Text: Aline Müller            Foto: www.Slawik.com

Dehnungshaltung, Vorwärts-abwärts und Zügel-aus-der-Hand-kauen-Lassen. Was haben diese Begriffe miteinander zu tun, und vor allem: Wie sieht ein korrektes Reiten dieser Übungen aus? Katharina Möller und Claudia Weingand haben sich intensiv mit dem Thema Dehnungshaltung auseinandergesetzt

Vor rund 55 Millionen Jahren zogen kleine, laubfressende Urpferdchen durch die Wälder. Mit dem Wandel des Klimas änderte sich auch die Vegetation und damit das Nahrungsangebot. Pferde wurden zu Grasfressern. Das Futter war in Bodennähe zu finden. Auch unsere heutigen Pferde sind von Natur aus Dauerfresser, die sich eigentlich viele Stunden am Tag mit tiefem Kopf und Hals vorwärts bewegen. So verbringen freilebende Pferde rund die Hälfte bis zu drei Viertel ihrer Lebenszeit damit, mit dem Kopf in der Fresshaltung dicht über dem Boden zu grasen. Evolutionär bedingt, hat sich der Organismus optimal an diese Lebensweise angepasst. Von den Zähnen und Verdauungsorganen über die Anatomie des Bewegungsapparates bis hin zur Psyche. Wenn wir physiologisch reiten wollen, also die natürliche, gesunde Bewegungsweise unserer Vierbeiner so wenig wie möglich durch unsere Einwirkung stören wollen, müssen wir die Natur des Pferdes kennen und berücksichtigen. Das heißt auch, „das Pferd gemäß seiner natürlichen Anlagen zu trainieren und es trotz der Reitnutzung eben nur auf eine Weise zu belasten, die ihm entspricht“, sagen Katharina Möller und Claudia Weingand, die sich eingehend mit dem Thema Dehnungshaltung auseinandergesetzt haben. Hingegen führten unphysiologische Belastungen durch unnatürliche Bewegungsweisen zu Stress und Verschleiß.

Weideschritt und Zwanglosigkeit

„All diese Vorteile des ‚Weideschrittes‘ finden sich wieder im reiterlichen Fachbegriff der Zwanglosigkeit“, so unsere Expertinnen. Diese zeige sich beim Reiten mit hingegebenem Zügel: Der Reiter fasst die Zügel an der Schnalle, lässt sie also maximal lang, dadurch ist das Pferd in seiner Kopf-Hals-Haltung völlig frei. „Der Reiter lässt sich einfach passiv tragen und steuert das Pferd möglichst ausschließlich über Gewichts- und gegebenenfalls impulsartige Schenkelhilfen, ohne es in seiner Haltung zu beeinflussen“, erläutern Katharina Möller und Claudia Weingand. „Ein zwangloses Pferd darf den Hals auch gänzlich hängen lassen, also gegebenenfalls mit der Nase am Boden gehen, wird jedoch auch immer mal wieder beiläufig in der Gegend umherschauen und zeigt im Schritt die natürliche Nick- und Pendelbewegung des Halses.“ In dieser Haltung bewegt sich das Pferd ohne besonderen Ausdruck in den Bewegungen. Unabhängig von der Halshöhe handelt es sich noch nicht um eine sinnvolle Dehnungshaltung, jedoch ist die Zwanglosigkeit eine wichtige Voraussetzung, um sie zu erreichen. In freier Wildbahn springt in der Regel kein Reiter für eine Stunde täglich auf den Rücken des Pferdes, und die Vierbeiner stehen auch nicht in Boxen. Pferde sind nicht zum Gerittenwerden geboren. Daher ist es Aufgabe des Reiters, für die Gesunderhaltung seines Partners zu sorgen.

Am besten in leichter Dehnung

Das Pferd braucht nicht nur eine gewisse Stabilität, sondern auch Mobilität. „Das Reiten in korrekter Dehnungshaltung vereint einerseits Muskeltraining, damit der Brustkorb nebst Reitergewicht in die trainierten Rumpfträger hineinschwingt, anstatt die Extremitäten zu verschleißen“, erklären Katharina Möller und Claudia Weingand. Andererseits trainiere es die ventrale Kette, welche die Wirbelsäule von unten stütze und damit unter anderem den Übergang zwischen Hals- und Brustwirbelsäule (Cervicothorakaler Übergang – CTÜ) entlaste. Damit das Pferd dabei die Oberlinie entspannen und über den Rücken schwingen kann, ist ein gewisses Maß an Zwanglosigkeit nötig. In leichter Dehnung arbeitet Muskulatur am besten. „Vereinfacht gesagt, kommt es dabei zu einer schrittweisen Verkürzung der Muskelfasern“, so unsere Expertinnen.

Den gesamten Artikel mit vielen weiteren Informationen finden Sie in der April- Ausgabe der Mein Pferd.