Text: Aline Müller         Foto: www.Slawik.com

Manche Wissenschaftler halten das menschliche Gehirn für das komplexeste Gebilde des Universums. Auch im Reitsport wird die Funktion dieses einzigartigen Organs immer häufiger thematisiert. Wenn wir die Gemeinsamkeiten, aber auch die Unterschiede zwischen dem Gehirn des Menschen und dem des Pferdes kennen, können wir die Kommunikation verbessern und ein ganz neues Verständnis schaffen

Ob im täglichen Umgang oder beim Training – wir erwarten oft ganz selbstverständlich, dass unsere Pferde die menschliche Welt und uns verstehen. Weltweit werden heutzutage etwa 60 Millionen Pferde gehalten. Alleine in Deutschland gibt es laut einer Studie der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) knapp drei Millionen aktive Reiter. Dabei finden ganz unterschiedliche Pferd-Reiter-Paare zusammen. Wer nun da- von ausgeht, dass jeder Vierbeiner nahezu von Natur aus weiß, was ein Mensch denn gerade von ihm möchte, der setzt voraus, dass beide Spezies die Welt ähnlich sehen und ähnlich denken. Klar, beide besitzen ein Gehirn, und genau das beeinflusst auch den Erfolg der Beziehung. Das Denkorgan kontrolliert jedes Verhalten: vom Blinzeln bis zum Bocken. Wer mit seinem Pferd ein gutes Team bilden möchte, sollte sich daher mit der Gehirnfunktion beschäftigen.

Besser als ein Supercomputer

Das Gehirn ist ein komplexes und überaus effizientes Organ zur Informationsverarbeitung. Es ist ständig in Bewegung und hat ähnlich viele Rechenelemente wie die größten Supercomputer, braucht jedoch rund eine Million Mal weniger Energie. Außerdem lernt es ständig dazu. Auf engstem Raum sind rund 1.000 Milliarden Nervenzellen zu einem Netzwerk verbunden. Kein Wunder, dass manche Wissenschaftler das menschliche Gehirn für das komplexeste Gebilde des Universums halten. Wie die Zellen des Gehirns genau Informationen verarbeiten, also wie sie beispielsweise lernen oder sich erinnern, wird immer noch rege erforscht. Die Arbeitsweise des Denkorgans zu kopieren, ist bisher nicht gelungen. Ein Gehirn lässt sich nicht einfach durch einen Computer nachbauen und bleibt so zum Teil immer noch eins der ewigen Geheimnisse der Menschheit. Im Reitsport wird gerade erst damit begonnen, die Wissenschaft über die Gehirnfunktionen (die Neurophysiologie) häufiger zu berücksichtigen. „In der Vergangenheit wurden Pferd und Reiter hauptsächlich nach dem Prinzip von Versuch und Irrtum sowie durch gezielten Unterricht ausgebildet“, schreibt Janet L. Jones in ihrem neuen Buch „Horse Brain, Human Brain“. „Man setzte sich ein Ziel für das Pferd, probierte verschiedene Methoden aus, um es zu erreichen, und nutzte diejenigen, die funktionierten. Diese ausgewählten Methoden gaben die Trainer dann an andere Reiter weiter.“ Doch das Arbeiten nach Versuch und Irrtum bedeutet auch, dass eine Menge Fehler passieren können. So besteht jedes Mal das Risiko, dass das Pferd etwas lernt, was es eigentlich nicht lernen sollte. Das unerwünschte Verhalten muss schlussendlich wieder abtrainiert werden, was nicht nur schwierig, sondern teilweise sogar gefährlich sein kann, zum Beispiel weil es das Pferd irritiert oder sogar verärgert.

Reiten gegen das Gehirn

Wenn Mensch und Pferd zusammentreffen, begegnen sich zwei Individuen – mit unterschiedlicher Herkunft, verschiedenen Erfahrungen, mit Stärken, aber auch Schwächen. Selbst Zwillinge erleben im Alltag unterschiedliche Situationen und machen dadurch unterschiedliche Erfahrungen. „Deshalb kann eine Trainingsmethode, die für das eine Pferd-Reiter-Team sehr gut funktioniert, für das nächste Team problematisch oder nutzlos sein“, betont Janet L. Jones. „Dazu kommt die Tatsache, dass einige Trainingstechniken nicht so einfach gelernt und gelehrt werden können, wie wir das gern hätten.“ Wenn Ihnen ein Trainer sagt, wie Sie die Hände zu halten oder die Beine zu bewegen haben, können Sie die Anweisungen immer sofort umsetzen? Oder kennen Sie die Situationen, in denen Sie denken „Ich versuche es ja und weiß, was ich machen soll, aber mein Körper will es nicht richtig umsetzen“? Es braucht viele Versuche und Wiederholungen, um ein gut ausgebildeter Reiter zu werden und um ein Pferd entsprechend gut zu trainieren. „Allzu oft versagen die gewählten Techniken und Methoden im Hinblick darauf, wie das Gehirn funktioniert und arbeitet“, gibt unsere Expertin zu bedenken. So können wir Pferde bis zu einem gewissen Grad dazu bringen, sich einem angstauslösenden Objekt zu nähern, doch diese Methode arbeitet eigentlich genau gegen die Hirnfunktion des Pferdes statt mit ihr. Dieses „Reiten gegen das Gehirn“ geschieht häufiger, als wir denken.

Den gesamten Artikel finden Sie in unserer aktuellen Mein Pferd- Ausgabe.

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