Text: Inga Dora Schwarzer         Foto: Diana Wahl 

Erfolgreiche Para-Athleten reiten auf höchstem Niveau – und finden das ganz normal. Sie verstehen es, ihre körperlichen Handicaps mit viel Körpergefühl und Know-how auszugleichen. Wie gesunde Reiter vom Blick über den Tellerrand profitieren, erklären zwei Experten aus dem Para-Sport

Mehr Gefühl

Dieses Feingefühl verlangen die Para-Sportler auch von ihren vierbeinigen Partnern, die, wenn sie erfolgreich im internationalen Sport gehen, bis zur Klasse S ausgebildet sind. „Sie haben die Ausbildung in der Regel komplett durchlaufen. Denn je feiner ein Pferd ausgebildet ist, umso besser kann es auf die leicht unterschiedliche Art der reiterlichen Hilfengebung eingehen. So können sich Pferd und Reiter noch mehr aufeinander einstimmen“, erläutert Mispelkamp.

„Vielleicht sind unsere Pferde sogar besser ausgebildet als solche im Regelsport, bzw. stärker sensibilisiert“, ergänzt Zeibig. Er nutzt beispielsweise die Gerte als taktile Hilfe. Ihr Einsatz bedürfe nicht nur einer hohen Sensibilität des Reiters, sondern ebenso des Vierbeiners. Dafür brauche es gerade die spritzigen Vertreter, die Freude an der gemeinsamen Arbeit mit dem Menschen haben. „Ich habe zwei Pferde mit Ausbildungs- und Interieurproblemen gehabt, die keiner mehr wollte. Aus beiden sind erfolgreiche paralympische Pferde geworden“, sagt er. Sein Ausbildungsweg sieht viel Zeit und Geduld vor. „Ich glaube, das größte ‚Problem‘ meiner Pferde mit mir war und ist meine Hartnäckigkeit. Nach dem Motto: Ich steige jetzt nicht ab, ich verhaue dich auch nicht, sondern bleibe einfach an dir dran. Mit der Brechstange erreicht man nichts. Das ist im Regelsport eigentlich genauso, nur dass sich die Reiter dort länger im Sattel halten und länger Kraft ausüben können. Diese Grenze versuchen wir, wenn möglich, gar nicht erst zu berühren oder den Pferden unerwünschte Möglichkeiten aufzuzeigen. Den falschen Weg können wir uns nicht leisten. Wir versuchen vorher links oder rechts abzubiegen, um auf dem pferdefreundlichen Weg zu bleiben“, so der Para-Athlet.

Diese Art des Reitens hat viel mit Ehrlichkeit sich selbst gegenüber zu tun, denn eigene Baustellen diskutieren Para-Reiter nicht einfach weg. „Körperlich kann nun mal nicht jeder das Gleiche leisten. Das ist bei gesunden Menschen ja nicht anders: Der eine ist zu groß, um Ringer zu werden, der andere zu klein für Stabhochsprung. Diese Einsicht ist bei behinderten Menschen meist größer und sie denken mehr über die Reiterei nach, v. a. darüber, was sie an sich und ihrer Hilfengebung verändern können, anstatt vorschnell das Pferd zu wechseln“, meint Zeibig. Seiner Meinung nach müssten Reiter mehr Bereitschaft zeigen, ihre Denk- und Reitweise zu hinterfragen und gegebenenfalls zu ändern. „Viele halten an Dingen fest, die ihnen ein Reitlehrer vor Jahren mal gesagt hat, heute aber völlig überholt und veraltet sind. Es fehlt an Flexibilität im Kopf. Reiten ist Denksport, sagt mein Trainer immer.“

Neue Perspektiven

Insbesondere bei Schwierigkeiten könne das Ablegen von Scheuklappen hilfreich sein. „Weder Reiter noch Pferd lassen sich in eine feste Schablone oder Reitlehre pressen. Die Richtlinien sind gut, aber kein Gesetz und damit nicht in Stein gemeißelt. Da ist Spielraum für Verbesserungen und man darf darüber nachdenken, was darin steht“, rät er.

Ein bewusster Blick über den Tellerrand befürwortet ebenfalls Regine Mispelkamp. Viele Reiter seien unflexibel, was ihr Reiten angeht, und würden damit ihre eigene Weiterentwicklung als auch die ihres Pferdes blockieren. „Sie sind eingefahren in dem, was sie tun, und nicht offen für neue Lösungsansätze. Dabei tut jedem der Blick über den Tellerrand gut“, sagt sie abschließend.

Den kompletten Artikel finden Sie in der aktuellen Mein Pferd-Ausgabe.