Text: Nora Dickmann          Foto: imago images/ Sven Simon

Dank des Schimmels wurde der „fliegende Zahnarzt“ Hinrich Romeike im Vielseitigkeitssport bekannt. Marius trug ihn zu zwei olympischen Medaillen und genoss anschließend seine Rente

Der reitende Zahnarzt aus Nübbel, Hinrich Romeike, sagte einmal: „Ohne ihn wäre ich gar nichts.“ Dieses Zitat entstand 2008, gleich nachdem er mit seinem Pferd Marius zwei olympische Goldmedaillen auf einen Streich gewonnen hatte. Romeike galt zu diesem Zeitpunkt als einer der letzten Amateure im Pferdesport, der seinen grandiosen Erfolg diesem einen Pferd verdankte.

Marius kam im Alter von fünf Jahren in den Stall nach Nübbel und stellte den Zahnarzt vor eine neue Herausforderung: Das tägliche Training und der Arbeitsalltag wollten unter einen Hut gebracht werden. Anfangs wurde das Duo von vielen belächelt – gerade von denen, die mehrere Top-Pferde im Stall stehen hatten, täglich mehrere Tiere ritten und für den Turnierstart das fitteste wählten.

Anfangs ließ Marius beim Springtraining gerne mal eine Stange mitgehen, im Gelände war das Paar gemütlich und langsam unterwegs. Der große Vorteil von Marius und Hinrich Romeike: Sie konnten sich blind aufeinander verlassen. Romeike achtete darauf, sein Pferd nicht zu überfordern, und wählte seine Teilnahme an Championaten sorgfältig aus. Und er ließ den Wallach einfach machen, hetzte ihn nicht durch den Parcours und vertraute auf seine Fähigkeiten.

Und das zahlte sich aus. Die Belohnung: Es kam in all den Jahren nie zu Verweigerungen oder Stürzen, Marius wirkte immer entspannt und motiviert. So arbeiteten sie sich Stück für Stück nach oben: 2003 nahmen sie erstmals an der Europameisterschaft in Punchestown in Irland teil und belegten als bestes deutsches Paar Platz 15.

2004 mussten die deutsche Vielseitigkeitsmannschaft in Athen jedoch eine bittere Enttäuschung einstecken. Eigentlich war ihr das Mannschaftsgold sicher, allerdings war Bettina Hoy am Start ein formaler Fehler unterlaufen. Die deutsche Equipe musste die Auszeichnung zurückgeben.

In Hongkong wollte Hinrich Romeike sich vier Jahre später das verpasste Gold zurückholen. Sein Heimtrainer Jörg Naewe war extra eingeflogen, um ihm beizustehen. Hinrich Romeike legte mit Marius eine Leistung hin, mit der Hanfried Haring, der damalige Generalsekretär der FN, den Schimmel „kurz vor der Heiligsprechung“ sah. Erst holten sie – Seite an Seite mit Andreas Dibowski, Ingrid Klimke, Frank Ostholt und Peter Thomsen – Mannschaftsgold, danach folgte ein Null-Fehler-Ritt in der Einzelwertung. Romeike war überglücklich. Er drehte sogar vor der offiziellen Siegerehrung spontan eine Ehrenrunde und gab seinen Kollegen in der Zahnarztpraxis daheim frei.

Im Jahr 2009 verletzte sich Marius. Diagnose: Reizung des Fesselträgers. Der „fliegende Zahnarzt“ baute seinen Schimmel behutsam auf, musste aber 2010 trotzdem wegen Problemen am linken Vorderbein des Wallachs auf die Weltreiterspiele in Kentucky verzichten. Bei einer Geländeprüfung im polnischen Strzegom hatte er ihn kurz zuvor aus dem Wettbewerb genommen. Bis 2011 fiel Marius im Turniersport aus, Anfang 2012 gab Romeike bekannt, nicht an den Qualifikationsprüfungen für die olympischen Sommerspiele in London teilzunehmen. Marius sei fit, aber nicht mehr so elastisch wie anfangs. „Ich möchte, dass er gesund alt wird und noch ein langes Rentnerdasein bei mir zu Hause hat“, verkündete er. Das Turnier im Vielseitigkeitsmekka Luhmühlen bot den würdigen Rahmen für den Abschied. „Das war schon traurig. Es war einfach eine geile Zeit“, erinnert sich Romeike.

Seitdem genießt Marius seine Rente bei seinen Besitzern auf der Koppel, hütet den Fohlenkindergarten und wird täglich von „seiner“ Familie gepflegt.