Text: Inga Dora Schwarzer         Foto: Stefan Lafrentz

Mehr Power, weniger Verschleiß, bessere Performance: Nur wenn die Hinterhand ihre volle Kraft entfaltet, kann das Pferd die vom Reiter erwünschte Leistung erbringen. Was aber tun, wenn sie inaktiv ist und es an Schub- und Tragkraft mangelt? Antworten gibt Pferdewirtschaftsmeisterin Gesa von Hatten

Problematisch wird es, wenn aus falschem Ehrgeiz oder einer falsch verstanden Art der Ausbildung die Entwicklung von Schub- und Tragkraft missverstanden wird. „Grundsätzlich stimme ich dem Grundsatz Schwung vor Versammlung zu. Leider sehe ich aber häufig eine für das (junge Dressur-)Pferd fatale Entwicklung. Je schneller ein bewegungsstarkes Pferd läuft, desto spektakulärer sieht es aus.

Gesund ist das nicht. Die für die Schubkraft benötigte Muskulatur entwickelt sich schnell. Die Sehnen und Bänder aber, die diesen Schub aushalten müssen, brauchen länger in ihrer Entwicklung“, kritisiert die Pferdewirtschaftsmeisterin.
Deswegen plädiert sie für ein moderates Vorwärtsreiten v. a. bei jungen und Reha-Pferden. Hier bietet sich zur Aktivierung der Hinterhand ein längeres, moderates Ausdauer-Trabtraining auf großen gebogenen Linien an, sodass sich Muskeln, Sehnen und Bänder an die Belastung anpassen können und es nicht zu Überlastung und frühem Verschleiß kommt.
Eine zu hohe Geschwindigkeit führt außerdem dazu, dass der Rücken nicht mehr schwingt. Dafür braucht er Zeit. „Bei eiligen Tritten jedoch wird er festgehalten. Ohne schwingenden Rücken kann das Pferd sich aber nicht selbst tragen, nicht ausbalancieren und fällt auf die Vorhand. Das hohe Tempo verursacht zudem ein weites Herauswinkeln der Hinterbeine, so dass das Becken vermehrt nach vorne gekippt wird. Ein Hohlkreuz entsteht. Der Rücken wird eher weggedrückt statt aufgewölbt“, warnt die Ausbilderin.
Genauso fatal wirkt sich ein zu starker Fokus auf die Tragkraft aus. „Wird das Pferd zu langsam, mit wenig aktiver Hinterhand, geritten, kann sich kein Schwung entwickeln, der den Rücken aufwölbt. Häufig fehlt hier dem Reiter das Gefühl für die richtige Geschwindigkeit bzw. Aktivität“, merkt von Hatten an. Das Pferd wird „rückwärts“ geritten, sodass keine reelle Versammlung stattfinden kann. Das Bild einer inaktiven Hinterhand zeigt sich dann oft wie folgt: gestörte Fußfolge, hohe Kruppe, kurz und eng im Hals, vorne strampeln die Vorderbeine, und hinten ziehen die Hinterbeine nicht nach.

Falscher Bewegungsablauf


„Ist die Hinterhand inaktiv, zieht das Pferd seinen Körper mit der Vorhand nach vorne. Dieser biodynamisch nicht korrekte Bewegungsablauf kann zu einer Überlastung der vorderen Gliedmaßen führen“, gibt die Ausbilderin zu bedenken. Mehr noch: Es kann zu unnötigen, körperlichen Belastungen mit vielschichtigen Folgen kommen: beispielsweise Taktstörungen, Triebigkeit, Anlehnungsprobleme, Verspannungen, Blo-
ckaden, Verschleiß des Bewegungsapparates (u. a. Sehnenschäden, Überbeine) und Kompensationsmuskulatur (Muskeln an den falschen Körperstellen).

Nicht selten treten aufgrund des hohen Verspannungsgrads auch Stoffwechselstörungen auf. Verspannte Muskeln sind immer auch verkürzte Muskeln, in denen die Durchblutung und der Nährstofftransport verringert sind. So kann der Stoffwechsel nicht mehr seine volle Leistung erbringen, um das Tier gesund zu erhalten. Eine inaktive Hinterhand hat also immer Auswirkungen auf das Gesamtsystem Pferd. „Sie kann deshalb niemals isoliert gesehen werden“, sagt die Expertin.
Die Ursachen für den falschen Bewegungsablauf sind vielfältig und äußerst individuell. „Hat das Pferd Probleme mit der Hinterhand, sollte immer genauestens nach den Gründen geforscht und das Pferd entsprechend betreut werden. Oft sind Gründe nicht nur beim Reiten zu suchen, sondern in der Haltung, Fütterung, Gesundheit und im Management des Tieres“, so die Pferdewirtschaftsmeisterin.
Steht der Vierbeiner in einer für ihn unpassenden Haltungsform? Hat er, bedingt durch eine falsche Fütterung, Magenprobleme? Sind die Hufe schlecht bearbeitet? Liegt vielleicht eine genetisch bedingte Stoffwechselerkrankung der Muskulatur 
(z. B. PSSM) zugrunde? All das beeinträchtigt die muskuläre Leistung der Hinterhand, sagt sie.

Den gesamten Artikel finden Sie in der aktuellen Mein Pferd- Ausgabe.