Interview: Lara Wassermann     Foto: www.Slawik.com

Der Frühling steht in den Startlöchern, und die Natur lockt mit blühenden Bäumen und grünen Wiesen. Zeit also, die ersten Ausritte zu starten. Wäre da nicht die Angst vor möglichen Stürzen und fehlender Kontrolle über das eigene Pferd. Wir haben mit Angstcoach Eva Weinmayr gesprochen, wie wir diesen Teufelskreis durchbrechen können

Mein Pferd: Warum ist gerade das Ausreiten für viele Reiter so angstbesetzt?

Eva Weinmayr: Bei Angst spielen Sicherheit und Kontrolle eine elementare Rolle. Für viele Reiter bedeuten die eigenen vier Wände oder auch der Zaun um den Außenplatz und erst recht die Reithalle mehr Kontrolle und Sicherheit. Bei einem Ausritt hingegen spielen viele unberechenbare und unkontrollierbare Faktoren eine Rolle. Der Verkehr, zu dicht heranfahrende Autos, Radfahrer, Hunde sowie andere Reiter und deren Verhalten lassen sich nicht kontrollieren. Sehr oft haben die Pferde im Gelände außerdem mehr Lauffreude, wovor viele Reiter Angst haben. Der Moment, in dem das Pferd Eigenwillen entwickelt, macht ihnen schon in der Halle oder auf dem Außenplatz Angst. Andere hatten schon Unfälle beim Ausreiten. Wenn das Pferd einmal durchgegangen oder der Reiter runtergefallen ist, kann sich das sehr tief eingebrannt haben.

Nicht jeder Sturz vom Pferd und nicht jede unkontrollierbare Situation mit dem Pferd hinterlässt automatisch Angst, aber unser Gehirn speichert Momente, in denen wir die Kontrolle verlieren, anders als alltägliche. Das kann dann dazu führen, dass die Erinnerungen an diese Situation unkontrolliert hochkommen und wir sie wieder erleben. Und das kann auf allen Kanälen passieren oder auch nur auf einzelnen. Es tauchen Bilder auf von dem verstörenden Moment, und der Körper reagiert; meistens sehr ähnlich wie damals oder mit Erstarrung. Nach dem Erlebnis, wie zum Beispiel Durchgehen oder Bocken, taucht entweder direkt danach oder auch erst etwas später die Angst auf. Wenn die Reiterin dann nach einer Weile wieder versucht auszureiten, kommen dann plötzlich die Bilder des Erlebnisses zurück, und die Angst äußert sich dann in körperlichen Symptomen.

Was sind die häufigsten Fehler, die Reiter beim Ausreiten oder schon vorher machen?

Augen zu und durch – sich immer wieder durch die Angst hindurchzuzwängen. Nach dem Motto: „Ich stelle mich meiner Angst, dann wird sie schon kleiner.“

Dadurch erreicht die Angst allerdings oft ein schwer bis nicht mehr erträgliches Maß, was in der Regel zu zwei Szenarien führt: Man bricht ab, weil die Angst so groß wird, dass sie nicht mehr aushaltbar ist, was zu einer Verstärkung der Angst führt, da mit dem Verlassen der Situation oft auch die Anspannung nachlässt, kann dies als Belohnung für das Gehirn gesehen werden. Es wirkt also wie eine Bestätigung für unser Gehirn, dass die Situation wirklich gefährlich war, was die Angst dann verstärkt. Das zweite Szenarium ist, dass der Reiter es schafft, trotz starker Angst in der Situation zu bleiben, was dann aber oft zu einem Phänomen führt, das man Dissoziation nennt. Es ist wie ein Nebel im Gehirn, die Realität verändert sich und fühlt sich anders an. Das ist ein guter Schutzmechanismus der Psyche. Wenn Dinge unerträglich werden oder die Angst ein gewisses Maß überschreitet, kann die Psyche sich vom Bewusstsein abspalten. Das führt aber meist nur dazu, dass die Angst noch größer wird. Und nicht zu vergessen, in diesem Zustand fällt es schwer, noch klar zu denken und schnell zu reagieren, was gefährliche Situationen herbeiführen kann.

Ein weiterer Fehler ist, sich nicht zu erlauben abzusteigen. Absteigen ist in Ordnung! Oft folgen Pferde dem Reiter am Boden entspannter. Oft fühlt sich auch der Reiter am Boden sicherer, was automatisch zu einer Entspannung des Pferdes führt.

Angst ist ein wichtiger Schutzmechanismus und warnt und schützt uns vor Unfällen. Manchmal stammen die Ängste aus der Vergangenheit. Zu unterscheiden, ob die Angst der Situation oder der Vergangenheit zuzuschreiben ist, ist oft nicht einfach, aber doch sehr wichtig.

Um dies zu schaffen, hilft es, die Situation von außen zu betrachten. Eine einfache Übung für zu Hause: Stellen Sie sich vor, Sie schauen sich selbst beim Reiten zu. Versuchen Sie, aus der Distanz zu beurteilen, ob es in Ordnung ist und ob es sicher ist. Wenn ja, ist das ein Zeichen dafür, dass die Angst aus der Vergangenheit kommt.

Wenn Sie die Situation im Nachhinein betrachten: Sind Ihre Gefühle in der jeweiligen Situation angemessen? Wenn sie stärker waren, ist das auch ein Zeichen dafür, dass Ihre Ängste aus der Vergangenheit wieder auftauchen. Ein weiterer Fehler ist zu viel Druck. Druck erzeugt Gegendruck. Je mehr Druck ich also auf mich selbst ausübe, desto mehr Gegendruck erzeuge ich auch im Inneren. Und natürlich spürt auch mein Pferd diesen Druck. Und das kann sich in Spannung und Schreckhaftigkeit äußern. Ebenfalls unterlassen sollte man „Hauruck-Aktionen“. Vielleicht hat das Pferd in den letzten Tagen nicht so viel Arbeit gehabt wie sonst, es ist Frühling, und alle Pferde sind richtig kernig, vielleicht ist das Pferd schon beim Putzen nervös. Trotzdem unbedingt ausreiten zu wollen und seine Gefühle zu ignorieren führt auch nicht zum Erfolg. Hier muss man den Mittelweg finden: nicht in die Vermeidung rutschen und zeitgleich nicht mit einer Hauruck-Aktion jegliches Bauchgefühl ignorieren.

Mehr Informationen finden Sie in der aktuellen Mein Pferd- Ausgabe.