Text: Aline Müller             Foto: Pferdefotografie Lafrentz

Lange galt Arthrose als unheilbar. Doch neuere Behandlungsmöglichkeiten und Erkenntnisse machen Hoffnung. So ist mittlerweile klar, dass Knorpel sich durchaus bis zu einem gewissen Grad regenerieren kann und sowohl Haltung als auch Fütterung den gesamten Bewegungsapparat beeinflussen

Mit einer Seelenruhe geht Gilbert Grape auf den Hänger und nimmt genüsslich einen Bissen aus seinem Heunetz. Vorne im Auto am Spiegel hängen zwei goldene Schleifen. Der zwölfjährige Wallach ist ein echter Schleifensammler und liebt es, im Parcours zu sein. Mit gespitzten Ohren meistert er Sprung für Sprung mit seiner jungen Reiterin und gibt ihr als Lehrpferd Sicherheit. Zu Hause steht er in einer großen Paddockbox und kommt jeden Tag mit seinen Kumpels auf die Weide. Doch vor ein paar Wochen bemerkt seine Besitzerin Sarah, dass sich Grapy – so der Spitz- name des Wallachs – immer steifer bewegt. War der Galopp sonst seine Lieblingsgang- art, fällt es ihm jetzt schwerer und schwerer anzugaloppieren. Er kommt nicht mehr so leicht in die Gänge, stolpert ab und zu und zeigt schließlich auch Taktfehler. Am nächsten Tag geht Grapy wieder nahezu klar, doch wenig später treten die Symptome erneut auf. „Es war, als wüsste Grapy selbst nicht, was mit ihm geschieht. Er wirkte be- müht, aber er konnte einfach nicht mehr laufen wie früher“, erinnert sich Sarah. „Ich dachte zuerst, er hätte sich auf der Weide vertreten, weil er gerne mit den anderen Pferden spielt.“

Langsam einschleichende Symptome

Grapy bekommt eine Auszeit und wird dann langsam wieder antrainiert. Doch sein Gangbild verbessert sich nicht. Ganz im Gegenteil: Vor allem das rechte Hinterbein scheint ihm nun auch stärkere Schmerzen zu bereiten. „Jetzt war uns klar, dass es doch etwas Schlimmeres sein muss, also sind wir direkt in die Klinik gefahren“, sagt Sarah. Auf die klinische Untersuchung folgt eine röntgenologische. Diese zeigt deutliche Veränderungen an der Knochenstruktur. Schnell steht die Diagnose Arthrose fest. Damit hat die junge Springreiterin nicht gerechnet: „Grapy war so gut in Form und mit seinen zwölf Jahren doch noch kein Rentner.“ Dass sich die Symptome langsam einschleichen, ist für eine Arthrose nicht untypisch. Von einer generellen Bewegungsunlust über eine verlängerte Aufwärmphase bis hin zu Veränderungen in Bezug auf die Stimmung beziehungsweise die Psyche: Manche Vierbeiner mit Arthrose werden immer introvertierter bis hin zur Apathie, andere wenden sich von Artgenossen ab oder greifen diese sogar an. Auffällig bei Grapy ist, dass er sich häufiger hinlegt, um die betroffenen Gelenke zu entlasten. Allerdings fällt ihm das Aufstehen schwer. „Manchmal hat er morgens sogar sein Kraftfutter nicht gefressen, um liegen zu bleiben“, beschreibt Sarah die Situation. Ihr fällt auf, dass sich ihr Wallach bei kaltem und nassem Wetter schlechter bewegen kann als bei warmem und trockenem Wetter.

Die Rolle des Knorpels

Arthrose ist eine chronisch-degenerative Gelenkerkrankung – also eine durch chronischen Verschleiß bedingte Erkrankung. Dazu ein kleiner Exkurs in die Anatomie: Gelenke sorgen dafür, dass die Knochen des Pferdeskeletts beweglich sind. An den Stellen, an denen Knochen aufeinandertreffen, sind die Enden mit einer dünnen Knorpelschicht überzogen. So können die Knochenenden reibungslos übereinander- gleiten und Bewegung ermöglichen. Eine weitere wichtige Rolle spielt die Gelenkflüssigkeit, auch Synovia genannt. Sie schmiert die Gelenke, dämpft Stöße und sorgt ebenfalls für Beweglichkeit. Gleichzeitig versorgt sie den Knorpel mit Nährstoffen. Bei einem Skelett denken viele Menschen einfach nur an eine harte Knochenmasse, die nicht wirklich lebendig ist. Dabei gibt es sehr wohl einen Knochenstoffwechsel, unter dem biologische Prozesse verstanden werden, die am Umbau der Knochensubstanzen beteiligt sind. Das Gleichgewicht zwischen Knochenauf- und abbau ist Voraussetzung für die Knochengesundheit. Wiederum ist das Knorpelgewebe wie ein bindegewebiges mikroskopisches Netz aus Proteinfasern. Der Knorpel ist vollständig von der Gelenkflüssigkeit durchtränkt. Wobei das Knorpelgewebe die Fähigkeit besitzt, Wasser zu binden, was zentral für seine Funktion im Gelenk ist. Über das Schwamm-Prinzip wird der Knorpel versorgt: Regelmäßige Be- und Entlastung des Gelenks sorgt dafür, dass die Nährstoffe in den Knorpel gepumpt werden. Eine nicht ausreichende Versorgung des Knorpels oder eine Schädigung sorgt dafür, dass er sich stärker abreibt. Daraufhin reagiert der Knochen, sozusagen um die Situation „zu retten“. Er wird dichter und härter, um das Gelenk zu stabilisieren. Es kann zu knöchernen Zacken an den Rändern kommen. Zu den langfristigen Folgen zählen eine Verengung des Gelenkspaltes sowie eine Versteifung des Gelenkes.

Von der Aufzucht bis zum Training

Viele denken, dass Arthrose wie bei Menschen hauptsächlich die älteren Generationen betrifft. Im Bewegungsapparat finden abbauende Prozesse statt, und die Gelenke verschleißen. Doch die Ursachen der Erkrankung sind vielseitig, so dass auch bei jüngeren Pferden Symptome auftreten können. So kann eine plötzliche Gelenkentzündungen, wie eine akute Arthritis, die nicht oder nur unzureichend behandelt wurde zu einer Arthrose führen.

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