Text: Aline Müller     Foto: www.Slawik.com

Egal ob Freizeit- oder Turnierreiter – jede körperliche und mentale Leistung muss vorbereitet und systematisch aufgebaut werden. Wie der Aufbau einer Trainingseinheit gelingt und was dabei in den einzelnen Phasen zu beachten ist, erklärt die Ausbilderin Dr. Britta Schöffmann

Pferde müssen im Training nicht nur Kraft- und Ausdauerarbeit leisten, sondern sich auch konzentrieren und auf die Signale des Menschen reagieren. Unsere Aufgabe ist es, unsere Vierbeiner entsprechend zu fördern, damit sie die geforderte Arbeit leisten können, ohne körperlich oder psychisch Schaden zu nehmen. „Ein Pferd ist ein Lebewesen mit Gefühlen und mit einem Körper, der in vielen Bereichen dem unseren gar nicht so unähnlich ist, zumindest was das ‚Funktionieren‘ des Bewegungsapparats, sprich der Muskeln, Sehnen und Gelenke und des Herz-Kreislauf-Systems, angeht“, erklärt Britta Schöffmann. Reit- und Trainingsstunden sollten sich an einem allgemeinen Gerüst orientieren, egal ob auf E- oder Grand-Prix-Niveau gearbeitet werde. „Lediglich die speziellen Inhalte variieren mit steigendem Trainings- und Leistungsniveau“, fügt die Expertin hinzu. Das Grundgerüst besteht aus drei Teilbereichen: Lösungsphase, Arbeitsphase und Entspannungsphase. Dabei werden die beiden ersten Phasen immer nach dem Grundprinzip „Vom Leichten zum Schweren, vom Bekannten zum Unbekannten und vom Einfachen zum Komplexen“ hin aufgebaut. In der abschließenden Entspannungsphase wird das Pferd wieder so aus der Arbeit entlassen, dass es am folgenden Tag erneut mit Freude mitarbeitet.

Die Lösungsphase

Sie wird auch Aufwärm- oder Vorbereitungsphase genannt und dient dazu, das Pferd physiologisch und mental auf die Arbeit vorzubereiten. Durch vermehrte, aber leichte allgemeine Bewegung wird das Herz-Kreislauf-System in Schwung gebracht und die Durchblutung verbessert. „Darüber hinaus erhöht sich die Produktion der Gelenkschmiere, die Gelenke werden beweglicher und die Körpertemperatur steigt an“, erklärt Britta Schöffmann. „Beim Lösen wärmt sich der Körper also tatsächlich auf, was zu einer Verbesserung der Belastbarkeit des Bewegungsapparats sowie der Energiebereitstellung führt.“ Sogar die Nervenleitgeschwindigkeit, also die Geschwindigkeit, mit der elektrische Impulse über die Nervenfasern übertragen werden, wird beschleunigt, was zu einem Anstieg der Reaktions- und Kontraktionsgeschwindigkeit der Muskulatur führt. Das Pferd kann die Hilfen des Reiters besser und schneller umsetzen, wenn diese korrekt gegeben werden. Eine gut aufgebaute Lösungsphase wirkt sich auch positiv auf die Psyche des Pferdes aus da es nach und nach loslassen kann, was mehr Konzentration und auch Lernbereitschaft ermöglicht. „Letztlich soll sich im Verlauf der Lösungsphase die positive Körperspannung des Pferdes erhöhen und das Pferd nach und nach vom entspannten Vorwärts-Abwärts zum locker federnden Vorwärts-Aufwärts gelangen“, sagt unsere Expertin.

Das sollten Sie wissen und beachten:

• Der Organismus braucht Zeit, um von Ruhe auf Belastung hochfahren zu können.

• Das Pferd sollte mindestens zehn Minuten mit hingegebenem und dann noch fünf bis zehn Minuten am langen Zügel Schritt geritten werden.

• In dieser Zeit kann es sich auf die veränderte körperliche Bewegung, auf andere Gleichgewichtsverhältnisse (Reitergewicht) sowie auf andere psychische Anforderungen (Umgebung, Außenreize) einstellen.

• Daher ersetzen 20 Minuten Schritt in der Führmaschine auch nicht alle Schrittrunden unter dem Reiter.

• Nach dem Schrittreiten folgt das spezielle Aufwärmen. Auch die eigentliche Lösungsphase muss hinsichtlich Intensität und koordinativer Anforderungen vom Leichten zum Schweren führen.

• Über langsam ansteigende Anforderungen wird das Pferd in eine notwendige positive Körperspannung versetzt.

• Der Schwerpunkt liegt auf den ersten drei Punkten der Ausbildungsskala: Takt, Losgelassenheit und Anlehnung.

Mehr Informationen zur Lösungsphase und allen weiteren Trainingsphasen finden Sie in der Mein Pferd- Ausgabe 04/2021.