Text: Inga Dora Schwarzer              Foto: www.Slawik.com

Egal, ob Gartenschlauch, Sprühflasche oder Pfütze – viele Pferde haben Angst vor Wasser. Warum das so ist und wie Sie Ihr Pferd Schritt für Schritt an das nasse Element gewöhnen, erklärt die Verhaltensexpertin Alexandra Schreiber

Man könnte meinen, Wasser sei eine ernstzunehmende Gefahr für Pferde. Schnaubend und prustend, mit geweiteten Augen und einem in die Höhe gestreckten Kopf stehen viele Vierbeiner wie angewurzelt da und verwandeln sich beim Anblick von Gartenschlauch, Sprühflasche oder Pfütze plötzlich in eine Statue oder wollen nur noch eins: weg, und zwar möglichst schnell.

Fragt der Mensch höflich bittend nach einem Schritt in Richtung des nassen Elements, antworten sie mit einem klaren und deutlichen „Nein, auf gar keinen Fall!“. Die Fronten sind verhärtet.

Angeborener Instinkt

Dabei ist dieses Pferdeverhalten nicht ganz unbegründet. „Die Angst vor Wasser ist ein angeborener Instinkt, der evolutionär begünstigt wird, und je nach Pferdecharakter unterschiedlich stark ausgeprägt ist. Für Pferde ist es oft schwierig abzuschätzen, wie tief ein Gewässer ist und ob der Untergrund trittsicher ist. Würde sich ein Pferd in der freien Wildbahn verletzen, weil es den Untergrund falsch einschätzt, wäre es eine leichte Beute für Fressfeinde“, erklärt Alexandra Schreiber, Pferdeverhaltenstherapeutin aus dem österreichischen Sinabelkirchen.

Ist ein Gewässer aber einmal für gefahrlos erklärt worden, waten sie in der Regel immer wieder anstandslos hindurch. Das erklärt, warum die Tiere zu Hause durch bekannte Pfützen oder Gewässer gehen, aber in eine fremde Wasserlache nicht immer sofort und ohne Scheu hineingehen.

Doch mit dem richtigen Motivator können selbst unangenehme Aufgaben positiv besetzt und erfolgreich bewältigt werden, ist sich die Expertin sicher. „Ein, wenn nicht der grundlegende Motivator schlechthin, ist Sicherheit durch Kontrolle. Indem man dem Pferd Einflussmöglichkeiten auf unser Tun und Handeln gibt, kann man Angst, Aggression und aversives Verhalten reduzieren. Auf diese Weise zeigt der Mensch seinem Pferd sozial kompatible Wege auf, seine eigenen Wünsche zu vermitteln. So lernt das Pferd seine Umwelt durch friedfertige Absichten zu kontrollieren, eine systematische Desensibilisierung ist die Folge“, sagt Schreiber.

Vorerfahrungen des Pferdes

Viele Verhaltensprobleme, so auch die Angst vor Wasser, entstünden meist durch vergangene Ereignisse in der Umwelt. Ein Umweltreiz löst ein Verhalten aus und das wiederum eine funktionelle Belohnung. „So stellt beispielsweise das Auftauchen des Wasserschlauchs den Umweltreiz dar, der etwa ein Losreißen verursacht (Verhalten), das wiederum zur funktionellen Belohnung führt: die Distanz zum Schlauch vergrößert sich“, erläutert die erfahrene Verhaltenstherapeutin. Um die funktionelle Belohnung eines Problemverhaltens herauszufinden, ist es wichtig dessen Konsequenzen zu beobachten. Folgende Frage muss vor dem Training beantwortet werden: Welche Belohnung erhält das Pferd und von wem? Eine genaue Analyse mache sich bezahlt, denn oftmals würden unerwünschte Verhaltensweisen unabsichtlich verstärkt, ohne dass der Mensch es merke. „Beginnt das Pferd beim Anblick des Wasserschlauchs nervös zu tänzeln, und der Mensch entfernt den Schlauch, um es zu beruhigen, verstärkt er damit sein Fehlverhalten“, gibt die Expertin zu bedenken.

Mehr Informationen zu dem Trainingskonzept finden Sie in der aktuellen Mein Pferd- Ausgabe.