Text: Gloria Lucie Alter, Laura Becker     Foto: www.Slawik.com

Wer glaubt, ein nervöses Pferd zu haben, muss zunächst mal in die genauere Diagnostik gehen. Ist es nervös oder ängstlich? Und wieso? Daran orientiert sich die Gestaltung von Haltung und Fütterung

Amadeus steht am Putzplatz – wobei … der Hannoveraner-Wallach steht weniger, als dass er unruhig hin- und hertritt. Amadeus’ Ohren sind leicht angelegt, seine Unterhalsmuskulatur ist gut sichtbar, in seinen Augen spiegelt sich Nervosität. Der Strick, mit dem er angebunden ist, ist permanent auf leichtem Zug. Auch beim Reiten ist Amadeus stets angespannt, er geht ungern Schritt, zackelt am langen Zügel an und ist froh, wenn er vorwärts gehen darf.

Amadeus ist ein Beispiel für ein „Stresspferd“ – ein Pferd, das in allen Lebenslagen grundnervös ist. Es gibt schreckhafte Pferde, ängstliche Pferde, Pferde, die bei bestimmten Lektionen heiß werden, und Pferde, die übermütig und frech sind. Oder eben Pferde, die sich permanent auf einem bestimmten Stresslevel bewegen. Häufig sind das auch schlechte Fresser, die mehr auf den Rippen vertragen könnten, rangniedere Pferde und solche, die auch nachts in der Box schlecht zur Ruhe kommen (siehe Kasten „Fehlender Schlaf“). Das hat Auswirkungen auf die Gesundheit, den Umgang und die Ausbildung.

„Nervöse Pferde sind meistens relativ unruhig und unsicher. Das zeigt sich auch an ihrem aktiven Ohrenspiel“, erklärt Dressurausbilderin und Bodenarbeitsexpertin Bernadette Brune, die Pferde zur Arbeit am liebsten roh aus der Herde bekommt und somit anfangs häufig mit noch unsicheren, unroutinierten Jungpferden zu tun hat. „Wenn das Pferd nervös ist, verspannt es sich. Dann tritt immer der Unterhalsmuskel hervor“, so Brune. „Nervöse Pferde sind entweder krank, oder ihnen fehlt das Vertrauen“, konstatiert die Vielseitigkeitsausbilderin Julia Mestern.

Deswegen ist es grundsätzlich wichtig, ein Stresspferd von einem Tierarzt abchecken zu lassen. Und es gibt vieles, was man beachten kann, um einem Stresspferd das Leben zu erleichtern. Das fängt schon bei der Haltung und der Fütterung an.

Richtiges Futter senkt Stresslevel

„Bei Stresspferden muss ich darauf achten, dass sie genug in den Magen bekommen“, betont Julia Mestern. „Das sind häufig dünne Pferde, die schlecht fressen. Sie müssen lernen, Heu zu fressen – das beschäftigt, das beruhigt, und Heu liefert Rohfasern, fördert die Speichelbildung und somit eine gesunde Verdauung. Nervöse Pferde habenja auch häufig einen sensiblen Magen. Außerdem liefert Heu wichtige Nährstoffe und Energie.“ Aber was tun, wenn das Pferd nur ungern Heu frisst? „Das muss ich trainieren, indem ich qualitativ sehr hochwertiges Heu zur Verfügung stelle und es dort hinlege, wo die Box sauber ist, also nicht auf die Pinkelstelle zum Beispiel“, so Julia Mestern, „und gegebenenfalls würde ich eine Zeitlang das Kraftfutter reduzieren, sodass das Stresspferd motiviert wird, stattdessen Heu zu fressen. Jedenfalls wäre es keine gute Idee, mehr Kraftfutter zu füttern, weil das Pferd kein Heu frisst.“

Jede Futterration muss individuell für jedes Pferd je nach Leistung, körperlicher Konstitution und Größe zusammengestellt werden. Grundsätzlich verweist Julia Mestern darauf, dass man mit Heu Energie kompensieren kann. „Ein Kilogramm Hafer hat rund elf Megajoule Energie, ein Kilogramm Heu etwa sieben Megajoule Energie. Zusätzlich kann man auch noch Öl dazufüttern, Reiskleie und Luzerne – da muss man dann aber auf das richtige Kalzium-Phosphor-Verhältnis achten. Stresspferde haben oft einen höheren Grundumsatz, bei einem durchschnittlich großen Warmblutpferd würde ich zwölf bis 14 Kilogramm Heu füttern.“

Den kompletten Text finden Sie in der neuen Mein Pferd-Ausgabe.