Text: Inga Dora Schwarzer      Foto: www.Slawik.com

Menschliche Emotionen beeinflussen das Verhalten der Pferde. Sie zeigen eine erhöhte Alarmbereitschaft, wenn es der Mensch tut – und zwar ohne den Grund dafür zu kennen

Zeichen erkennen

„Bestimmt kennen Sie auch das ein oder andere Beispiel, in dem ein eben noch nervöses Pferd nach einem Reiterwechsel plötzlich scheinbar lammfromm läuft. Der Einfluss unbewussten menschlichen Verhaltens auf das Verhalten des Pferdes istnicht zu unterschätzen. Pferde lernen über die Jahre, uns immer besser zu „lesen“ und auf immer feinere Signale zu reagieren. Man könnte manchmal fast meinen, dass sie unsere Gedanken lesen könnten; dabei erkennen sie lediglich subtile Zeichen, die wir unbewusst aussenden“, schreiben Prof. Dr. Konstanze Krüger und Dr. Isabell Marr in ihrem Buch „Forschung trifft Pferd“. Das zeigt eine Studie der schwedischen Professorin Linda J. Keeling und ihrem Team aus dem Jahr 2009:

Ablauf der Testsituation

Menschen wurden wiederholt mit ihren Pferden auf eine 30 Meter lange Strecke geschickt, auf der das Pferd geführt oder geritten wurde. Die Herzfrequenz von Pferd und Reiter wurde gemessen und das Verhalten beobachtet. Vor dem vierten Durchgang wurde den Probanden erzählt, dass ein Regenschirm geöffnet werden würde, um eine für das Pferd potenziell beängstigende Situation zu schaffen. Der Regenschirm wurde aber nie geöffnet – trotzdem erhöhte sich die Herzfrequenz der Personen.

Die Erwartung, dass der Regenschirm sich öffnen würde, sorgte für mehr Nervosität. Die Pferde konnten nichts von dem angeblichen Regenschirm wissen, dennoch stieg auch ihre Herzfrequenz deutlich an.

Natürliches Anpassungsverhalten

Dieser Versuch zeigt, dass Pferde feine Alarmsignale an Menschen wahrnehmen und darauf reagieren. Dies ist ein natürliches Anpassungsverhalten, welches das Fluchttier Pferd vor Gefahren schützt und das Überleben sichert, denn ein erregtes Pferd ist fluchtbereiter. Ob dies ein erlerntes oder angeborenes Verhalten ist, gilt es in Zukunft weiter zu untersuchen. Es ist auch noch unklar, welche Signale des Menschen das Pferd nutzt, um dessen Nervosität und Angst zu erkennen.

Arbeit an uns selbst

Dieser Sachverhalt zeigt uns, dass die Arbeit mit dem Pferd auch viel Arbeit an uns selbst bedeutet, wenn wir einen unkomplizierten Umgang erreichen wollen. Eine ruhige Arbeitsatmosphäre ist Voraussetzung, damit sich Pferd und Mensch wohlfühlen und der Mensch gegebenenfalls an seinen Ängsten arbeiten und diese abbauen kann. Ein nervöser Mensch sorgt für nervöse Pferde, und nervöse Pferde sorgen dafür, dass der nervöse Mensch noch unsicherer wird – ein Teufelskreis.

Mehr Tipps von den Experten finden Sie in der Mein Pferd Mai- Ausgabe.