Text: Aline Müller             Foto: Trio Bildarchiv/ Lisa Päffgen

Reiten ist ein anspruchsvoller Sport und fordert sowohl den Kopf als auch den Körper. Mit den Übungen aus dem Mobility-Training können Sie lernen, Ihr von Natur aus gegebenes Bewegungsspektrum immer besser auszuschöpfen. Das verhilft Ihnen zu einem lockeren Sitz bei gleichzeitig ausreichender positiver Körperspannung

Der Mensch ist das Lebewesen mit dem größten Bewegungsspektrum auf der Welt. Das hängt auch mit unserem Gehirn zusammen: Wir verfügen über außerordentliche motorische Fähigkeiten. Unser Körper ist vielfältig und komplex für Bewegungen sowie Beweglichkeit konstruiert. Doch wir sind uns dessen oft gar nicht bewusst. Wir führen im Alltag häufig ähnliche Bewegungen aus oder verharren regelrecht in bestimmten Positionen. Tagsüber sitzen wir vor Bildschirmen, und selbst im Gehen richten wir den Blick immer wieder nach unten auf das Display des Smartphones. Fehlhaltungen und daraus resultierende Schmerzen im Bereich des Nackens, der Schultern oder des Rückens sind vorprogrammiert. Wir eignen uns bestimmte Bewegungsmuster durch Wiederholung an – unabhängig davon, ob diese gut für uns sind oder nicht. Das kann zum Beispiel das Neigen des Kopfes zu einer Seite beim Telefonieren sein. Irgendwann sitzen wir womöglich schon automatisch mit einem schiefen Kopf vor dem Computer.

Vom Alltag in den Sattel

In der Reitstunde fordert unser Trainer uns ständig erneut auf, den Kopf gerade zu halten. Uns will das aber einfach nicht gelingen. Frust macht sich breit, und so sehr wir uns auch anstrengen, wir schaffen es nicht lange, den Kopf locker und mittig zu tragen. Das hat gute Gründe: Bewegungsmuster aus dem Alltag nehmen wir mit in den Sattel. Den halben Tag mit Fehlhaltungen herumzulaufen und dann von sich zu erwarten, eine Stunde im Sattel völlig perfekt zu sitzen, ist zu viel gewollt und nicht realistisch. Manche Probleme lassen sich zudem auch nur schwer oder gar nicht im Sattel lösen. Hier kann Mobility-Training eine echte Bereicherung sein. Durch gezielte Übungen kann die spezifische Leistung in jeder Sportart verbessert werden. Ob es nun um Beweglichkeit, Koordination oder Kraft geht – die optimale Mobilität verbessert immer auch die Effizienz. Es geht darum, die Grundqualität von Beweglichkeit und Koordination zu erhöhen. Wobei der Fortschritt zählt und nicht die Perfektion. „Alles, was wir im Mobility-Training tun, geschieht konsequent aus der Perspektive des Gehirns und seiner Mechanismen“, erklärt Patrick Meinart in seinem Mobility-Handbuch. Diese Sichtweise beziehe sich auf den gesamten Körper und auf sämtliche Gelenke – nicht nur die, die beim Sport besonders belastet werden, wie Knie, oder solche, die gerade Probleme machen. „Optimale oder mindestens gute Beweglichkeit ist generell Voraussetzung für Gesundheit und schmerzfreies Funktionieren“, so der Experte. „Es ist erstaunlich, wie Gelenke über Nervenverbindungen und Gehirnsignale miteinander in Verbindung stehen.“

Vom Daumen ins Knie

Woran denken Sie, wenn Sie von Bewegung beim Menschen sprechen? Meist ist die Vorstellung an den Körper, an Arme, Beine, Knochen, Gelenke und Sehnen gebunden. Allerdings laufen alle unsere Bewegungen auch als Muster im Gehirn ab. Diese Muster lassen sich sogar allein durch das Vorstellen einer Bewegung aktivieren. Die Schaltzentrale für unsere motorischen Fähigkeiten liegt also im Kopf. Dabei gilt es auch, Zusammenhänge im Körper zu erkennen. Eine Dysfunktion in einem kleinen Gelenk (wie dem Daumengrundgelenk) kann sich negativ auf die Leistung in den großen Gelenken (wie dem Kniegelenk) auswirken. Möglicherweise mindert das beispielsweise die Leistung während einer einfachen Kniebeuge. Bewegungen lernen wir bereits intuitiv vor unserer Geburt. „Das intuitive Lernen gilt für die meisten Bewegungen und für die gesamte Lebensdauer“, sagt Patrick Meinart. Kinder ziehen sich wieder und wieder an einem Sofa hoch, balancieren später auf Baumstämmen oder klettern auf dem Spielplatz. Keinem Kind ist dabei die Komplexität der ausgeführten Bewegungen beziehungsweise des Lernprozesses bewusst.

Mehr Informationen zu diesem Thema finden Sie in der aktuellen Mein Pferd- Ausgabe.

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