Text: Inga Dora Schwarzer    Foto: Anna Auerbach

Rituale und Gewohnheiten geben Pferden Sicherheit. Das kann sich der Reiter zunutze machen, im Verlauf der Ausbildung sollten diese aber verändert werden. Denn erst das gezielte Trainieren von Reizen macht aus Pferd und Reiter ein echtes Team. Wie Sie dabei vorgehen, erklärt Anne Krüger-Degener in Teil 4 unserer HarmoniLogie®-Serie.

Pferde sind Gewohnheitstiere. Wer kennt das nicht? Wenn nicht morgens um sieben Uhr das Futter bereit steht, wird lauthals gewiehert. Besitzt man zwei Pferde und reitet immer zuerst das eine und dann das andere, steht den Tieren das Fragezeichen ins Gesicht geschrieben, wenn man diese Reihenfolge wechselt. „Ich bin doch immer zuerst dran. Warum denn heute nicht?“

Rituale in der Herde

„Jede Herde hat einen eigenen Rhythmus, eigene Rituale und Gesetze. Wenn man eine Herde nicht als Ansammlung vieler Tiere der gleichen Art annimmt, sondern sie als gewachsenes System aus familiären Strukturen und einem stabilen Gefüge aus Respekt und Vertrauen versteht, dann erkennt man, warum Rituale für Herdentiere wichtig sind. Sie geben dem Organismus einen verbindlichen Rhythmus sowie die Möglichkeit der Entspannung. Dem ganzen Tier geben sie Orientierung und Sicherheit“, sagt Ausbilderin und Tiertrainerin Anne Krüger-Degener aus Melle (Niedersachsen).

Aber auch für Pferde als Fluchttiere sind Rituale wichtig. „Pferde leben in der Natur ständig mit einer äußeren Bedrohung und müssen jeden Moment mit extremen Anforderungen rechnen. Damit der Organismus die dafür bereitstehenden und dadurch verbrauchten Ressourcen auffrischen und stabilisieren kann, ist auch hier eine klare und verbindliche Struktur im Tagesablauf sehr wichtig“, so die Expertin weiter. Ihre große Schafherde geht beispielsweise immer zur selben Zeit ins Bett, steht pünktlich auf und hat den Tag über einen immer wiederkehrenden Rhythmus aus Fress- und Ruhephasen. Innerhalb der Herde stehen die Clans zusammen. Das heißt, dass immer dieselben Tiere nebeneinander stehen, in dieselbe Himmelsrichtung gewandt mit demselben Individualabstand zueinander. Jedes Tier stellt so für das andere das Regulativ aus Nähe und Distanz dar.

„Pferde, die in Herden unbeeinflusst vom menschlichen Rhythmus leben, tun dies genauso. Durch diese Rituale entstehen Komfortzonen. Und Komfortzonenverhalten fördert die Leistungsbereitschaft. Geben wir Menschen den Tieren einen solchen Rhythmus vor, dann lernen sie schnell, sich daran zu halten“, erklärt sie. Insbesondere in der Ausbildung der jungen Pferde mache es daher Sinn, Rituale einzuführen und einzuhalten. „Deshalb bieten wir neben Pünktlichkeit auch ein ritualisiertes Management an: Fütterungszeit, Stallnachbar, Weidekumpel, Weidezeit und Trainingszeit sollten einen festen Rahmen geben, ebenso wie das Trainingsambiente. Darüber hinaus können wir über verbindliches Komfortzonentraining die Leistungsbereitschaft und Kooperation enorm steigern“, so die Ausbilderin.

Erst im weiteren Verlauf der Ausbildung gestaltet Anne Krüger-Degener diese Rituale um und verändert immer nur eine Variable – und zwar dann, wenn das Pferd vermehrt Entspannungssignale aussendet oder zu den gestellten Anforderungen immer sein Einverständnis gibt. „So viele Dinge gibt es ja gar nicht zu verändern, und wenn man jeden Tag eine kleine neue Frage einbaut, ist man ruck, zuck fertig mit dem gesamten Fragenkatalog, hat dann aber ein Pferd, das willig und gerne mitarbeitet, da es nie überfordert wurde“, so die Tiertrainerin. Der Trick bei diesem System ist der Rückweg. Stellt die Expertin eine Überforderung fest, macht sie die letzte Veränderung rückgängig und wartet ab, bis das Pferd auch hier wieder sein Okay gibt.

…den kompletten Artikel – inklusive praktischer Übungen – finden Sie in der Mein Pferd-Ausgabe 1/2020.