Text: Alexandra Koch , Jessica Classen, Julia Schay-Beneke    Foto: www.Slawik.com

Das Ohr des Pferdes besitzt eine ganz besondere Bedeutung. Denn als Fluchttier hat das Pferd einen extrem ausgeprägten Gehörsinn. Dieser ist – zum Leidwesen vieler Reiter – dafür verantwortlich, dass es manchmal zu unerklärlichem Scheuen kommt. Doch das feine Gehör des Pferdes hat auch viel Positives

Studien haben mittlerweile nachgewiesen, dass Pferde „ihren Menschen“ am Klang der Stimme nicht nur erkennen, sondern auch dessen Stimmungen wahrnehmen können. Blicken wir also auf ein hoch spannendes Organ.

Faszinierendes Organ

Was für ein unglaubliches Organ es doch ist, dieses Pferdeohr! „Die Aufnahmekapazität von Schallwellen ist beim Pferd viel größer als beim Menschen. Das Wahrnehmen von leisen Tönen ist ihm ebenfalls weit überlegen“, erklärt Dr. Margit Zeitler-Feicht, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Wissenschaftszentrum Weihenstephan der TU München. Sie gehört zu den anerkanntesten Expertinnen in Sachen Verhaltensforschung beim Pferd. Nicht selten erkennen Pferde auf diese Weise „Schreckgespenster“, welche beim Menschen jenseits jeglicher Wahrnehmung liegen. So manches unerklärliche Wegspringen lässt sich darauf zurückführen. Die Ohrmuscheln des Pferdes sind anders als beim Menschen in alle Richtungen beweglich. Deshalb funktionierten sie viel eher nach dem Prinzip eines Radars, erklärt Expertin Zeitler-Feicht. „Die großen Ohrmuscheln verstärken Geräusche zudem ähnlich einem Hörtrichter im Vergleich zu jenen des Menschen um ein Vielfaches. Dies wurde ihm im Laufe der Evolution häufig zum Vorteil, wenn es um Angriffe von Raubtieren ging.“

Jeder Reiter kennt den Anblick, dass das Pferd entweder beide Ohren in eine Richtung zu einem besonders deutlich wahrgenommenen Geräusch hin ausrichtet oder dass es ein Ohr in eine, das andere in die andere Richtung legt und zwei getrennte und teils völlig entgegengesetzte Geräusche aufnimmt. Beim Reiten ist dies gelegentlich besonders auffällig, wenn das Pferd ein Ohr nach vorne auf seine Umgebung richtet, das andere hin zum Reiter und auf dessen Signale.
Im weiteren Aufbau sind die Ohren von Pferd und Reiter nicht sehr verschieden. Auch beim Pferd geht die Ohrmuschel in den äußeren Gehörgang über, der vom Mittelohr durch das Trommelfell getrennt liegt. Durch aufgenommene Geräusche wird das Trommelfell in Schwingung versetzt, woraufhin es zur Bewegung der Gehörknöchelchen kommt. Die Schwingungen werden in mechanische Impulse transformiert, welche schließlich die Gehörnerven im Innenohr erreichen und stimulieren. 
Tiefe Töne nehmen Menschen besser wahr, hohe Töne wiederum können Pferde besser hören. Sie sind sogar in der Lage, Töne im Ultraschallbereich aufzunehmen. „Besonders gut hören Pferde im Bereich von 60 bis 70 Dezibel. Als Fluchttier ist es für das Pferd wichtig, etwa auf leise Knackgeräusche in Sekundenschnelle zu reagieren. Es sind kurze Töne, die sie besonders erschrecken. Langsames Sprechen wirkt dagegen beruhigend und übt normalerweise keine derartige Wirkung aufs Pferd aus. Auch eine recht tiefe Stimme nehmen Pferde meist ruhiger wahr als schrille Töne“, erläutert Zeitler-Feicht.

Verletzungen durch Bisse und Risse

Verletzungen am Ohr können durch Bisswunden, aber auch durch Quetschungen oder Risswunden relativ leicht entstehen. Besonders leicht entstehen Letztere auf der Weide, wenn das Pferd etwa an einer Litze hängenbleibt. Auch daher sind regelmäßige Kontrollen auf Schäden im Stall und auf der Weide unerlässlich.

Gerade bei Bissen können diese auch so weit gehen, dass ein Teil des Außenohres abreißt. Durch die Tatsache, dass nur die äußere Haut auf dem direkt darunter befindlichen Knorpel liegt, wird dieser häufig freigelegt. Hier liegt die Krux, denn der Knorpel kann ohne Versorgung durch Haut und Gefäße absterben. So ist es wichtig, die Haut durch den Tierarzt rasch annähen zu lassen. Doch meist verlaufen Ohrverletzungen glimpflich und heilen auch ohne weitere Intervention ab.

Juckreiz und Headshaking

Headshaking kann seine Ursache in einem deutlichen Juckreiz im Ohr haben. Meist ist es aber dauerhaftes Scheuern der Ohren an den Vorderbeinen oder auch Gegenständen und Bäumen, welches einen Hinweis auf Juckreiz darstellt. Der Grund für den Reiz kann eine Entzündung ebenso sein wie der Befall mit Fliegen und Milben. Juckreiz kann auch ein Hinweis sein auf eine geschwächte Immunabwehr des Pferdes.

Wenn Juckreiz auftritt, gilt es zunächst die Ursache herauszufinden. Die professionelle Reinigung des Ohres kann Abhilfe schaffen. Gegen Milben werden entsprechende antiparasitische Mittel eingesetzt. Fliegenkot im Ohr lässt sich auch durch den Pferdehalter selbst mithilfe eines Wattebausches und Babyöl entfernen. Wichtig ist, dass man dabei äußerst vorsichtig an dem empfindlichen Organ vorgeht. Dünn aufgetragene Ringelblumensalbe kann gegen Insektenstiche hilfreich sein.

Mehr Informationen finden Sie in der Mein Pferd 11/23.