Text: Andreas Ackenheil, Rechtsanwalt         Foto: www.Slawik.com

Der Spezialist für 
Pferderecht, Rechtsanwalt Andreas Ackenheil, gibt 
auch in dieser Ausgabe die 
besten rechtlichen Tipps rund ums Thema Pferd

Reiten ist ein beliebter Sport: In Deutschland reiten 1,19 Millionen regelmäßig, 2,8 Millionen gelegentlich. Am beliebtesten ist das Springreiten, jedoch auch am gefährlichsten. Studien haben gezeigt, dass verunfallte Reiter am häufigsten Verletzungen im Brustbereich, gefolgt von Arm-und Beinbrüchen, erleiden. Leider kommt es bei einem Sturz vom Pferd auch häufig zu schwerwiegenden Rücken- und Kopfverletzungen. Bockt ein Pferd, verweigert es einen Sprung aufgrund oder auch ohne reiterliches Verschulden, kommt es schnell zu schweren Stürzen. Die Höhe von geltend gemachten Schmerzensgeldzahlungen beträgt häufig mehrere Zehntausend Euro. So ist es kein Wunder, dass bei einem Reitunfall genau rekonstruiert werden muss, wie es zu diesem Unfall gekommen ist, ob alle Richtlinien und Schutzmaßnahmen eingehalten wurden und wer schlussendlich die Haftung zu tragen hat.

Für den richtigen Umgang mit Pferden hat u.a. die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) einige Richtlinien erlassen. So gibt es auch für das Sprungtraining Richtlinien von der Deutschen Reiterlichen Vereinigung, was die Abstände zwischen den Hindernissen betrifft. Werden diese abweichend von den Richtlinien verändert und es kommt zu einem Reitunfall, ist die Frage, ob eventuell der Reitlehrer zur Verantwortung gezogen werden kann. Dass es auch schon bei einer Cavalettiarbeit zu schweren Reitunfällen kommen kann, zeigt folgender Fall. Mit einem solchen Fall hatte sich nach dem Landgericht Berlin in der Berufung die 11. Zivilkammer des Kammergerichts Berlin zu beschäftigen.

Der genaue Sachverhalt


Der Kläger ist ein Hobbyreiter, der beim beklagten Reitlehrer Sprungtraining in Anspruch nahm. Beim Reitlehrer selbst handelt es sich um einen erfahrenen Reitlehrer, der bereits seit mehr als 20 Jahren im Prüfungsausschuss für Berufsreiter tätig ist. Am Tage des Reitunfalls baute der Reitlehrer alles für ein sogenanntes „In-out-Sprungtraining“ auf. Beim ersten Sprung, der noch im Trab vollzogen wurde, machte die Stute des Reiters einen Fehler und stieß dabei ein Hindernis um. Anschließend sollte die Übung noch zwei Mal im Galopp ausgeführt werden, wobei das Hindernis erhöht wurde. Die Stute des Hobbyreiters stürzte, der Reiter fiel vom Pferd und verletzte sich schwer. Der Reiter erlitt eine Trümmerfraktur des Schlüsselbeins und ein stumpfes Bauch- und Thoraxtrauma. Der gestürzte Reiter verlangte anschließend vom Reitlehrer wegen nicht korrekt aufgestellter Hindernisse ein Schmerzensgeld von rund 45.500 Euro und unter anderem Schadensersatz aufgrund Verdienstausfalls.

Die Entscheidungen der Gerichte


Vom Landgericht Berlin wurde die Klage des Reiters zuvor abgewiesen. Der Reiter ging daraufhin in die Berufung. In der Berufung war nun das Kammergericht Berlin für diesen Fall zuständig. Um den Unfallhergang genauer zu rekonstruieren, wie es zu dem Sturz vom Pferd kam, wurden Sachverständigengutachten eingeholt und die Personen vernommen, die beim Sprungtraining ebenfalls anwesend waren.

Hindernisse nicht korrekt 
aufgestellt


Im Laufe des Verfahrens wurde festgestellt, dass die Hindernisse (hier: Cavaletti) beziehungsweise der Abstand zwischen den Hindernissen am Unfalltag zu eng vom Reitlehrer gestellt wurden. Die Richtlinien der Deutschen Reiterlichen Vereinigung und auch mehrere andere reiterliche Organisationen geben vor, dass der Mindestabstand zwischen den beiden Hindernissen im Galopp mindestens 3,00 bis 3,40 Meter betragen muss. Der Abstand, den die beiden Hindernisse hatten, lag jedoch nur bei 2,40 Metern.

Die Cavalettiarbeit stellt eine begleitende Gymnastik für die Dressur in allen drei Gangarten sowie eine Vorbereitung der Springausbildung dar. Im Galopp führt das Pferd schon kleine Sprünge aus, die Cavalettiarbeit kann an dieser Stelle in die Springgymnastik übergehen.

Ursache für den Reitunfall


Die hinzugezogenen Sachverständigen führten aus, dass es angemessen und nicht zu beanstanden war, dass die Hindernisse in einem solchem Abstand aufgebaut wurden. Dies rühre daher, dass es sich um gymnastische Übungen handele, die das Pferd animieren sollen, sich vor dem Sprung selbst aufzunehmen. Es gäbe keinen „ordnungsgemäßen“ Abstand, ein Ausbilder könne den Abstand individuell anpassen. Zudem seien diese Richtlinien der Deutschen Reiterlichen Vereinigung KEINE Richtlinien im juristischen Sinne.

Der gewählte Abstand war für den Unfall zudem nicht ursächlich, da auch bei einem geringeren Abstand als den üblichen 3,00 Metern die Stute das Hindernis problemlos hätte überwinden können. So entschied das Kammergericht in Berlin ähnlich dem vorherigen Landgericht, dass dem Reiter trotz seines Unfalls und seiner schweren Verletzungen keinerlei Ansprüche gegen den Reitlehrer zustünden. Denn der Aufbau der In-out-Hindernisse in einem geringeren Abstand stelle unter Berücksichtigung der konkreten Trainingsumstände, dem Erfahrungsgrad des Hobbyreiters und dem zusätzlichen Ausbildungsstand des Pferdes keine Verletzung der Sorgfalt des Reitlehrers dar, auch liege kein Verstoß gegen die Richtlinien der Deutschen Reiterlichen Vereinigung vor.

Sorgfaltspflicht des Reitlehrers


Das Kammergericht führte weiter aus, dass es auch keine Überforderung des Pferdes gewesen sei, die zum Unfall führte. Der hinzugezogene Sachverständige habe ausgeführt, dass die Stute des Reiters das Hindernis nicht ernst nahm und daher nicht hoch genug gesprungen sei. Diese Fehler seien bei keiner Sprunghöhe ausgeschlossen. Das Hindernis selbst sei von dem Pferd bereits schon einmal gemeistert worden. Auch von Seiten des Springreiters sei keine Überforderung zu erkennen gewesen, beim Sturz sei zwar seine reiterliche Unterstützung für das Pferd fehlend gewesen, jedoch könnten sich bei derartig niedrigen Hindernissen die Pferde in der Regel selbst problemlos helfen. Demnach sei keine Sorgfaltspflichtverletzung des Reitlehrers nachzuweisen.

Reiten ist eine gefährliche Sportart


Schlussendlich führte das Kammergericht noch einmal zusammenfassend aus, dass die Folgen des Reitunfalls für den Hobbyreiter zwar schmerzlich gewesen seien, jedoch habe sich bei diesem Sturz lediglich das Risiko verwirklicht, das im Reitsport regelmäßig gegenwärtig ist.

Tipp vom Anwalt für Pferderecht Ackenheil: In der Praxis ist die Haftungsfrage, die Höhe des Schmerzensgeld- und Schadensersatzanspruchs, nicht immer einfach zu beantworten, weshalb immer die Umstände des Einzelfalles genauestens betrachtet werden müssen. Da mitunter mehrere Personen an dem Schaden beteiligt sein können oder auch weitere Umstände wie eine erhöhte Sorgfaltspflicht zur Bemessung des Schmerzensgeldanspruchs nach einem Reitunfall ausschlaggebend sein können, sollte man immer einen Fachmann zu Rate ziehen. Tritt ein Schaden ein, empfiehlt es sich, genauestens den Unfallhergang zu dokumentieren und frühzeitig Beweise zu sichern. Hierfür sind bspw. auch Aufnahmen mit einem Handy geeignet.

Ihr Anwalt für Pferderecht,

Rechtsanwalt Ackenheil

Unser Experte: Andreas Ackenheil veröffentlicht als Spezialist für Pferde- recht regelmäßig in zahlreichen Fachzeitschriften und Onlineportalen juristische Fachbeiträge sowie Kommentare zu neuen Rechtsentscheidungen und hält Vorträge und Seminare. Zudem veröffentlichte der Rechtsanwalt einen großen Ratgeber für Tierrecht mit einem umfangreichen Kapitel über Pferderecht.

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