Text: Nora Dickmann       Foto: Adobe Stock/ Karoline Thalhofer

Egal ob Äpfel, Birnen oder Pflaumen – Pferde lieben Fallobst. Allerdings ist das Fressen nicht frei von Risiken. Koliken, Wespenstiche oder Vergiftungen können auftreten

Wenn die Tage kürzer und wärmer werden, wissen wir: Der Spätsommer ist da. Mit ihm kommt dann auch die Erntezeit von Kirsche, Apfel und Co. Zwar ist die Kirschernte im September schon durch, aber Äpfel, Zwetschgen und Birnen haben jetzt Hochsaison! Stehen solche Obstbäume in der Nähe der Pferdekoppel, besteht die Gefahr, dass sich Pferde vor allem an dem auf dem Boden liegenden Fallobst bedienen. Angefaultes Fallobst kann zu heftigen Gaskoliken führen. Wespen bedienen sich ebenfalls an dem süßen Obst und können das Pferd bei Verzehr stechen. Stiche im Kopfbereich sind meist „nur“ unangenehm. Es wird allerdings gefährlich, wenn die Insekten lebendig in den Schlund gelangen und sich dort zur Wehr setzen. Dann bekommt das Pferd im schlimmsten Fall keine Luft mehr und erstickt.

Steinobst verschluckt?

Wer kennt es nicht selbst? Eine Kirsche genascht und den Stein verschluckt. Vielleicht ein bisschen Bauchweh, aber größere Beschwerden treten selten auf. Bei Pferden gilt hier jedoch: Die Kerne von Steinobst, wie etwa Zwetschgen, enthalten Amygdalin, ein cyanogenes Glycosid, welches bei der Verdauung – sofern das Pferd den Kern vorher zerbeißt – in giftige Blausäure aufgespalten wird. Wird der Kern im Ganzen verschluckt und setzt er sich im Verdauungstrakt fest, kann dies eine Kolik auslösen. Bei Äpfel und Birnen ist ebenfalls Vorsicht geboten. Nur in kleinen Mengen sind sie unbedenklich. Da sie reich an Fruchtsäure- und Zucker sind, kann dies bei empfindlichen Pferden schnell den Darm aus dem Gleichgewicht bringen. Durchfall kann die Folge sein, ebenso wie ein erhöhtes Kolikrisiko.

Schlundverstopfung durch saftige Früchte

Bei zu hastigen Fressern verursachen Birnen und Äpfel nicht selten eine lebensgefährliche Schlundverstopfung, die vom Tierarzt behandelt werden muss. Vor allem rangniedrige Pferde, die hastig fressen, oder ältere Pferde mit Zahnproblemen sowie junge Tiere im Zahnwechsel zerkleinern das Obst nicht gut genug und fressen große Stücke. Die Speiseröhre ist beim Pferd etwa 1,50 Meter lang, ein enger Muskelschlauch, in dem jeder Bissen mit peristaltischen Wellen der Muskulatur weiter Richtung Magen befördert wird. Bleibt Futter stecken und wird eine Blockade verursacht, versucht der Organismus, diese durch Muskelkontraktionen zu lösen. Wenn dies nicht gelingt, drohen Hustenanfälle, Muskelkrämpfe und Panikattacken. Speichel und Futterreste rinnen aus Nüstern und Maul, das Pferd beginnt zu würgen. Wird der überschüssige Speichel eingeatmet, besteht die Gefahr einer eitrigen Lungenentzündung.

Streuobstwiese: ja oder nein?

Streuobstwiesen als Pferdeweide nutzen ist ein viel diskutiertes Thema. Einiges spricht für die Nutzung, einiges dagegen. In allen Fällen sollte aber darauf geachtet werden, dass Pferde nicht zu viel Obst fressen. Auch die Anzahl der Pferde, die diese Wiese abgrasen, muss bedacht werden. Am gesündesten ist es, wenn die Beweidung der Obstwiese nur kurzzeitig und intensiv erfolgt. Ein großer Pluspunkt von Streuobstwiesen ist der Schatten, den die Bäume im Sommer spenden, sowie das abwechslungsreiche Gras- und Kräuterangebot. Außerdem sorgt das selektive Fressverhalten von Pferden und ihre Ausscheidungen für einen vielfältigen Pflanzenwuchs. Bei dieser Form der Beweidung werden dem Boden weniger Nährstoffe entzogen als durch eine Mähgutabfuhr. Und auch wenn das alles Punkte sind, die für eine Streuobstwiese als Weide sprechen, sollte der übermäßige Verzehr von Fallobst vermieden werden, da dieser krank macht.

Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie in der aktuellen Mein Pferd- Ausgabe.