Text: Nora Dickmann     Foto: Wikimedia Commons

Kincsem konnte mit ihrer erstaunlichen Leistung im Rennsport überzeugen: Sie gewann alle ihre 54 Rennen, die sie in ihrem Leben bestritt, und gilt bis heute als Wunderstute Ungarns

Kincsem bedeutet aus dem ungarischen übersetzt „Mein Schatz“. Kein Name hätte besser zu der unbesiegten Stute gepasst, die am 17. März 1874 in Kisbér, Ungarn, geboren wurde. Ermo Blaskovitch züchtete die Fuchsstute, bot sie zum Kauf an und gab sie schlussendlich, da sie von allen potenziellen Käufern abgelehnt wurde, an den Engländer Robert Hesp ins Training. Dieser trainierte zu dieser Zeit abwechselnd die Windhunde von Prinz Batthyany und dem ungarischen Geheimdienst, später dann auch Rennpferde.

Der Brite war dafür bekannt, seine Trainingspferde nicht zu schonen. So war es auch mit der jungen Ungarin: Sie bestritt insgesamt 54 Rennen, davon alleine zehn Stück als Zweijährige. Aber die Sensation war groß: Kincsem gewann alle Rennen, die meisten sogar mit mehreren Längen zum zweitbesten Pferd. Dabei waren ihr die Distanzen und die Konkurrenz gleichgültig. Die meisten Rennen gewann sie in ihrer Heimat Ungarn, einige aber auch in Deutschland. Hier konnte sie dreimal hintereinander im Großen Preis von Baden siegen. In England triumphierte sie im Goodwood Cup und in Frankreich dominierte sie im Grand Prix de Deauville. Eine beeindruckende Leistung für eine Stute, die als verkümmert, hässlich und unbeholfen abgestempelt wurde. Bei all diesen Reisen musste ihre Katze mit dabei sein. Man sagt, dass die Stute in Frankreich in Schockstarre verfallen sei und so lange gewiehert habe, bis die Katze, die sich zu diesem Zeitpunkt verirrt hatte, zu ihr zurückgefunden hatte und auf Kincsems Rücken saß.

Aber nicht nur diese Legende kreist um die ungarische Stute, sie hatte auch noch mehr Eigenarten, die sie hervorstechen ließen. So soll ihr nach jeder Rückkehr in den Absattelring immer ein Blumenstrauß an das Zaumzeug gebunden worden sein, denn ansonsten hätte sie sich nicht losbinden lassen. Auch habe sie nur Heu und Wasser aus dem heimischen Gestüt akzeptiert und hungerte lieber, als anderes zu essen. So kam es, dass ihr Futter immer mitgeführt wurde. Zu ihrem Pfleger Frank hatte die Wunderstute eine ganz besondere Beziehung. Auf einer Zugfahrt, die bei eisigem Wetter stattfand, riss sie sich die Decke vom Leib und legte sie über Frank, um ihn vor der Kälte zu schützen. Da der Pfleger offiziell keinen Nachnamen hatte, wurde Frank Kincsem zu seiner offiziellen Identität. Dieser Name wurde auch später auf seinem Grabstein verewigt.

Nach ihrer Karriere als ungarisches Rennpferd wurde Kincsem mit sieben Jahren aus dem Sport verabschiedet und zur Zucht eingesetzt. Als Tochter von Cambuscan und Waternymph, hatte sie ausgezeichnete Gene, welche sie an ihre fünf Fohlen vererbte. Das Stutfohlen Budagyöngye schlug in Deutschland in allen Derbys die Hengste, Ollyan Nincs siegte im Magyar St Legers, und Talpra Magyar wurde als Deckhengst aufgestellt. Kinc-Sör starb leider am Vortag des Deutschen Derbys, aber Kincs konnte erfolgreich als Zuchtstute aufgestellt werden. Kincsem Nachkommen sammelten in Europa insgesamt 41 Siege in klassischen Rennen und hatten großen Einfluss auf die spätere europäische Vollblutzucht. Auch heute leben noch einige der indirekten Nachkommen der Fuchsstute, die ebenfalls erfolgreich im Sport sind. Hier stechen vor allem Sieger aus Flach- und Hindernisrennen, wie Camelot, Weltstar oder Windstoß, hervor. Die ungarische Wunderstute verstarb 13 Jahre, nachdem sie das Licht der Welt erblickt hatte, am 13. März 1887 an einer Kolik. Noch heute steht eine Statue der Stute in Budapest, in der Nähe des Stadions. Lange nach ihrem Tod gilt die Stute noch immer nicht als vergessen: Regisseur Gábor Herendi verfilmte das Leben der Wunderstute aus Ungarn. Dieser bisher teuerste Film Ungarns kam 2017 in die Kinos