Text: Inga Dora Schwarzer Foto: www.Slawik.com
Das Pferd lahmt, und der Tierarzt findet keine Ursache? Dann handelt es sich oft um eine Zügellahmheit. Durch zu harten Zug am Zügel wird der Vierbeiner an einer korrekten Vorwärtsbewegung gehindert. Wie die daraus entstehenden Taktunreinheiten die gesamte Biomechanik negativ beeinflussen und was Sie dagegen tun können, erklärt Expertin Maike Knifka
Wer erinnert sich nicht an seine erste Fahrstunde? Mit vollem Elan steigt man in den Wagen – und dann würgt man zunächst den Motor beim Anfahren ab und ruckelt sich 45 Minuten lang durch die Gänge. Theoretisch ist einem der Schaltvorgang klar, doch gefühlvoll den Druck auf dem Kupplungspedal zu reduzieren, damit die beiden Kupplungsscheiben nicht reibend aufeinandertreffen und die Leistung des Motors bremsen, ist anfangs eine Herausforderung.
Entscheidend ist vor allem der Schleifpunkt, der die Energieversorgung des Motors beschreibt. Ist er erreicht, muss der Fahrer zusätzlich den rechten Fuß von der Bremse nehmen und zum Gaspedal wechseln. Zu viel Gas jedoch lässt den Motor unnötig hochdrehen, so dass Schäden an den Kupplungsscheiben entstehen. Zu wenig Gas lässt das Auto stottern. Am Schleifpunkt scheiden sich daher auch die zwei Grundfahreigenschaften des Gasgebens und des Bremsens.
Gestörtes Gangbild
Ähnliches gilt für das Reiten. Alle reiterlichen Hilfen, vor allem aber die verhaltenden Zügel- und vorwärts treibenden Schenkelhilfen, müssen gut aufeinander abgestimmt sein und harmonisch ineinandergreifen, damit es nicht zu Unregelmäßigkeiten im Bewegungssystem des Pferdes kommt. „Natürlicherweise gehen gesunde Pferde mit allen vier Gliedmaßen geregelt und damit im Takt. (…) Die Regelmäßigkeit der Gänge ist gegeben, wenn nicht nur der Rhythmus bzw. die Frequenz der Fußung gleichbleibend sind, sondern die Fußung auch räumlich im Gleichmaß ist“, heißt es in den Richtlinien für Reiten und Fahren, Band 1. Beginnt der Vierbeiner jedoch ein gestörtes Gangbild mit Taktunreinheiten – ähnlich dem Stottern eines Autos – zu zeigen, steht oft die Diagnose Zügellahmheit im Raum.
„Eine Abgrenzung zwischen Taktunreinheit und Zügellahmheit ist insofern wichtig, als dass zu allererst professionell abgeklärt werden muss, ob ein strukturelles Problem besteht (z.B. Hufrollenentzündung, Arthrose, Fesselträgerschaden, Muskelverletzungen, nervale Störungen). Hierzu zählen auch schlecht bearbeitete Hufe, unpassende Beschläge sowie Zahnprobleme“, erklärt Maike Knifka, Leiterin des „Lehrinstitut für Osteopathie und physiotherapeutisches Training am Pferd“ aus dem niedersächsischen Thomasburg.
Es gibt außerdem Befunde, die tierärztlich behandelt werden müssen und sich nur oder deutlicher zeigen, wenn das Pferd unter dem Sattel geht. „Dazu gehören die Diagnose Kissing Spines ebenso wie ein sich entwickelndes Hufgeschwür, das beispielsweise nur in Biegungen durch einseitige Mehrbelastung einer Gliedmaße zu erkennen ist“, so Knifka weiter. Eine „reine Zügellahmheit“ besteht für sie nur dann, wenn keine strukturellen Schädigungen gefunden wurden und das Pferd dennoch beim Reiten Taktfehler oder -unreinheiten zeigt.
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