Mit Pauken und Trompeten geht es für Gina Joelle Schepke ins zweite Lehrjahr. Auf dem Lehrplan stehen keine geringeren Dinge als Putzen und Scheren – denn auch das will gelernt sein
Text: Jessica Classen | Fotos: Daniel Elke

Neben der täglichen Arbeit auf dem Reiterhof Altmühlsee muss Lehrling Gina Joelle Schepke auch weiterhin die Schulbank drücken. „Natürlich würde ich lieber nicht mehr zu Schule gehen“, sagt sie lachend. „Aber es ist auch eine ganz angenehme Abwechslung zum Alltag. Auch wenn ich niemals gedacht hätte, dass ich das jemals sagen würde.“ Die Schule beginnt für sie um acht Uhr. „Dadurch ist es im Gegensatz zu den anderen Tagen für mich fast schon wie ausschlafen“, so Gina. „Und je nachdem, wann ich von der Schule zurück bin, habe ich im Anschluss frei und kann den ganzen Tag mit meinem eigenen Pferd verbringen.“ Ein wichtiger Bestandteil des zweiten Lehrjahres des Pferdewirts sind die Haltungsformen und -systeme. „In diesen Bereich fallen viele Dinge“, so Gina. „Wir müssen uns Informationen über Haltungsformen und -systeme beschaffen, erarbeiten Gestaltungsvorschläge und bewerten diese nach pferdespezifischen, ökonomischen und ökologischen Gesichtspunkten.“ Dabei müssen die Lehrlinge die gesetzlichen Grundlagen und Richtlinien berücksichtigen. Auch die Zucht ist Thema in diesem Jahr: „In der Schule müssen wir rein theoretisch die Zucht eines Fohlens planen“, erklärt Gina. „Dabei müssen wir von Anfang an jeden einzelnen Schritt berücksichtigen: Welcher Hengst eignet sich für die Stute? Wie sind die gesunheitlichen Voraussetzungen bei beiden? Was wird es Kosten? Kann das Fohlen auf dem für die Stute heimischen Stall großgezogen werden, oder gibt es dort keine anderen Jungpferde, und beide müssen für den Übergang umgestallt werden? All diese Fragen müssen wir im Vorfeld erarbeiten und in einer gesonderten Arbeit schriftlich formulieren.“ Aber auch die Pflege ist ein wichtiger Bestandteil der Ausbildung und das in jedem Jahr, wie uns Gina erklärt: „Klar sollte man schon vor der Ausbildung ein Grundverständnis von Pferden und ihrer Pflege haben. Aber während der Ausbildung lernt man zusätzlich, wie man einem Pferd mit der Schermaschine begegnet oder auf welche körperlichen Besonderheiten man beim Putzen achten muss.“ So weiß jeder, dass ein Striegel nicht über knochigen Stellen genutzt werden darf; aber auch ein Gummistriegel ist hier mit Vorsicht zu genießen und kann je nach Druckaufkommen des Menschen ebenso schmerzlich für das Pferd sein. Deswegen sind harte Wurzelbürsten richtig angewandt dann oft effektiver, um den Schmutz pferdeschonend zu entfernen. „Es klingt zunächst für jeden Reiter einfach, dass wir das Putzen separat lernen“, so Gina. „Aber der Bereich ‚Pferdehaltung und Service‘ stellt eine ganze Fachrichtung dar.“ In diesen Bereich fallen dann neben dem Scheren oder Putzen auch grundlegende Dinge wie Verladen, Longieren oder die Grundausbildung eines Pferdes. „Das Wichtigste, was wir in der Ausbildung lernen, ist, die Grundbedürfnisse der Pferde zu stillen: sie zu füttern, zu putzen und ihnen genügend Auslauf zu bieten“, sagt sie. „Erst danach kommt das Reiten und Ausbilden von anderen Reitern hinzu.“


Reiterhof Altmühlsee

Auf dem Reiterhof Altmühlsee können Interessierte zwar nicht den schulischen Ablauf einer Ausbildung zum Pferdewirt erleben, aber sie können alles rund um das Pferd kennenlernen. Die Auszubildenden, So sieht der ganz normale Wahnsinn im zweiten Lehrjahr für Gina Joelle Schepke aus. Da zum zweiten Lehrjahr in den Haltungsformen einige gesetzliche Richtlinien zu beachten sind, müssen Lehrlinge besonders viel für die Klausuren lernen Welche Bürste sich für welchen Rücken eignet, lernt Gina in der Schule die dort auf dem Hof angestellt sind, zeigen ihnen von der Pike auf alles, was sie wissen müssen, um sich entweder für oder gegen diesen Beruf zu entscheiden. „In einer Woche kann man natürlich nicht alles sehen“, sagt Gina. „Aber den Pferdewirt auf Probe kann man bei uns auch länger machen. Dadurch hat man auch einen besseren Einblick in unsere Arbeit und kann für sich besser entscheiden, ob der Beruf einen ein Leben lang glücklich macht oder nicht.“ Die Arbeit mit Pferden erscheint uns allen auf den ersten Blick sehr verlockend. Aber besonders hier muss jeder darauf achten, ob er mit ganzem Herzen dabei ist: Denn am Ende würden die Pferde darunter leiden, wenn man auf Autopilot seinen Job mechanisch erledigt und nur noch froh darüber ist, wenn der Tag sich dem Ende neigt. „Als ich meine Ausbildung angefangen habe, wusste ich von vorneherein, dass das genau das ist, was ich immer machen möchte, auch wenn alle anderen mich davor gewarnt haben, was für ein Knochenjob das ist“, sagt Gina. „Und was soll ich sagen? Ich bin immer noch sehr glücklich mit meiner Entscheidung!“

… jeden Mittwoch finden Sie hier Teile unserer Serie „Pferdewirt auf Probe“. Die gesamte Serie finden Sie in unseren Magazinen Mein Pferd 08/2016 bis 10/2016!