Text: Laura Becker, Jana Herrmann, Kerstin Wackermann       Foto: Kiki Beelitz

Damit Reitpferde gesund bleiben, müssen sie geradegerichtet werden. Dabei setzen Dorothee Schneider und Ingrid Klimkeauf verschiedene Übungen

Dorothee Schneider: Reiten auf dem zweiten Hufschlag und Volten in der Ecke

In Sachen Geraderichtung – also dem Ausgleichen der Lateralität des Pferdes – empfiehlt Dorothee Schneider für jede Trainingseinheit: Weg vom Hufschlag! „Schon bei jedem Abwenden von der kurzen auf die lange Seite bekomme ich eine klare Rückmeldung: Drängt das Pferd über die äußere Schulter Richtung Wand, dann stimmt etwas nicht. Deswegen sagt mir diese oder jede andere Linie, die ich wähle, wie gerade mein Pferd ist. Läuft es über die äußere Schulter? Überholt mich das Hinterbein innen?“

Hier kann der Reiter sehr gut genau diese Knackpunkte erfühlen. Idealerweise reitet er auf einen Spiegel zu, der ihm Auskunft darüber gibt, wie das Pferd fußt. „Aus meiner positiv angespannten Mittelpositur heraus fühle ich, wie ich das Pferd über meine Hüften beeinflussen kann. Wichtig: Der äußere Zügel führt, gibt also die konstante Anlehnung und bestimmt die Linie, ohne die Verbindung zwischen beiden Zügeln zu verlieren.“ Auf seiner strammen Seite wird das Pferd immer versuchen, sich der Längsbiegung zu entziehen. Um es schon in der Ecke geschmeidiger zu bekommen und mit dem inneren Schenkel vermehrt zu biegen, ohne die äußere Schulter zu „verlieren“, eine Volte in der Ecke anlegen.
„Aber keine zu enge! Sie kann gerne zehn Meter Durchmesser haben, also bis zur Mittellinie reichen. Entscheidend ist, dass das Pferd fleißig weitertrabt und die Ohren parallel bleiben“, so Dorothee Schneider. Auf der gebogenen Linie kann der Reiter nun vermehrt mit dem inneren Schenkel treiben. Wichtig: Der äußere Zügel führt. Beim Abwenden darauf achten, dass Stellung und Biegung erhalten bleiben und dann gleich ins Schultervor/ Schulterherein gehen. Auch hier: Kontrollblick auf die Ohren – sind sie parallel? Entscheidend ist außerdem, dass die Hände auf jeden Fall links und rechts des Mähnenkamms bleiben und – gerade auch bei Korrekturen – nicht zu hoch kommen. Das würde ein Abknicken des Pferdes im Hals nur unterstützen. Und eine stete Anlehnung und Führung am äußeren Zügel darf nicht dazu führen, dass die Zügelfäuste starr werden. Zur Geraderichtung und auch zur Balance des Pferdes trägt es bei, wenn der Reiter mit seiner Hüfte parallel zur Hüfte des Pferdes und mit seinen Zügelfäusten parallel zu den Schultern des Pferdes sitzt. 
Ist das Pferd innen hohl, muss man penibel beim Herausreiten aus der Ecke darauf achten, dass man die äußere Schulter unter Kontrolle hat. Dann auf jeden Fall sofort auf den zweiten Hufschlag gehen. Das Pferd soll die Linie halten. Egal, was geplant ist, erst einmal zwei Meter konzentriert auf schnurgerader Linie reiten. „Dazu gehört auch, dass ich mir sicher bin, auf welcher Linie ich beabsichtige zu reiten und wo genau ich ankommen möchte. Findet das Pferd seine Bewegungsbalance und lernt, seinen Körper zu nutzen, ist es in der Lage, positiv Kraft aufzubauen. Diese Kraft macht es ihm leichter, auch schwierige Lektionen zu absolvieren. Das Pferd spürt, dass es etwas kann, wird positiv selbstbewusst und hat Spaß an der Zusammenarbeit. Das ist unser Ziel!“

Ingrid Klimke: Übertreten lassen auf dem Zirkel

„Dauerhaft lässt sich nach meinen Erfahrungen die natürliche Schiefe nur beseitigen, wenn z. B. schon durch systematische Arbeit auf dem Zirkel, das Reiten von Schlangenlinien, durch Übertretenlassen auf der offenen Zirkelseite und durch das Reiten der Acht an der kurzen Seite die beidseitige Geschmeidigkeit des Pferdes verbessert worden ist. (…) Die noch größere Wirkung können wir auch durch das Übertretenlassen an der offenen Zirkelseite im Trab erzielen. Wir benutzen dazu wieder die Einwirkung des inneren Schenkels und des anstehenden äußeren Zügels. Durch das Hereinbringen der Vorhand nach innen geht das Pferd schenkelweichenartig auf vier Hufschlägen (…).

Bin ich erst so weit fortgeschritten, dass ich durch diese Hilfen das Pferd in sich gerade richten kann, kommt der Zirkelarbeit und dem Reiten auf den gebogenen Linien erst ihre eigentliche Bedeutung zu. Wir können durch genaues Einhalten der gebogenen Linie das innere Hinterbein mehr belasten und damit zur stärkeren Beugung bringen. Das Maß der Belastung kann durch die Übung Hereinreiten in den Zirkel (auf einem Hufschlag) erhöht werden – bis zur Zehn-Meter-Volte. Wir sollten dies aber nur kurzfristig verlangen, den Zirkel bald wieder schenkelweichenartig vergrößern und danach Takt und Tempo an den langen Seiten durch Tritteverlängern auffrischen. Es lässt sich nicht leugnen, dass bei der Arbeit auf dem Zirkel und den gebogenen Linien, mit dem Ziel, die inneren treibenden gegen die äußeren verwahrenden Hilfen durchzubringen, der Schwung der Bewegungen vorübergehend beeinträchtigt werden könnte. Mit diesem vorübergehenden kleineren Mangel vermeiden wir einen größeren Fehler – nämlich schief zu gehen. 
Aber wir sollten dies überlegt tun. Dann werden wir umso mehr dazu angehalten, nach kurzen Reprisen, z. B. auf dem Zirkel, beim Reiten von Schlangenlinien und der Acht, wieder auf gerade Linien zu gehen, die Tritte zu verlängern und den Takt und das Tempo aufzufrischen.“ (Aus „Grundausbildung des jungen Reitpferdes“, Ingrid und Reiner Klimke, Kosmos Verlag.)

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