Dieser Job ist der Kindheitstraum der meisten Mädchen und gleichzeitig trotzdem ein Knochenjob: der Beruf des Pferdewirts. Auf dem Reiterhof Altmühlsee kann jeder für eine Woche den Pferdewirt auf Probe machen. Gina Joelle Schepke zeigte uns, was dabei auf jeden Interessierten zukommt
Text: Jessica Classen; Fotos: Daniel Elke

Morgens halb fünf in Deutschland: Ein einsamer Wecker klingelt. Ganz verschlafen macht Gina Joelle Schepke ihn aus, steht auf und taumelt erst einmal ins Badezimmer. „Es ist jeden Morgen dasselbe“, sagt sie lachend. „Dabei sollte man meinen, irgendwann gewöhnt man sich schon an das frühe Aufstehen.“ Aber weit gefehlt. Was viele Mädchen für einen Traumjob halten, weil sie den ganzen Tag mit ihren geliebten Vierbeinern verbringen dürfen, ist in Wahrheit ein echter Knochenjob – um halb sechs wollen die Pferde auf dem Reiterhof Altmühlsee in Gunzenhausen (Bayern) nämlich bereits gefüttert werden. Anschließend bringen die Mitarbeiter sie auf die Koppel, und dann geht die eigentliche Arbeit für die Pferdewirte los: Die Boxen werden ausgemistet, Termine für den Tag gemacht und alles Nötige drumherum erledigt. „Jeder sollte sich darüber im Klaren sein, dass es ein anstrengender Job ist“, erklärt Gina auf dem Weg in die Stallgasse. „Je nach Betrieb sind es natürlich andere Arbeitszeiten. Aber generell hat man als Pferdewirt selten eine 40-Stunden-Woche. Es gibt auch Nachtschichten oder Turnierdienste am Wochenende. Ohne viel Spaß bei der Arbeit zu haben, ist es fast unmöglich, sie zu erledigen.“

Der Gang zum Fitness-Studio ist hier überflüssig: Jeden Morgen wird die Mistgabel geschwungen und sorgt für ausreichend Muskelaufbau
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Arbeiten auf Probe

Der Reiterhof Altmühlsee bietet daher Interessierten an, sich den Job des Pferdewirtes eine Woche lang anzusehen, bevor man sich entschließt, eine Ausbildung in diesem Bereich zu machen. Immerhin dauert diese zwei bis drei Jahre, je nach Schulabschluss. Nach dem Abitur sind es lediglich zwei, nach allen anderen Abschlüssen sind es drei Jahre. „Das ist sehr praktisch“, sagt Gina. „Ich persönlich finde es immer gut, wenn man sich erst einmal ein Bild von dem jeweiligen Job macht. Wenn es dann nichts für einen ist, weiß man es wenigstens im Voraus und nicht mitten in der Ausbildung. Und in diesen sieben Tagen bekommen alle Interessierten hier auf dem Hof einen Panoramablick für die gesamte Ausbildung und können sich alles genau ansehen.“ Es gibt verschiedene Fachrichtungen, zwischen denen man bei der Ausbildung wählen kann: Pferdehaltung und Service, Pferdezucht, Klassische Reitausbildung, Pferderennen mit den Einsatzgebieten Rennreiten und Trabrennfahren sowie die Spezialreitweisen mit den Einsatzgebieten Western- und Gangreiten. Gina selbst hat die Fachrichtung Pferdehaltung und Service gewählt und macht während der Ausbildung ihren Trainerschein. „Trotzdem sollte man auch bei der Fachrichtung Pferdehaltung und Service eine gute Grundausbildung im Reiten haben, auch wenn man damit keinen Unterricht geben darf “, erklärt sie. „Dafür mache ich aber extra den Trainerschein. Es macht mir unglaublich viel Spaß mit den Kindern hier auf dem Hof zu arbeiten, und mit dem Schein darf ich sie auch unterrichten.“

Wie viel Kraftfutter welches Pferd bekommt, lernen Lehrlinge im ersten Jahr
Wie viel Kraftfutter
welches Pferd bekommt, lernen Lehrlinge im ersten Jahr

In der Berufsschule ist die Ausbildung klar strukturiert und in verschiedene Themengebiete aufgeteilt. Im Alltag selbst wird jeden Tag alles gemacht: Vom Füttern über das Misten zum Putzen bis hin zum Reiten. Das Handwerk Pferdewirt wird auch hier in Bayern auf dem Reiterhof Altmühlsee von der Pike auf gelernt: Welches Futter die Pferde bekommen und wie viel, wie oft sie am Tag gefüttert werden, wie viel Heu sie bekommen – all dies gehört zur Ausbildung dazu und wird für jedes Pferd individuell berechnet. Zudem ist es Lerngegenstand des ersten Ausbildungsjahres. „Insgesamt bekommen die Pferde hier dreimal am Tag Kraftfutter und zweimal am Tag Heu beziehungsweise im Sommer geschnittenes Gras“, erklärt Gina. „Mittlerweile weiß ich bei jedem Pferd auswendig, was es bekommt, und das Füttern geht mir leicht von der Hand.“ Dadurch, dass sie von morgens bis abends in ihrem Job mit den Pferden arbeitet, hat sich ein besonderes Vertrauensverhältnis entwickelt: „Ich reite sie nicht nur, wie die meisten Bereiter, sondern kümmere mich auch um ihre Belange“, sagt die Pferdewirtin. „Morgens füttere ich sie, sorge dafür, dass sie rauskommen und ab mittags eine saubere Box vorfinden. Außerdem putze ich sie auch und verbringe Zeit mit ihnen.“ Die Tage sind genau strukturiert. Trotzdem kann es mal hektischer und mal weniger hektisch werden. „Das kommt ganz darauf an, ob ein Pferd krank oder neu am Stall ist“, so Gina. „Oder ob alles seinen gewohnten Lauf geht und es keine Zwischenfälle gibt.“ Der Beruf des Pferdewirtes ist zwar oft kräftezehrend, aber er ist auch vielseitig und birgt viele freudige Überraschungen – über einen langen Tag verteilt.

… jeden Mittwoch finden Sie hier Teile unserer Serie „Pferdewirt auf Probe“. Die gesamte Serie finden Sie in unseren Magazinen Mein Pferd 08/2016 bis 10/2016!