Text: Dominique Wehrmann         Foto: Jan Tönjes

Wenn ein Sattel auf den ersten Blick gut auf dem Pferd liegt, nirgends drückt, aber trotzdem Halt hat, heißt das noch lange nicht, dass er der richtige ist. Warum das so ist, erläutert die Sattelergonomin Nancy Köpke

Jetzt habe ich gerade den Sattel für teuer Geld aufpolstern lassen, aber Bubi klemmt schon wieder!“ Kennen Sie das? Das liegt möglicherweise daran, dass Ihr Sattler zwar etwas von seinem Handwerk versteht, aber leider nichts von der Biomechanik des Pferdes. Dass ein unpassender Sattel dem Pferd massive Probleme bereiten kann, von Schwellungen über lokale Entzündungen bis hin zu Muskelschwund und Nekrosen (abgestorbenes Gewebe), ist nichts Neues. Aber: Auch passend ist nicht gleich passend. Die Sache mit dem Sattelanpassen kann sich zu einem regelrechten Teufelskreis entwickeln, etwa nach einer Verletzung, wie der von Daylight. Der Sattel liegt nicht mehr wie früher. Der Sattler kommt und passt ihn an, indem er ihn aufpolstert. Im Stand sieht alles wunderbar aus. Auch in Bewegung an der Hand gibt es auf den ersten Blick nichts zu beanstanden. Aber wenn das Reitergewicht hinzukommt, drückt der entsprechend aufgepolsterte Sattel genau auf die Rückenregionen, wo das Pferd eigentlich Muskulatur aufbauen sollte. Mit der Folge, dass genau hier ein „Loch“ bleibt bzw. der Muskelschwund noch verschlimmert wird. Wieder kommt der Sattler und polstert den Sattel auf, denn der liegt ja schon wieder nicht. Das ist fatal! Nancy Köpke kennt solche Fälle: „Man kann den Sattel nicht unentwegt ins Pferd hineinpolstern. Dadurch wird das Pferd immer weniger!“ Darum appelliert die Sattelergonomin, dass das Anpassen immer auch unter dem Reiter erfolgen muss.

Wo liegt das Problem wirklich?

Das hat auch noch einen anderen Vorteil, denn Nancy Köpkes Erfahrung nach kann fehlende Muskulatur am Rücken auch mit dem Reiten zusammenhängen. Das kann der erfahrene Sattler erkennen, wenn er Reiter und Pferd beim Training beobachtet: „Ich sehe immer häufiger, dass Reiter ihre Pferde nicht mehr richtig über den Rücken arbeiten.“ Die Folge: Die Pferde wölben den Rücken nicht mehr richtig auf, die Muskulatur wird schwächer, bis das Pferd den Rücken gar nicht mehr hochbekommt. Kein Sattler der Welt kann dieses Problem lösen. Kein Wunder also, dass Nancy Köpke betont: „Damit ein System funktioniert, also der Sattel gut liegt und das Pferd darunter und der Reiter darin sich wohlfühlen, müssen mehrere Faktoren berücksichtigt werden: Exterieur und Ausbildungsstand des Pferdes, Können des Reiters und Anleitung durch den Trainer.“ Das alles muss der Sattler berücksichtigen, wenn er seine Kunden berät. Und sich dann womöglich auch mal unbeliebt machen, wenn er darauf hinweist, dass das Problem nicht der Sattel als solches ist und auch nicht die „schwierige Sattellage“ des Pferdes, sondern mangelndes Wissen und Können des Reiters. Hier ist Diplomatie gefragt – und (Selbst-)Kritikfähigkeit der Reiter.

Mehr Informationen zu diesem Thema finden Sie in der aktuellen Mein Pferd- Ausgabe.