Text: Inga Dora Schwarzer           Foto: www.Slawik.com

Ist der Sitz des Reiters gefühlvoll und flexibel, kann er den Pferdebewegungen harmonisch folgen. Das Aussitzen gelingt ohne Anstrengung. Ist er es nicht, heißt es: Raus aus der Komfortzone! Nur wer funktionale Veränderungen im Körper zulässt, findet im Sattel seine ganz eigene Lösung für einen korrekten Sitz

„Es genügt, wenn wir mittig sitzen, der Blick geradeaus gerichtet ist, die Arme angewinkelt sind und die Beine zwanglos am Körper herunterfallen. Mehr Prägung brauchen wir nicht. Es geht beim Reiten nicht um eine Schablone, die man übergestülpt bekommt und ausfüllen muss, sondern viel mehr um das Gefühl. Was zählt, ist das innere Auge. Nur wer dieses schult, erlangt einen geschmeidige, losgelassenen Sitz“, meint Wiemer. Beiden Ausbilderinnen geht es daher nicht um die Verbesserung der Form, sondern um die Verbesserung der Funktionalität.Doch funktionale Veränderungen im Körper fühlen sich oft nicht richtig an. Das Warum ist schnell erklärt: Das Gehirn hat ein Gefühl als „richtig“ abgespeichert, das eigentlich falsch ist, und sich an das falsche Bewegungsmuster gewöhnt. „Ein neu erworbenes Körpergefühl verunsichert die Reiter zunächst, und das Gehirn rebelliert wegen der Veränderung bis hin zur Verzweiflung“, weiß die Bewegungsexpertin.

Doch ein untrügliches Zeichen für mehr Geschmeidigkeit, Feinfühligkeit und Beweglichkeit des Reiters ist das Verhalten des Pferdes. Durch eine gelungene Sitzkorrektur des Menschen zeigt es mehr Losgelassenheit, Zufriedenheit und Vorwärtsdrang. Die Tiere schnauben ab, lassen den Hals fallen und machen größere, freiere und harmonischere Bewegungen. Das Pferd nimmt Veränderungen im Sitz des Reiters stärker wahr und ist deshalb durchlässiger für die reiterlichen Hilfen. Das intensivere Bewegungsgefühl des Reiters lässt außerdem mehr Gleichmaß und Harmonie im gemeinsamen Bewegungsablauf entstehen. „So merkt der Reiter: Fremd ist nicht falsch. Veränderungen sind schwierig und reizvoll zugleich, aber in der Regel immer mit Erfolg gesegnet“, resümiert Wiemer.

Neuartige Bewegungen

Um diese Veränderungen zu erreichen, nutzen die Expertinnen u.a. die Bewegungs- lehre von Sportpädagoge und Buchautor Eckart Meyners (u.a. „Bewegungsgefühl und Reitersitz“, „Wie bewegt sich der Rei- ter?“ und „Das Praxisbuch – Reiten als Dia- log“), der eine Übung in verschiedenen Geschwindigkeiten sowie Radien mit und ohne Kraftaufwand auf dem Boden oder auf dem Pferd ausführen lässt, um dem Körper viele neue sensorische Daten zu vermitteln, die er für das Reiten benötigt.

Auch der Balimo, ein Bewegungsstuhl, mit dem der Reiter dreidimensionale Beckenbewegungen erfühlen kann, (www. balimo.info) und so sein Bewegungsspektrum erweitert, kommt bei Sitzkorrekturen oft zum Einsatz. Mit seiner Hilfe lassen sich ferner Schritt-, Trab- und Galoppbe- wegungen sowie einzelne Lektionen imitieren. „Manchmal haben Körperteile ein sehr solides Eigenleben. Auf dem Balimo lassen sich Probleme isoliert vom Pferdekörper betrachten. Dann fühlt man oft anders“, weiß Wiemer.

Ähnliches gilt für die Franklin-Methode. Dafür werden kleine Bälle und Rollen aus Latex verwendet, die z.B. unter das Gesäß oder die Knie im Sattel geschoben werden. „Man lernt, Körperfunktionen differenziert zu erleben, indem man fühlt, wo im Körper genau Bewegung stattfindet. Dadurch erfolgt eine präzisere Steuerung durch das Nervensystem. Wenn wir dann noch mit Hilfe unserer Vorstellungskraft diese Funktion unterstützen, wird die Beweglichkeit um ein Vielfaches verbessert. Alte Bewegungsmuster werden so durch neue, effizientere ersetzt. Mit bestimmten Übungen kann die neu gewonnene Qualität dann in die Bewegungsabläufe des Reitens integriert werden“, erklärt Trillitzsch.

Diese wird häufig mit den Worten „Ich sitze viel bequemer“, „Ich fließe wie warme Butter“, „Es fühlt sich alles so leicht an“ oder „Ich muss viel weniger Hilfen geben, damit mich mein Pferd versteht“ kommentiert. „Es gibt keine Formulierung, die ein Reitlehrer nutzen könnte, um dieses Körpergefühl beim Reiter mit einer Anweisung zu erzeugen“, ergänzt Wiemer.

Trillitzsch nutzt ferner die Neuroathletik, ein Trainingssystem, das auf angewandter Neurologie und Neuroanatomie basiert, um die Grundlagen der Reittechnik durch gezielte Übungen fürs Gehirn zu verbessern. Die Methode des Erfolgstrainers Marc Nölke trainiert jene Gehirnareale des Reiters, die u.a. für Stabilität, Rhythmusgefühl, Körperwahrnehmung, Gleichgewichtssinn und Bewegungspräzision zuständig sind. Damit sei es möglich, Schwierigkeiten in allen Ausbildungsphasen des Reiters deutlich schneller und effektiver zu beheben, meint sie.

Mehr Informationen zu diesem Thema finden Sie in er aktuellen Mein Pferd- Ausgabe.