Text: Nicole Audrit | Foto: Daniel Elke

 Ungefähr 50 bunte Stangen und Cavaletti füllen die Halle auf der Reitanlage von Thomas Birnbrich. Ausnahmsweise sind diese nicht wie gewohnt als reine Schritt-, Trab- oder Galopp­stangen hintereinandergelegt. Ihr Aufbau wirkt auf den ersten Blick vielmehr wie ein unüberwindbarer Stangendschungel. Kurze Zeit später kann ich mich auf dem sehr gut ausgebildeten Lehrpferd Fury jedoch selbst davon überzeugen, dass eine Überquerung möglich ist. Der angehende Pferdewirtschaftsmeister Thomas Birnbrich veranstaltet regelmäßig das sogenannte „Stangenmikado“, das sich für nahezu jedes Pferd und jeden Reiter – unabhängig von Alter und Ausbildungsstand – ­eignet. Auch die Disziplin, ob ­Dressur-, Spring-, Western- oder Freizeitreiter, ist nicht entscheidend. „Bei der Arbeit mit Stangen steht der Spaß im Vordergrund, diesen kann man in jeder Reitweise und auf jedem reiterlichen Niveau haben“, fasst Thomas Birnbrich die wenigen Anforderungen zusammen. Bei der Planung der Stangenstunde werden die Gruppen anhand der Reitkenntnisse der einzelnen Teilnehmer eingeteilt. Dabei eignet sich ein einzelner Aufbau sowohl für unerfahrene als auch erfahrene Pferde und Reiter, sodass Thomas Birnbrich und sein Team in den kurzen Pausen zwischen den einzelnen Stunden keine Stangen quer durch die Halle tragen müssen: „Die Anforderung des Aufbaus kann so variiert werden, dass jeder Reiter da abgeholt wird, wo er sich gerade mit seinem Pferd befindet.“

Generell bieten Stangen eine willkommene Abwechslung im Trainingsalltag. Voraussetzung ist lediglich, dass der Reiter das Pferd sicher in allen Gangarten auf der gewünschten Linienführung halten kann. Außerdem sollten beim Pferd keine gesundheitlichen Einschränkungen gegen ein Training mit Stangen sprechen. Bevor sich Reiter und Pferd an das Überwinden eines Stangenmikado-Parcours wagen, sollten beide bereits das Überqueren von einzelnen Stangen und einfachen Reihen sowohl auf gerader als auch auf gebogener ­Linie kennengelernt und gemeistert haben.

Bei Stangen geht man häufig zunächst ­davon aus, dass diese im Entlastungssitz überwunden werden. Dies ist jedoch nicht zwangsläufig der Fall, erklärt Thomas Birnbrich: „Eine Stangenstunde wird weder generell im Dressur- noch im Entlastungssitz geritten. Der Sitz wird an den Ausbildungsstand von Pferd und Reiter angepasst. Ein ausgebildetes Dressurpferd kann im Aussitzen über die ­Stangen geritten werden, wohingegen ein junges und unerfahrenes Pferd zur Schonung seines Rückens immer entlastet werden sollte.“

Nahezu automatische Entwicklung

Häufig wird das Training mit Stangen als Vorarbeit fürs Springen belächelt oder als für diejenigen bewertet, die Angst vorm ­eigentlichen Springen haben. Dabei lassen sich durch Stangentraining viele verschiedene Bereiche in der Ausbildung und im Training verbessern. Im Zusammenhang mit der Jungpferdeausbildung entwickelte der angehende Pferdewirtschaftsmeister Thomas Birnbrich das Konzept seiner Art des Stangentrainings – das Stangenmi­kado: „Als passionierter Dressurreiter war ich Ende 2014 auf der Suche nach einem Weg, meine junge Pferde noch ausgewogener und vielseitiger auszubilden. Aus diesem Grund setzte ich im Training Stangen ein und konnte beispielsweise relativ schnell den Raumgriff eines Jungpferdes deutlich verbessern.“

Stangen sind sozusagen ein richtiges Wundermittel in der Ausbildung und dem Training von Pferden – für ältere Pferde, Nachwuchspferde, Problempferde und Sportpferde. ­Besonders in der Hallensaison bietet Stangenmikado eine Abwechslung, die die meisten Pferde begeistert. Auch beobachtet Thomas Birnbrich bei vielen Pferden direkt eine Steigerung der Arbeitsmoral: „Selbst eher triebige Pferde lassen sich durch ein paar Stangen in der Halle schneller motivieren und überwinden mit gespitzten Ohren den Parcours.“

 …in der März-Ausgabe finden Sie tolle Tipps um ein Stangenmikado in der heimischen Reithalle ganz einfach nachzubauen. Probieren Sie es aus, Sie werden garantiert viel Spaß haben.