Text: Alexandra Koch Foto: www.Slawik.com
Über wenige Gebisse wird so viel diskutiert wie über die Kandare. Zu scharf, zu gefährlich oder doch einfach nur ein Werkzeug für eine bessere Hilfengebung? Wir haben uns die Zäumung etwas genauer angesehen
Das Wort „Kandare“ stammt aus dem Ungarischen („kantár“) und bedeutet nichts anderes als „Zaumzeug“. Dies verdeutlicht, dass in vergangenen Jahrhunderten die Zäumung auf Kandare nicht weiter diskutiert wurde. Auf zahllosen alten Gemälden oder den Kupferstichen und Zeichnungen, welche die berühmten Reitmeister des 17. Jahrhunderts an den Höfen in Frankreich und in Italien zeigen, sind die abgebildeten Pferde auf Kandare gezäumt.
Dennoch ist es keineswegs eine „Modeerscheinung“, dass man heute genauer hinsieht und eine Zäumung wie die Kandare infrage stellt. Denn eine Tatsache ist unumstößlich: In ungeübten Händen bzw. falsch angepasst, kann die Kandare dem Pferdekörper Schmerzen und Verletzungen zufügen.
Wir haben daher bei der bekannten Ausbilderin und Dressurreiterin Uta Gräf aus dem südwestdeutschen Bundesland Rheinland-Pfalz nachgefragt, wie ihre Sicht auf das Thema aussieht. Zudem meldet sich die süddeutsche Ausbilderin Sabine Ellinger zu Wort, um ein viel diskutiertes Thema ein wenig zugänglicher zu machen. Denn vor allem kommt es bei dieser Zäumung auf feines Reiten an.
Kein Nonplusultra
Grundlegend versteht man unter der Kandare ein Stangengebiss. Es ist nicht gebrochen und hat dadurch eine starke Hebelwirkung. Ober- und Unterbaum an den Seiten bilden einen Hebel. Bei der klassischen Dressurkandare kommt zur Kandarenstange eine Unterlegtrense hinzu. Es gibt andere Kandaren (Springkandare, Islandkandare …), welche auf die Unterlegtrense verzichten. Bei der klassischen Dressurkandare bildet die Kinnkette einen weiteren Teil der Zäumung. Im Reitsport darf die Kandare ab Klasse L zum Einsatz kommen. Besonders bekannt ist es als Gebiss von Dressurpferden der Klasse S.
Uta Gräf möchte gleich zu Beginn auf ein wichtiges Thema eingehen: die Pflicht zum Reiten mit Kandare in Prüfungen der Klasse S, die in Deutschland nach wie vor besteht. Die FEI hatte diese Pflicht bei Prüfungen 2019 ausgesetzt und bei internationalen Prüfungen bis Zwei-Sterne-Niveau (CDI1* and 2*, CDIO2*) eine Wahlfreiheit zwischen Trense und Kandare erlassen. Für CDI/CDIO3*/4*/5*/U25 besteht die Pflicht bei internationalen Prüfungen allerdings nach wie vor.
In der Schweiz ist beispielsweise in der kleinen und großen Tour in Klasse S sowie auf L- und M-Niveau die Wahlfreiheit zwischen Kandare und Trense gegeben (Dressur-Reglement der FNCH: „Zäumung für die Prüfungen der Stufen L, M und S (kl. u. gr. Tour) wahlweise Trensen (exkl. Unterlegtrense) oder Kandarenzäumungen“).
„Diese Wahlmöglichkeit finde ich am Reglement in der Schweiz und anderen Ländern wie Luxemburg und Österreich sehr gut“, erklärt Gräf. „Da sind sie echte Vorreiter, denn warum sollte man jedes Pferd zwangsläufig auf Kandare reiten müssen? Einige gehen auf Trense deutlich besser. Die Kandare ist kein Nonplusultra für das Reiten in den höheren Klassen! Wichtig ist aber, dass es keine Differenzierung in der Notenverteilung geben darf. Es darf kein Vorteil sein, wenn man auf Kandare oder Trense reitet. Das muss exakt gleich bewertet werden – und dann sehe ich keinen Hinderungsgrund, dem Reiter diese Wahlfreiheit zu überlassen!“
Den kompletten Artikel finden Sie in der aktuellen Mein Pferd- Ausgabe.