Text: Inga Dora Schwarzer        Foto: www.Slawik.com

Wallache, die sich wie Hengste gebären, und Stuten, die andauernd rossig sind: Der Sexualtrieb von Pferden gerät manchmal ganz schön aus den Fugen. Wir erklären, welche Ursachen hinter diesen Verhalten stecken und was leidgeplagte Pferdebesitzer tun können.

Unter dem Begriff Sexualverhalten werden alle Verhaltensmuster zusammengefasst, die durch den Fortpflanzungstrieb der Pferde bestimmt werden. Sexualverhalten ist vorwiegend bei Stuten, Hengsten, aber auch nicht selten bei Wallachen zu beobachten. Wallache, die hengstähnliche Eigenschaften haben, zeigen vor allem im Miteinander mit weiblichen Artgenossen auffällige Verhaltensweisen. Sie umkreisen eine Stute oder Stutengruppe und treiben sie gezielt weg, um sie vor anderen Pferden abzuschirmen und sie zu bewachen. Sie überdecken Stellen von Stutenharn mit ihrem eigenen Harn oder setzen Kot auf der Hinterlassenschaft eines männlichen Herdengenossen ab.

Hengstiges Verhalten

Vor allem in der Rosse wird ihr Sexualtrieb geweckt. Dann sind Wallache oft aggressiv gegenüber männlichen Artgenossen und überprüfen mit Hengstverhalten den Stand des Zyklus der Pferdedamen durch Riechen am Körper, am Urin und an den Exkrementen der Angebeteten. Sie verbringen viel Zeit in der Nähe von Stuten und zeigen ihnen gegenüber eine typische Hengsthaltung mit bogenförmigem Hals, hoch getragenem Schweif, Lautäußerungen und viel Imponiergehabe. Nicht selten springen sie auch auf, zum Teil mit ausgeschachtetem und erigiertem Schlauch sowie tatsächlichem Eindringen in die Stute. Dieses Verhalten ist als Hengst ganz normal. In der Natur lebt er mit einer mehr oder minder großen Stutengruppe zusammen, die er beschützt. Doch in einer gemischten Herde können sexuell aktive Kastraten gefährlich werden – vor allem für weibliche Pferde. Werden sie regelmäßig von hengstigen Wallachen gedeckt, können böse Hufeisenverletzungen, Rücken- und Bissverletzungen sowie Gebärmutterentzündungen die Folge sein.

Zwei mögliche Ursachen

Aber wie kommt es überhaupt zu einem solchen Verhalten? Dafür gibt es laut Experten zwei Ursachen: eine unvollständige Kastration, bei der sich weiterhin Sexualhormone bilden, die das fortbestehende Hengstverhalten auslösen, oder ein psychisch verankertes Hengstverhalten sozialen Interaktion ausgelebt wird. Zeigt sich ein Wallach nach einem längeren Zeitraum nach der Kastration noch hengstig, liegt der Verdacht einer fehlerhaften Kastration sehr nahe. In solchen Fällen wurde bei der Operation lediglich ein Teil des Nebenhodens statt des gesamten Nebenhodens und des Hodens entfernt. Ob dies wirklich der Fall ist und der Wallach eventuell als Klopphengst gilt, lässt sich anhand von Tests ermitteln. Vorschnell sollte dem operierenden Tierarzt aber nicht die Schuld gegeben werden, denn das Hengstverhalten verringert sich unterschiedlich schnell. Bei jungen Hengsten sind bereits innerhalb von vier Wochen Unterschiede festzustellen, bei älteren Hengsten braucht es aber manchmal oft mehrere Monaten, bis sich ihr Verhalten tatsächlich verändert. Ist der Wallach vollständig kastriert und zeigt dennoch Hengstverhalten, kann der Pferdebesitzer davon ausgehen, dass die gezeigten Verhaltensweisen psychisch verankert sind. Das heißt: Das angeborene Sexualverhalten wird nach der Kastration einfach vom Wallach weiterbetrieben. Dies kommt übrigens nicht nur bei Wallachen vor, die vor der Kastration im Deckeinsatz waren. Deshalb sollte jedem klar sein, dass eine korrekt durchgeführte Kastration nicht immer zur einer vollständigen Elimination von Hengstverhalten führt. Hat ein Wallach regelmäßig oder gar permanent rossige Stuten um sich herum, kann das Hengstverhalten auch wieder aktiviert, stimuliert und sogar antrainiert werden. Letzteres ist der Fall bei Wallachen, die zum Abprobieren von Zuchtstuten verwendet werden, um deren Paarungsbereitschaft  zu erkennen.

Räumliche Trennung

Hilft keine Nachfolgeoperation, kann eine hormonelle Behandlung erfolgen. Lässt sich das unerwünschte Verhalten auch dann nicht abstellen, bleibt nur eine Möglichkeit: die räumliche Trennung von der Herde bzw. den Stuten, um weiteren Schaden zu vermeiden. In einer reinen Wallachgruppe oder zusammen mit einem anderen männlichen Artgenossen ist der hengstige Kastrat meist am besten aufgehoben. Manchmal passt aber auch eine Konstellation mit einer älteren Stute. Mit einer Stute? Ja, denn alte Stuten zeigen mitunter während des ganzen Jahres keine Rosse mehr, weil sich ihre Eierstöcke mit zunehmendem Alter zurückbilden und kaum oder keine Eizellen und Hormone produzieren. So lösen sie auch keinen Sexualtrieb bei hengstigen Wallachen aus. Apropos Rosse: Das Pendant zu hengstigen Wallachen sind Stuten, die nicht nur beim Hengst, sondern auch bei Wallachen oder sogar anderen Stuten deutliche Anzeichen von Rosse zeigen und dauerrossig sind. Sie sorgen bei Reitern oft für Augenrollen und entnervtes Stöhnen, denn sowohl im Umgang als auch beim Reiten sind sie meist nicht gerade einfach. Dabei sind es in der Regel die Stuten, die bereits ein oder mehrere Fohlen hatten, die deutlich rossen. Sie bleiben häufig mit gespreizten Hinterbeinen stehen, heben den Schweif, legen ihn zur Seite, öffnen und schließen die Schamlippen und setzen vermehrt Urin und Schleim ab, der vom Licht reflektiert wird und einen blitzenden Schimmer auslöst. „Sie steht, schleimt und blitzt“, heißt es dann im Züchterjargon. Im Umgang sind die Stuten oft nervös und zickig, kitzelig beim Putzen und empfinden den Sattelgurt als besonders unangenehm.

…alles zu diesem Thema finden Sie in der Mein Pferd-Ausgabe 08/2019.