Kennen Sie das, wenn es am Rücken so richtig juckt und Sie einfach nicht rankommen? Wenn Sie an nichts anderes mehr denken können? Unseren Pferden geht es genauso. Mit diesen Mitteln können Sie Ihnen Erleichterung verschaffen
Text: Wiebke Ramisch; Fotos: Christiane Slawik

„Komm, wir suchen uns einen Baum, wo man sich so richtig schubbern kann!“ Genüsslich reibt sich Balu der Bär im Film „Das Dschungelbuch“ den Rücken an dem Kratzbaum, genießt die Massage, verdreht vor Wohlbefinden die Augen, sinkt schließlich zu Boden und bringt noch ein „Oh Mann, es lebe das Leben!“ heraus. Wir geben zu: Das ist nur ein Zeichentrickfilm. Hier können Tiere reden, singen und unmögliche Dinge vollbringen. Wenn wir in der realen Welt unsere Lieblingstiere beobachten, würde es uns allerdings manchmal nicht wundern, wenn sie genau den gleichen Satz losließen. Besonders dann, wenn sie sich einen Pfosten auf dem Paddock gesucht haben und wahlweise Hintern, Kruppe, Seite oder jegliches andere Körperteil daran schubbern, dabei den Hals lang machen, behaglich die Augen schließen und eine „Genussschnute“ ziehen.

Soziale und solitäre Körperpflege

„Für Pferde ist neben der sozialen auch die solitäre Körperpflege, also das Wälzen, Schubbern und Kratzen wichtig für das körperliche Wohlbefinden“, sagt Katharina Claudi von der Laufstall-Arbeitsgemeinschaft für artgerechte Pferdehaltung e.V. (LAG). „Durch Kratzmöglichkeiten am Stall können sich Pferde an – für Maul oder Hufe – unerreichbaren juckenden Körperstellen kratzen. Die Durchblutung der Haut wird gefördert, Stress wird abgebaut und das Fell kann von Schmutz und teilweise auch von Parasiten befreit werden.“

Spa-Bereich im Stall

Gründe genug also, unseren Pferden einen kleinen Wellnessbereich einzurichten, wo sie sich nach Herzenslust kratzen und scheuern können. „Einfache Pfosten aus Holz oder Metall – beispielsweise der Eingang eines Unterstandes oder ein Tragbalken im Stall – werden von den Pferden häufig von selbst als ‚Schubberbaum‘ eingeweiht“, erklärt LAG-Inspekteurin Annette Wagener-Kettler. Das kann man sich zunutze machen, indem man diese Pfosten „pimpt“. Dazu eignen sich Kokosmatten, mit denen man die Pfähle umwickelt, Besenenden oder auch im Handel erhältliche Scheuer- und Massagematten. Werden Kratzbürsten in der Box angebracht, weisen die Expertinnen darauf hin, dass sie sich in ausreichender Entfernung zu Futterkrippe, Heu und Tränke befinden sollten. „Durch das Schubbern können sich Staub, Dreck und Fell lösen und die Futter- sowie Tränkeeinrichtungen verschmutzen“, erklärt Katharina Claudi. Zudem ist darauf zu achten, dass sich das Pferd trotz Kratzbürste ungehindert in der Box bewegen kann. „Halten Sie Ihr Pferd im Lauf- oder Offenstall, ist es geschickt, wenn man die Kratzmöglichkeiten weit weg von den anderen Funktionsbereichen anbringt“, sagt Annette Wagener-Kettler. So würden die Pferde dazu animiert, sich in Ihrem Zuhause möglichst viel zu bewegen. Vor allem Pferde, die keine soziale Fellpflege betreiben, nehmen die Kratzmöglichkeiten gerne an. Auf die unterschiedlichen Befindlichkeiten können Sie eingehen, indem Sie Borsten in verschiedenen Härten und Längen wählen.

Kratzen, bis der Arzt kommt?

Behalten Sie Ihr Pferd im Auge, wenn Sie ihm eine neue Kratzmöglichkeit anbieten: Es gibt einige, die sich die Haut aufscheuern, bis es blutet. „Gehen Sie in diesem Fall der Ursache auf den Grund“, empfehlen die Inspekteurinnen der LAG. „Von Parasiten über Stoffwechselprobleme bis hin zu Allergien kommt viel infrage. Solange die Ursache nicht abgestellt werden kann, ist es empfehlenswert, diesen Pferden die Möglichkeiten zum Kratzen weitestgehend zu nehmen und ihnen durch gezielte Behandlung und Unterstützung die Symptome zu erleichtern.“ Verletzungen können auch entstehen, wenn die Kratzbürsten an ungeeigneten Stellen oder nachlässig angebracht sind. Die LAG-Expertinnen empfehlen, besonders den Untergrund unter die Lupe zu nehmen, wenn man Kratzmöglichkeiten an Pfosten oder Pfählen anbringt. Katharina Claudi: „Sie sollten standsicher sein, nicht wackeln oder gar umkippen und einiges an Gewicht aushalten.“

Sicherheitsrisiken

Wie überall in der Pferdehaltung sollten Sie darauf achten, dass keine Schrauben, Nägel oder andere spitze Gegenstände aus den Kratzbürsten oder in deren Umgebung herausstehen, an denen sich die Pferde verletzten könnten. Einige Kandidaten tendieren dazu, die Borsten anzuknabbern oder gar zu fressen. „Sollte man dies feststellen, empfiehlt es sich, ein anderes Material zu nehmen oder auf andere Kratzmöglichkeiten zurückzugreifen“, so Katharina Claudi.

Putzen muss sein

Egal, für welche Möglichkeit Sie sich entscheiden, um Ihrem Pferd Wohlbefinden zu verschaffen – wenn Sie die Bürsten und Matten je nach Nutzung alle paar Monate austauschen oder reinigen, sind sie hygienisch vollkommen unbedenklich. Selbst wenn sich das Pferd den Dreck weitestgehend selbst mithilfe der Kratzbäume abscheuert – die regelmäßige Putzstunde oder Dusche ersetzen sie nicht. Die so mit unserem Pferd verbrachte Zeit dient nicht nur dessen Körperpflege, sondern ist außerdem „Quality time“, die wir abseits aller Ansprüche und Erwartungen im Training mit ihm verbringen. Wir können unauffällig den Pferdekörper abtasten, ob alles an seinem Platz ist oder ob es kleine Verletzungen gibt, und unsere Bindung zum Pferd wird gestärkt und dauerhaft gefestigt. Die beste Kratzbürste ist und bleibt der Besitzer: Wenn sich das Pferdegesicht behaglich verzieht, es den Kopf streckt und wohlig brummelnd die Augen schließt, wissen wir: Da haben wir mit der Bürste gerade eine Lieblingsstelle gefunden, der wir uns mit besonderer Aufmerksamkeit widmen können. Und es würde uns nicht wundern, wenn unser Pferd in dem Moment hauchen würde: „Oh Mann, es lebe das Leben!“

… wie Sie selbst für Wellness bei Ihrem Pferd sorgen und die Kratzbürsten „Do it yourself“ herstellen können, erfahren Sie in unserer Aprilausgabe 04/2015. Hier können Sie das Heft nachbestellen!