Text: Andreas Ackenheil, Rechtsanwalt     Foto: Adobe Stock/ Budimir Jevtic

Der Spezialist für 
Pferderecht, Rechtsanwalt Andreas Ackenheil, gibt auch in dieser Ausgabe die besten rechtlichen Tipps rund ums Thema Pferd

Für jeden Pferdehalter hat sein Pferd einen bedeutenden Wert, den man mit Geld nicht bemessen kann. Folglich sind Tierhalter bereit, immense Summen für die Behandlung oder Therapie ihres Pferdes aufzubringen, auch wenn es später nicht mehr reitbar oder nutzbar ist. Gerade lebenserhaltende Operationen oder Reha-Behandlungen können den Wert des Pferdes um ein Vielfaches übersteigen und den Halter in den finanziellen Ruin treiben. In vielen Fällen wurde jedoch entschieden, dass diese Behandlungen nicht notwendig seien, da der immaterielle Wert nicht mit dem wirtschaftlichen Wert des Pferdes gleichzusetzen sei.

 So kann es vorkommen, dass ein altes oder krankes Pferd nach einem Unfall einem wirtschaftlichen Totalschaden gleichgesetzt wird, wenn die Heilungschancen gegen null gehen. Doch wann sinkt der Wert eines Pferdes, und wann sind exorbitante Summen für Behandlungen bei mitunter nahezu wertlosen Pferden gerechtfertigt?

Wie sinkt der Wert eines Pferdes?

Der Wert eines Pferdes bestimmt sich objektiv nach verschiedenen Kriterien. Der immaterielle Wert eines Pferdes für seinen Halter spielt dabei zunächst keine Rolle. Wertbildende Faktoren beim Pferd können Abstammung, Erfolge, Leistungsstand oder besondere Merkmale wie die Farbe sein. Der Wert eines Pferdes kann sich reduzieren, wenn es sportlich nicht mehr einsetzbar oder für die Zucht ungeeignet ist oder an Krankheiten oder Verhaltensstörungen leidet. Auch optische Mängel können Einfluss auf den Wert des Pferdes nehmen.

Kann das Pferd den Wert null erlangen?

Tatsächlich wurde dies in einem Fall vor dem Amtsgericht Frankfurt so entschieden. Das Pferd ließ sich durch eine dauerhafte Lahmheit nicht mehr reiten, sodass es mit Medikamenten behandelt werden musste, die für die Lebensmittelgewinnung unzulässig sind. Mithin schied das Pferd sowohl sportlich als auch als Lebensmittellieferant aus. Der Halter hatte das Pferd zuvor zum Preis von 7.500 Euro erworben und eine Lebensversicherung abgeschlossen, die den Fall der Nottötung oder des Verendens abdeckte. Die Versicherungssumme entsprach dem Wert des Pferdes.

Dies wurde jedoch problematisch, da bei dem Pferd nach einigen Jahren die Diagnose hochgradige Arthrose festgestellt wurde. Bei einem Koppelgang brach das Pferd vollständig zusammen und musste eingeschläfert werden. Vorliegend hatte der Pferdehalter die Versicherung nicht über die Erkrankung des Pferdes in Kenntnis gesetzt, weshalb diese nicht die Lebenssumme des Pferdes auszahlen wollte. Das Gericht wies die Klage ab, da es für die Wertbestimmung auf den Wert abstellte, den das Pferd unmittelbar vor der Euthanasie hatte. Ein Sachverständiger legte den Wert des Pferdes auf null Euro fest, da es weder reit- noch fahrtauglich war und auch nicht zur Lebensmittelgewinnung verwendet werden konnte. Damit legte das Gericht fest, dass ein Pferd seinen Verkehrswert vollständig verlieren kann, wenn es erhebliche gesundheitliche Mängel hat und sowohl sport- als auch schlachtuntauglich ist.

Welche Voraussetzungen müssen vorliegen, damit Tierarztkosten dem Kläger erstattet werden?

Tierarztkosten können den Marktwert eines Tieres immens übersteigen. Nach dieser gesetzlichen Regelung sind die aus der Heilbehandlung eines verletzten oder eines kranken Tieres entstandenen Aufwendungen nicht bereits unverhältnismäßig, wenn sie den Wert des Tieres erheblich übersteigen. Dabei wird bewusst auf eine rein wirtschaftliche Betrachtungsweise verzichtet, damit einem Tier gemäß Art. 20 a GG keine Heilbehandlung verwehrt wird, auch wenn die Heilbehandlungskosten den Verkehrswert des Tieres übersteigen würden. Dem Gesetzgeber kommt es folglich darauf an, was ein verständiger Tierhalter in der Lage des Geschädigten aufgewendet hätte.

Dabei spielen Faktoren wie das Verhältnis vom verletzten Tier zum geschädigten Menschen sowie die Vertretbarkeit der Behandlung aus tiermedizinischer Sicht eine entscheidende Rolle. Die Grenze für die Kosten wird regelmäßig dort gezogen, wo Heilbehandlungskosten nicht mehr als sinnvoll und vernünftig erachtet werden, da das Tier trotz der Behandlung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht gerettet werden kann. Zur Beurteilung der Vertretbarkeit der Behandlung wird zunächst der Marktpreis des Pferdes vor dem schädigenden Ereignis ermittelt. Dem stellt man den Marktwert nach Abschluss der Heilbehandlung unter Berücksichtigung der verbleibenden Verwendungsmöglichkeiten des Pferdes gegenüber. 
Die Differenz aus beiden Summen definiert dann die zu ersetzende Schadenshöhe.  Folglich beurteilt sich die Berechnung der Heilbehandlungskosten nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit.

Dürfen die Kosten für die Heilbehandlung auch den Wert des Tieres übersteigen?

Jüngst entschied der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle über einen derartigen Fall. Das streitgegenständliche Pferd war bereits 24 Jahre alt und hatte einen wirtschaftlichen Wert von 300 Euro. Im konkreten Fall floh das Pferd vor einem angreifenden Hund, stürzte und verletzte sich schwer. Der klagende Pferdehalter ließ sein Pferd daraufhin für mehr als 14.000 Euro in einer Tierklinik operieren. Der Beklagte wurde zur Zahlung der Tierarztkosten verurteilt. Sowohl das vorinstanzliche LG Verden als auch das OLG wiesen die Ansprüche des Beklagten zurück und begründeten dies damit, dass der Pferdehalter lediglich seiner Verantwortung gegenüber seinem Tier nachkam, was folglich ein Mitgeschöpf sei, welches nicht einer streng wirtschaftlichen Betrachtungsweise unterliegen dürfte.

Auch Gerichte wie das LG Mannheim oder das LG Baden-Baden haben anerkannt, dass die Behandlungskosten den Wert des Tieres übersteigen dürfen, wenn das Tier lediglich einen ideellen Wert für den Tierhalter hat.

Ist die Einschläferung des Pferdes aus Kostengründen gestattet?

Jeder Tierarzt legt einen Eid ab, wodurch er sich verpflichtet, kranken Tieren zu helfen. Der Tierhalter trägt in der Regel diese zum Teil nicht unerheblichen Tierarztkosten. Ist für die behandlungsnotwendigen Kosten jedoch ein Dritter verantwortlich, kann der Tierhalter von dem Schädiger oder dem Halter des schadensverursachenden Tieres verlangen, dass er ihm die Kosten ersetzt.

Doch darf ein Tierhalter die kostenintensive Behandlung auch ablehnen, wenn die Kosten für den Tierhalter nicht tragbar sind oder er sie schlichtweg ablehnt? Das Tierschutzgesetz schreibt in § 5 TierSchG vor, dass jeder Tierhalter sein krankes Tier behandeln lassen muss, da er sich um das ihm anvertraute Lebewesen entsprechend seiner Bedürfnisse kümmern muss und dieses pflegt und unterhält. Nach dem Tierschutzgesetz besteht ein grundsätzliches Verbot der Tötung von Tieren, es sei denn, es liegt ein vernünftiger Grund vor. Dabei stellt sich die Frage, wann zu hohe Tierarztkosten einen vernünftigen Grund darstellen. Aus ethischer und moralischer Sicht liegt in der Rettung eines kranken oder verletzten Tieres immer ein vernünftiger Grund vor, der dem Tierhalter eine Behandlungspflicht auferlegt. Anders könnte der Fall zu beurteilen sein, wenn sich der Tierhalter die Behandlung schlichtweg nicht leisten kann. Dies ist laut Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur dann zulässig, wenn die Heilungschancen des Tieres durch die Behandlung derart gering sind, dass es neben dem Kostenrisiko auch fragwürdig ist, ob das Tier wieder genest, und sich der Tierhalter in einer finanziellen Notlage befindet. Für eine Einschläferung aus Kostengründen muss der Tierhalter beim Tierarzt nachweisen, dass er sich in einer finanziellen Notlage befindet, und entsprechende Dokumente vorweisen. Ist der Tierarzt mit der Entscheidung des Tierhalters über die Euthanasie des Tieres nicht einverstanden, kann der den Fall dem Veterinäramt melden, damit dieses über die Behandlung des Tieres entscheiden kann oder gegebenenfalls das Tier in seine Obhut nimmt und behandeln lässt.

Pferderechtsexperte Anwalt Ackenheil: Im vorliegenden Fall ist ein klares Umdenken der Juristen ersichtlich, da das Pferd nun als ein Mitgeschöpf anerkannt wird und nicht als reine Sache betrachtet wird. Damit handelt die Justiz entsprechend der tierschutzrechtlichen Regelungen.

Sicherlich mag auch die Wirtschaftlichkeit bei der Wahl mancher Behandlungsmethoden eine Rolle spielen, jedoch darf dies nicht mehr als Argument der Verweigerung der Kostenübernahme gelten. Gerade in haftungsrechtlichen Streitigkeiten wird eine Übernahme der Kosten oftmals abgelehnt mit dem Verweis auf eine Pflicht des Geschädigten zur Kostenminimierung.

Unser Experte

Andreas Ackenheil veröffentlicht als Spezialist für Pferderecht regelmäßig in zahlreichen Fachzeitschriften und Online-Portalen juristische Fachbeiträge sowie Kommentare zu neuen Rechtsentscheidungen und hält Vorträge und Seminare. Zudem veröffentlichte der Rechtsanwalt einen großen Ratgeber für Tierrecht mit einem umfangreichen Kapitel über Pferderecht.

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