Text: Anna Castronovo            Foto: Getty Images/Gamma-Rapho

Seit rund 15 Jahren werden in Europa Pferde geklont. Damit sollte ursprünglich das Genmaterial kastrierter oder bereits verstorbener Tiere für die Zuchtwelt gesichert werden. Mittlerweile werden aber auch Hochleistungspferde erschaffen, die von Sieg zu Sieg galoppieren.

Die Klonlandschaft hat sich verändert. Auf der einen Seite geistern skurrile Meldungen über sibirisch-koreanischeKlonversuche an Mammuts und Urzeitpferden durch die Medien. Auf der anderen Seite produziert ein argentinisches Labor Top-Sportpferde vom Band, mit denen der weltbeste Polospieler einen Sieg nach dem nächsten erringt – ein Millionengeschäft. Dabei kam das erste Klonpferd erst 2003 auf die Welt.

Der Beginn: das Schaf Dolly

Mit Dolly fing alles an. Als schottische Wissenschaftler 1996 ein Schaf klonten, ging ein Aufschrei um die Welt. Besonders makaber war, dass das Spendertier bereits tot war – Dolly war also eine Art Zombie. Es folgten Mäuse, Kaninchen, Hunde, Ziegen, Mulis und irgendwann auch das erste Pferd. 2003 kam in Cremona (Italien) das Haflingerfohlen Prometea zur Welt. Es wurde ausgerechnet nach Prometheus benannt, der den Göttern das Feuer stahl, um es den Menschen zu geben. Die Stute, die das Fohlen austrug, war auch Lieferant für das Erbmaterial – sie trug also ihre eigene Zwillingsschwester aus. Prometeas Schöpfer waren hingegen die Wissenschaftler aus dem Team um Dr. Cesare Galli vom Laboratorio di Tecnologia della Riproduzione (LTR). Sie entnahmen Tierkadavern in einem Schlachthaus Hunderte Eizellen, kultivierten sie und ersetzten das Erbgut durch die DNA aus Hautzellen erwachsener Pferde. Die Ausbeute war mager: Aus 841 rekonstruierten Eizellen entstanden innerhalb einer Woche lediglich 22 Embryonen. Nur ein Fötus entwickelte sich schließlich zu einem Fohlen.

Prometea war eine x-beliebige Schöpfung, ein Tierversuch. Doch zwei Jahre später gelang es den italienischen Forschern, in Zusammenarbeit mit dem französischen Gen-Labor Cryozootech, das erste Hochleistungspferd zu klonen: Den damals 20-jährigen Vollblut-Araber Pieraz, der in den 90er-Jahren zweimal Distanz-Weltmeister war. Hatte sich die Menschheit bei Dollys Geburt noch gefragt, welchen Sinn es hat, Tiere zu klonen, gab das Retortenfohlen Pieraz-Cryozootech-Stallion den Experimenten eine Art züchterische Legitimierung: Pieraz war ein Spitzensportler, von dem die Pferdezucht profitiert hätte – wäre er nicht Wallach gewesen. Die Rechnung ging auf: Seit zehn Jahren ist der Pieraz-Klon selbst im Deckeinsatz und hat über 30 Nachkommen – die Gene des Wallachs Pieraz wurden durch seinen Klon erfolgreich weitervererbt.

Erstes Ziel: wertvolles Erbgut retten

Cryozootech legte eine Gendatenbank an, und Dr. Eric Palmer, der das Unternehmen gegründet hatte, zog von Stall zu Stall, um den Besitzern von Top-Pferden deren Erbmaterial abzukaufen. „Schon als Dolly auf die Welt kam, sagte ich, das sollten wir auch mit Pferden machen“, erzählt er. „Doch ich fand keine Geldgeber, weil Klonen nicht politisch korrekt ist. Also wollte ich Champions klonen, um das Geld für den Klonierungsprozess möglichst schnell wieder einzuspielen.“ Palmer hatte mit seiner Shopping-Tour Erfolg: Bei Cryozootech konnten sich Züchter aus einem 56 Seiten starken Katalog für etwa 250.000 Euro ihren ganz persönlichen Klon aussuchen. Die Namensliste der Spender, die als Vorlage dienten, war beeindruckend: Quidam de Revel, E.T., Calvaro, Poetin, Ratina.

Für Aufsehen sorgte 2006 ein Klon von Hugo Simons Spitzenpferd E.T., der unter Hugo Simon 3,2 Millionen Euro zusammensprang. Im Sommer 2013 ging die Nachricht durch die Presse, dass zwei Klone von Rusty das Licht der Welt erblickt haben. Ulla Salzgeber war mit dem Lettischen Warmblut auf Olympischen Spielen erfolgreich. Beide Ausnahmepferde waren Wallache. In den Stallungen des Gen-Labors Cryozootech in Frankreich wuchsen fortan E.T.-Cryozootech-Stallion und Rusty-Klon 1 heran, der zweite Klon lebt auf der Puntaci Farm in Texas. Der Versuch, Rusty zu klonen, dauerte insgesamt acht Jahre. „Beim Klonen kommen viele Abgänge und Frühgeburten vor“, erklärt Eric Palmer. „Das liegt an einer fehlerhaft en Reprogrammierung des Genoms, auch epigenetische Abnormalitäten genannt. Defekte Embryonen gehen ab.“ Die Entstehung der Rusty-Klone ist schwer in Zahlen zu fassen. „Tausende gesammelter Eizellen, Hunderte Zelltransfers, Dutzende Embryonen, über zehn fehlgeschlagene Trächtigkeiten“, resümiert der Wissenschaftler. „Die Embryonen, die nach drei Wochen gesund sind, entwickeln sich aber relativ normal.“

Auch das belgische Gestüt Zangersheide interessierte sich von Anfang an für die neue Reproduktionstechnologie – der erste Klon des Gestüts war Chellano Alpha Z, der 2008 auf die Welt kam und letzten Sommer an einer Kolik einging. Zangersheide gab außerdem insgesamt vier Klone – oder Kloninnen? – der Stute Ratina Z in Auftrag, die als eines der besten Springpferd der Welt gilt. Der mittlerweile verstorbene Gestütschef Leon Melchior war dafür bekannt, dass er neuen Techniken und Methoden offen gegenüberstand. Vor gut 30 Jahren wurde in Zangersheide mit künstlicher Besamung begonnen – gegen den Willen der deutschen Zuchtverbände. Heute gehört sie zur züchterischen Normalität. Auch beim Embryo-Transfer spielte Melchior eine Vorreiterrolle, und schließlich war Zangersheide das erste Zuchtbuch, das Klone zuließ und den Klon-Hengsten somit ihre Zuchterlaubnis erteilte.Der Belgier war allerdings nur an Springblut interessiert. Deshalb ließ Dr. Eric Palmer Rusty Klon 1 und Rusty Klon 2 ins britische Anglo European Studbook (AES) eintragen. „AES hat außerdem zwei Klone von Gem Twist und einen von Romulus 16 aufgenommen“, freute er sich. Auch das holländische KWPN-Stutbuch zog mit und nahm zwei Klone des Dressur-Hengstes Jazz auf, der jahrelang das Ranking der besten Vererber des Weltzuchtverbandes anführte.

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