Text: Nicole Buchholz          Foto: www.Slawik.com

Treiben durch das Bild eines Tretrollers zu verstehen und mithilfe eines Kartoffelsacks und einer Königin aus der Dehnungshaltung in die Versammlung zu wechseln – dies sind einige Ziele des Konzepts „Reiten mit inneren Bildern“. Unsere Expertin Dr. Tuuli Tietze erklärt, worauf es beim Reiten mit Gedankenbildern ankommt

Anweisungen wie „Absatz tief“ oder „Schultern zurück“ haben eines gemeinsam: In vielen Fällen sorgen sie dafür, dass sich der Reiter verkrampft und zwanghaft versucht, die Sitzkorrektur auszuführen und ein Körperteil unbedingt in die vermeintliche Idealposition zu bringen. „Oft führen diese Sitzkorrekturen zwar kurzfristig zu dem gewünschten Ergebnis, jedoch bleiben dabei die Gesamtdynamik und die Geschmeidigkeit des Sitzes auf der Strecke“, erklärt Dr. Tuuli Tietze, Trainerin und Ausbilderin, und ergänzt: „Bei dem Befehl ‚Absatz runter‘ spannt der Reiter das Fußgelenk an, anstatt elastisch zu federn. Anschließend überträgt sich das auf seinen gesamten Sitz, sodass dieser seine Losgelassenheit, Geschmeidigkeit und Balance verliert – der Beginn einer Negativspirale.“ Aus diesem Grund empfiehlt Tuuli Tietze, sich eine Art positives Kopfkino anzueignen, um mithilfe von inneren Bildern ein besserer Reiter zu werden. So könnte das Kommando bei hochgezogenen Absätzen und weggestreckten Waden lauten: „Stellen Sie sich vor, Sie würden Ihr Pferd mit Ihren Beinen liebevoll umschlingen, als ob Sie einen Freund umarmen würden.“ Dieses innere Bild löst eine andere Emotion in uns aus: nicht das krampfhafte Herunterdrücken des Absatzes, sondern ein positives Gefühl einer Umarmung.

Innere Bilder helfen dem Reiter generell dabei, ein Gefühl für die richtige Hilfengebung im Sattel zu entwickeln. Sie können die Bewegungsmotorik positiv beeinflussen und sie verfeinern, sodass die Hilfengebung im Sattel nahezu unsichtbar für einen außenstehenden Beobachter wird. Um das richtige Bewegungsgefühl zu erlernen, müssen Sie nicht zwangsläufig im Sattel sitzen. Einige der Übungen können auch zu Hause ausprobiert werden. Natürlich lernt man Reiten durchs Reiten, jedoch kann eine solche Trockenübung unterstützend wirken, ohne das Pferd dabei durch missverständliche Hilfengebung zu verwirren oder zu stören.

Zunächst muss sich jedoch jeder Reiter Gedanken über seine kurz- und langfristigen Ziele machen. Beispielsweise könnte eine Dressuraufgabe der Klasse L mit reell gerittenen Lektionen auf einem zufriedenen Pferd und mit einem elastischen und ausbalancierten Sitz ein Langzeitziel sein. Ein Zwischenziel könnte das Beheben eines Sitzfehlers, beispielsweise eines hochgezogenen Absatzes, sein. Im nächsten Schritt sollte man kreativ werden und passende Gedankenbilder entwickeln. Als Anregung erklärt Tuuli Tietze einige der inneren Bilder, die ihr und ihren Reitschülern bislang gut geholfen haben. Damit innere Bilder ihre positiven Auswirkungen vollständig entfalten können, müssen sie zur individuellen Person passen. Daher empfiehlt die Expertin, eigene Vorstellungen zu entwickeln: „Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Einzig und allein entscheidend ist, dass das innere Bild das eigentliche Kernproblem zu beheben versucht. Daher sollte man sich vorher Gedanken machen, ob die hängenden Schultern tatsächlich das Problem sind oder ob sie nur die Auswirkung eines anderen Schwachpunktes im Sitz sind.“

Imaginäre Gewichte und Fäden

Häufig erreichen bloße Sitzkorrekturen nur kurzfristig den gewünschten Zustand. Effektiver hingegen sind innere Bilder, so die Trainerin: „Der Begriff an sich ist etwas irrtümlich gewählt, schließlich wird bei dieser Art des Mentaltrainings nicht nur der visuelle Faktor bedient, sondern zusätzlich werden der auditive und der kinästhetische Zugang zum Verstehen der Hilfen genutzt.“ Damit innere Bilder effektiv zur Verbesserung des Sitzes beitragen können, müssen sie aussagekräftig und einprägsam sein. Können Sie sich unter einem bestimmten Bild nichts vorstellen, wird dieses Ihnen höchstwahrscheinlich auch nicht weiterhelfen.

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