… vorwärtsreiten! So lautet das Motto der Reitschule Berger im Sauerland. Dort wurde unserer Kandidatin Lisa Henschenmacher ihr Wunsch, einen Isländer zu reiten, erfüllt. Die Überraschung: Direkt zwei Wallache standen ihr für ihren Traum vom Tölten zur Verfügung und das Gelände durfte sie auch unsicher machen
Text: Jessica Classen; Fotos: Ilja van de Kasteele

Ich bin total aufgeregt“, sagt Lisa Henschenmacher, unsere Wunschpferd-Kandidatin. „Ich habe mir zwar gewünscht, einmal einen Isländer tölten zu dürfen, aber ich habe absolut nicht damit gerechnet, dass ich wirklich mal gewinne.“ Sie ist gespannt wie ein Flitzebogen, weil sie noch keine Vorstellung davon hat, was sie erwarten wird. Auf der Fahrt ins Sauerland wippt sie deshalb auf der Rückbank hin und her und auf und ab – ihre Nervosität ist mit Händen greifbar und fast schon ansteckend.
Auf dem Hof werden wir bereits von Hofmanagerin Angela Hütter, Trainerin und Bereiterin Melanie Müller und einer ganzen Horde Isländer erwartet. Nach einer umfangreichen und herzlichen Begrüßung geht es für Lisa direkt ans Eingemachte. „Wir haben uns überlegt, dass wir dir heute zwei Isländer zur Seite stellen“, erklärt Angela Hütter. „Zum einen hätten wir den 17-jährigen Glaesir frá Fjós Héri, der einfach zu reiten und tölten ist. Und zum anderen darfst du auch Hàtindur reiten, der etwas schwieriger zu händeln sein wird, weil er nicht sofort töltet. Aber ich denke, es wird dir trotzdem Spaß machen und so kannst du zwei ganz unterschiedliche Typen reiten.“

bildschirmfoto-2016-11-28-um-15-21-35Glaesir frá Fjós Héri

Bevor Lisa jedoch ihren ersten Tölt genießen darf, muss sie, wie jeder Schüler vor seiner Reitstunde, ihr Pferd fertig machen, es putzen, satteln und trensen. Der in den Niederlanden gezogene Glaesir steht brav neben ihr, während sie ihn striegelt und bürstet – und das muss sie ordentlich, denn trotz des warmen Wetters haben viele Isländer noch ein recht dichtes Fell. Das macht aber nichts, denn beim Putzen lernen die beiden sich näher kennen, und schon kurze Zeit später könnte ein Außenstehender nicht mehr sagen, ob sie sich erst wenige Minuten zuvor das erste Mal gesehen haben oder sich schon seit Wochen kennen. „Islandpferde sind sehr sozial und leicht in der Handhabe“, so Angela Hütter. „Und Glaesir ist ein besonders freundliches Pferd, das beim Reiten oft den ein oder anderen Fehler des Reiters verzeiht. Da wir Lisa vorher nicht kannten, haben wir deshalb ihn als erstes Reitpferd für sie ausgewählt.“ Auf der Ovalbahn schwingt sich zuerst Melanie in den Sattel und zeigt Lisa, wie sie den Wallach zu reiten hat: „Du musst ihn treiben, und das genau so weit, bis er theoretisch antraben würde. Dann machst du ihn kürzer, indem du vorne kleine leichte Paraden gibst. Machst du es genau so, töltet Glaesir sofort an.“ Und als Lisa sich auf den Wallach setzt, funktioniert es direkt. „Sie ist ein richtiges Naturtalent“, lobt Angela Hütter. „Auf Anhieb alles richtig zu machen, schaffen nicht viele.“ Während Lisa auf der Ovalbahn eine Runde nach der anderen im immer schneller werdenden Tölt verbringt, strahlt sie über das ganze Gesicht. „Das macht so unglaublich viel Spaß! Es ist viel gemütlicher als ich gedacht habe“, ruft sie. „Am liebsten würde ich gar nicht mehr aufhören.“

bildschirmfoto-2016-11-28-um-15-21-54Tölten in jeder Lebenslage

„Glaesir ist ein absoluter Spaßtölter“, so Angela Hütter. Schön und gut, aber was genau ist denn ein Spaßtölter? „Wir nennen ihn so, weil er wirklich in jeder Lebenslage töltet“, erklärt sie mit einem Lächeln. „Auf der Equitana haben wir uns einen Spaß daraus gemacht und seine Besitzerin ihn mit Zylinder reiten lassen. Auf den Zylinder haben wir ein volles Weinglas gestellt. Und was soll ich sagen – nicht ein Tropfen ging daneben.“ Dieser Wallach muss sehr bequem im Tölt sein und ist sehr kinderfreundlich: Die Reiterin und Besitzerin ist ein 16-jähriges Mädchen, das ihn seit sechs Jahren reitet. „Trotzdem müssen generell einige Kniffe beachtet werden, denn auch Glaesir töltet nicht einfach drauf los, ohne dass die richtigen Hilfen kommen“, fügt Melanie Müller hinzu und erklärt daraufhin auch, was der Tölt überhaupt ist. „Der Tölt ist eine erschütterungsfreie und schwunglose Gangart, bei der immer ein Bein des Pferdes auf dem Boden ist. Es gibt keine Schwebephase, denn dieser Gang wird gelaufen.“ Entstanden ist der Tölt überall dort, wo Pferde zum Transport und um lange Strecken zurückzulegen, genutzt wurden: in der Mongolei, in Afrika und allgemein auch zu Kriegszeiten. Der Tölt hat eine hohe Tempovarianz zwischen Schritt- und Galopptempo, je nach Veranlagung und Ausbildung des Pferdes. „Sogar andere Rassen könnten den Tölt erlernen“, fügt Angela Hütter hinzu.


bildschirmfoto-2016-11-28-um-15-21-44Hàtindur vom Blocksberg

Anschließend darf Lisa den neunjährigen Wallach Hàtindur reiten. Er ist fünfgängig veranlagt, aber noch nicht entsprechend ausgebildet. „Hàtindur ist eine Herausforderung für Lisa, weil es bei ihm schwieriger sein wird, ihn anzutölten“, erklärt Trainerin Melanie Müller. „Aber ich bin davon überzeugt, dass sie auch das schafft.“ Nach den ersten Runden scheint Lisa ein wenig außer Atem zu sein. „Es ist wirklich schwieriger, Hàtindur zu tölten, aber es macht trotzdem Spaß“, sagt sie. „Es ist eben ein ganz anderes Reitgefühl, und das nicht nur, weil ich normalerweise Dressur reite. Auch zwischen Glaesir und Hàtindur besteht ein riesengroßer Unterschied.“ Der Wallach verlangt Lisa einiges mehr ab als Glaesir, denn er ist temperamentvoller und muss in seinem Tatendrang öfter gebremst werden. „Momentan bilden wir ihn im Rennpass aus, aber dabei müssen wir aufpassen. Der Rennpass kann unter Umständen die anderen Gangarten beeinflussen. Die Schwierigkeit besteht darin, dass die Gänge ganz klar voneinander getrennt werden“, erklärt Angela Hütter.

bildschirmfoto-2016-11-28-um-15-21-18Das Abschiedsgeschenk

Zu guter Letzt darf Lisa am Ende des Tages sogar noch gemeinsam mit Melanie Müller und Australian-Shepherd-Hündin Embla das sauerländische Gelände erkunden. „Du reitest dann aber am besten wieder Glaesir, denn Hàtindur hat im Gelände einen noch ausgeprägteren Vorwärtsdrang“, empfiehlt die Trainerin lachend. „Das ist so viel mehr, als ich mir gewünscht habe“, sagt Lisa strahlend. „Ich glaube, ich steige auf Isländer um. Schließlich sind sie so unglaublich vielseitig.“