In Belo Horizonte, Brasilien, erlebte Andrea Rudolph den Ritt ihres Lebens – gemeinsam mit Schimmelstute Lua nahm sie an der Cavalgada teil, an der nur wenige Frauen teilnehmen, und hatte unglaubliche Ausblicke auf endlose Gebirgslandschaften mit Seen, Wasserfällen und Flüssen
Text und Fotos: Andrea Rudolph

Brasilien und Pferde – da fallen einem sofort die Mangalarga Marchadores ein. Eine Rasse mit nicht sehr großen, aber unglaublich zähen, ausdauernden Pferden, die die „marcha“ beherrschen, eine Art Tölt, der sehr bequem zu sitzen ist. Dass ich das große Vergnügen hatte, sie kennen zu lernen, verdanke ich meiner Tochter, die mit ihrem brasilianischen Ehemann in Belo Horizonte lebt, der Hauptstadt des Bundesstaates Minas Gerais. Marcus, der Onkel unseres Schwiegersohnes, hat uns während unseres zweimonatigen Brasilienbesuchs für eine Woche auf seine Sitio eingeladen, eine kleine Ranch, idyllisch gelegen inmitten von Bergen an einem großen See in der Nähe der Stadt Juiz de Fora. Seine neun Mangalargas, davon drei Fohlen, leben hier auf großen Weiden mit Offenstall. Die Ausritte, die meine Tochter und ich dort unternehmen durften, waren einmalig: die Natur auf dem Rücken eines Pferdes zu erkunden. Wegen der winterlichen Trockenheit bei gleichzeitiger Hitze war die Landschaft eher grau und mittendrin grüne Palmen. Die „Estrada de terra“, also eine Straße ohne Asphalt, aber mit festem Erdboden, führte uns immer wieder zu schönen Ausblicken. Die Pferde waren entspannt und durch nichts aus der Ruhe zu bringen, weich zu sitzen, bei lockerer Zügelführung leicht, fast nur durch Schenkel- und Gewichtshilfen zu reiten – einfach ein Traum!

Und dann traute ich meinen portugiesischen Sprachkenntnissen kaum, als Marcus mich fragte: „Hast du Lust, morgen mit mir auf die ‚Cavalgada‘ zu gehen?“ Claro! Es ging um den jährlichen 28-Kilometer-Tagesritt aller befreundeten Nachbarn der umliegenden Sitios und Fazendas. Beim Treffpunkt auf der Nachbarfazenda musste ich viele Fragen beantworten, wie: „In Deutschland reitet man im Winter aber doch sicher nicht?“, und durfte das unkomplizierte Verladen der 19 Pferde bewundern, die auf eine 90-Kilometer-Reise geschickt wurden. Wir fuhren nach einem „cafézinho“, einem kleinen Kaffee, hinterher und trafen alle anderen in einem Dorf am Fuße einer Gebirgslandschaft wieder. Während die Pferde noch ruhig angebunden im Schatten dösten, darunter auch Lua, „meine“ Schimmelstute, genossen wir Reiter eiskaltes Wasser und Bier, heiße Fleischsuppe und Brötchen. Außer zwei Mädchen war ich die einzige Frau, denn Reiten ist in Brasilien Männersache. Aber alle hatten mich gleich herzlich in ihre Gemeinschaft aufgenommen, und nicht zuletzt dank der wunderbaren Lua konnte ich diesen Ritt einfach nur genießen. Kleine Wälder, riesige Viehweiden, wilde Natur, Zuckerrohrplantagen, Palmen, bergauf, bergab. Die Pferde unermüdlich, trittsicher, einfach nur liebenswert in jeder Beziehung, so dass ich abends kaum müde war. Unterwegs gab es einige Erfrischungspausen und abends am Ziel in einer winzigen Fazenda unter Palmen ein Abschlussgrillen mit Bohnen und Reis, Spaß und handgemachter Musik bis es dunkel wurde und wir ins Bett gingen.
Muito obrigada, Brasilien, für einen unvergleichlichen Ritt! Vielen Dank, Brasilien!


Belo Horizonte, Brasilien auf einem Blick:
Belo Horizonte gehört zu den wich-tigsten Städten Brasiliens; es ist ein bedeutendes Wirtschafts- und Kulturzentrum. Zudem ist Belo Horizonte die Hauptstadt des Bundesstaates Minas Gerais. Der Staat hat ungefähr die Größe von Frankreich, und in ihm lassen sich atemberaubende Wege finden, die zu langen Ausritten einladen. Immer wieder ist der Ausblick geprägt von Seen, Wasserfällen und Flüssen, ebenso wie von wilder Natur, Zuckerrohrplantagen und kleinen Wäldern. Die Erde ist so eisenhaltig, dass feiner roter Lateritboden die Überlandstraßen überzieht und auch Flüsse rotbraun färbt.