlasten. Bei den restlichen Pferden war keine oder eine gegenteilige Reaktion zu beobachten. Daher rät Dr. Hagen von einem allzu pauschalen Einsatz orthopädischer Beschläge ab.

Stattdessen sollten jeweils auch andere Faktoren wie die Beschaffenheit der Zehen, Sehnen und Muskeln sowie Exterieur, Gangbild und das Management des Pferdes berücksichtigt werden. Außerdem sollte vor dem Beschlag eindeutig definiert werden, wie groß der Schaden ist, ob es sich um eine akute, chronische oder sich schon in der Heilung befindliche Erkrankung handelt und wie die Prognose aussieht. Eine Umstellung des Hufes (steiler oder flacher) durch einen orthopädischen Beschlag hält Dr. Hagen nur dann für sinnvoll, wenn diese zuvor z. B. durch temporäres Ankleben von Keilen genau ausgetestet wird. Soll der Fesselträgerapparat entlastet werden, zieht sie daher eine Unterstützung in Form von Eiereisen oder verlängerten Schenkelleisen einer Umstellung vor oder wendet eine Kombination aus beiden an.

Druckverteilung in der Hauptstützphase

In der Hauptstützphase kann die Verteilung der einwirkenden vertikalen Kräfte durch eine Veränderung der lastaufnehmenden Flächen des Hufes beeinflusst werden. Das Phänomen lässt sich bei Barhufern gut beobachten: Während auf hartem Boden die gesamte Last auf dem Tragrand und – je nach Hufbeschaffenheit – dem Strahl lastet, wird auf weichem Boden die komplette Sohle in die Lastaufnahme miteinbezogen, da der Huf einsinkt. Die Krafteinwirkung, die sich pro Quadratzentimeter der Hufoberfläche messen lässt, nimmt dann automatisch ab. Der gleiche Effekt kann durch eine Vergrößerung der lastaufnehmenden Fläche des Hufes oder die Verwendung eines Polsters erzielt werden. Entscheidend ist hierbei die Stellung des Hufes und wie groß die Oberfläche des verwendeten Hufeisens ist. Bei geschlossenen Stegeisen wird beispielsweise der gesamte hintere Hufbereich, inklusive Strahl und Trachten, zum Tragen herangezogen, was die vordere Hufregion entlastet. Diese Art des Beschlags wird häufig angewendet. Will man die Hufrollenregion entlasten, muss die Last nur auf die Trachten verteilt werden, an welchen sich dann allerdings deutliche Druckspitzen bilden können. Nimmt hingegen der Strahl vermehrt Last auf, können wiederum die Trachten entlastet werden, was z. B. vorteilhaft bei der Therapie von Hornspalten ist.

Oft wird bei der Behandlung von Hufrehe außerdem mit Trachtenkeilen gearbeitet, die den Huf hinten höher stellen. Dabei sollte laut Dr. Hagen aber unbedingt berücksichtigt werden, dass der Druck auf die vordere Hufwand sowie der Zug am rückseits gelegenen und durch die Rehe bereits geschädigten Hufbeinträger zunimmt. Das bedeutet im Umkehrschluss: Es ist nicht möglich, eine bestimmte Hufregion zu entlasten, ohne eine andere Region dafür stärker zu belasten. Weiche Polster oder Sohlenfreiheit können zeitweilig Abhilfe schaffen. Wird eine bestimmte Hufregion jedoch dauerhaft überbelastet, kann dies zu Veränderungen an der Hufkapsel und der Durchblutung des Hufes führen.

Mehr Informationen finden Sie in der aktuellen Mein Pferd- Ausgabe.